Wer sich vier Stunden Porno bei Popcorn und Cola erhofft, wird von „Nymphomaniac“ bitter enttäuscht. Zwar gibt es in Lars von Triers neuem Kinofilm reichlich Genitalien zu sehen. Sexy ist er aber nicht.

Wer sich vier Stunden Porno bei Popcorn und Cola erhofft, wird von „Nymphomaniac“ bitter enttäuscht. Zwar gibt es in Lars von Triers neuem Kinofilm reichlich Genitalien zu sehen. Sexy ist er aber nicht.

 

Kopenhagen - Es ist eine Wette zwischen zwei Mädchen in einem Zug, und der Einsatz ist eine Tüte Schokolinsen. Wer auf der Fahrt mehr Männer zum Sex verführt, bekommt die Süßigkeiten. „Was, wenn es eklig ist?“ fragt die junge Joe (Stacy Martin). Dann denkst du an die Tüte voller Schokolinsen, antwortet ihre Freundin M.

Die Szene in Lars von Triers Kino-Epos „Nymphomaniac“ (deutscher Kinostart des 1. Teils am 20.2.) ist Initialzündung für Joes intensives Leben als Sexsüchtige. Wenn es um das Eine geht, nimmt sich die zierliche Frau, was sie will. Von da an sind im Film Penisse und Vaginas in allen Ausprägungen und Sex in allen Positionen zu sehen. Trotzdem geht es nur vordergründig um nackte Haut.

Seit gut zehn Tagen (25.12.) läuft die Lebensgeschichte von Joe, die als ältere Erwachsene von Charlotte Gainsbourg gespielt wird, in dänischen Kinos. Entrüstungsstürme löst das Sexsucht-Drama des Enfant terrible von Trier, das im Vorfeld zu wilden Spekulationen verführt hatte, bei den liberalen Dänen keineswegs aus. Die große Tageszeitung „Politiken“ schrieb, der Regisseur habe damit seinen künstlerischen Nachlass geschaffen. Das Epos sei an vielen Stellen witzig. „Aber der philosophische Film ist vor allem literarisch.“

„Nymphomaniac“ ist wie ein Buch dicht erzählt in Kapiteln mit Titeln wie „Delirium“, „Die kleine Orgelschule“ oder „Die östliche und die westliche Kirche“. Acht solcher Abschnitte gibt es, in denen von Trier kunstvoll von der Geschichte seiner Hauptfigur abgleitet und mit einer Collage aus Archivbildern Parallelen zu Fliegenfischen oder Musiktheorie zieht - und Joes Leben damit verknüpft und erklärt.

Der erste Teil startet in Deutschland am 20. Februar

Dreh- und Angelpunkt der Geschichte ist eine Unterhaltung zwischen der inzwischen etwa 50-jährigen Joe und dem älteren Junggesellen Seligman (Stellan Skarsgård). Der sammelt die zusammengeschlagene Joe an einem Winterabend aus einer finsteren Gasse auf, nimmt sie mit zu sich nach Hause und kümmert sich um sie.

Während sie ihm ihre Lebensgeschichte erzählt, macht er ihr Tee und verwebt ihre Episoden mit dem Wissen, das der Bücherwurm aus der Literatur schöpft. „Das nächtliche Gespräch zwischen der Nymphomanin Joe und dem asexuellen Seligman ist - mitten in der sexuellen Tragödie - ein humoristischer Dialog zwischen zwei Sichtweisen auf das Leben“, meinte „Politiken“.

„Ich habe noch nie einen schlechten Menschen getroffen“, sagt Seligman zu Joe. Sie versucht, ihn vom Gegenteil zu überzeugen, indem sie ihm die verstörendsten und abgründigsten Auswüchse ihrer Sexsucht schamlos in Details schildert.

Das Epos um Sexsucht, Depression, Begierde und Einsamkeit wird zunächst in seiner vier Stunden langen, gekürzten Version in den Kinos gezeigt. In Deutschland startet der erste Teil (Volume I) am 20. Februar, den zweiten Teil (Volume II) können Kinogänger ab dem 3. April sehen. Die Berlinale (6.-16. Februar) zeigt Lars von Triers neuen Film erstmals in seiner Langfassung. Dort läuft das Werk als Weltpremiere im offiziellen Programm außer Konkurrenz.