Die Deutsche Telekom kommt unter Druck: Sollte das geplante Zusammengehen von O2 und E-plus genehmigt werden, verliert das Unternehmen seine bisherige Spitzenstellung auf dem Markt für das mobile Telefonieren.

München - Es wäre das erste Zusammengehen zweier Mobilfunkunternehmen in Deutschland: Wenn das Kartellamt den Plänen der Nummer drei und Nummer vier dieser Branche nicht noch einen Strich durch die Rechnung macht, wird Telefonica Deutschland mit seiner wichtigsten Marke O2 den nach der Kundenzahl größeren Wettbewerber E-Plus kaufen. „Es ist eine fantastische Chance“, sagt Rene Schuster, Chef der deutschen Telefonica in München. Seine spanische Mutter würde sich das rund sechs Milliarden Euro kosten lassen. Die Folge wäre der mit rund 43 Millionen Handykunden hierzulande größte Mobilfunkanbieter noch vor der Deutschen Telekom (37 Millionen) und Vodafone (32,4 Millionen).

 

Telefonica zeigte sich zuversichtlich, dass die Übernahme vor den Kartellhütern bestehen wird. Sicher sei das aber nicht, räumte Schuster ein. Branchenexperten warnen. Wenn eine Nummer drei mit einer Nummer vier fusionieren will, sei das meist mit hohen Auflagen seitens der Kartellwächter verbunden. Die könnten alles zum Scheitern bringen. Auch die Bundesnetzagentur will den geplanten Zusammenschluss prüfen. Die Deutsche Telekom kommentierte die Pläne der Konkurrenz nicht. „Wir unterstützen die Marktkonsolidierung“, hieß es bei Vodafone, ohne genauer zu werden. Die aktuelle Nummer zwei der heimischen Mobilfunker greift ihrerseits nach dem Kabelriesen Kabel Deutschland und setzt die Deutsche Telekom unter Druck.

Es geht um Milliarden für neue mobile Netze

Schon voriges Jahr hatten Telefonica und E-Plus – damals vergeblich – über eine Fusion verhandelt. Spätestens seit der geplanten Übernahme von Kabel Deutschland durch Vodafone ist aber klar, dass die Branche zusammenrückt, um durch Größenvorteile Kosten zu sparen. Damit kommt auch auf Kartellhüter viel Arbeit zu. Sie müssen nun gleich zwei große Fusionen prüfen. Bei Vodafone und Kabel Deutschland geht es um ein Geschäft in ähnlicher Größenordnung. Hintergrund in beiden Fällen sind die Milliardenkosten, die durch den Ausbau von Hochgeschwindigkeitsnetze vor allem durch den Boom bei Smartphones und mobiler Datenkommunikation entstehen. Mobilfunker investieren derzeit riesige Summen in die Aufrüstung ihrer Netze mittels neuer LTE-Technik. Sollte die Firmenehe der börsennotierten Telefonica Deutschland und E-Plus vollzogen werden, muss das Duo nur noch ein LTE-Netz bauen und nicht doppelt investieren.

Die Einspareffekte, die bis 2019 erreicht werden sollen wären mit 5 bis 5,5 Milliarden Euro deshalb gewaltig. „Diese Akquisition unterstreicht die Notwendigkeit, Skaleneffekte zu erzielen“, sagte Schuster vor allem mit Blick auf einen gemeinsamen Netzbetrieb. Es sei ein strategischer Schritt zu mehr Wachstum, was als Kampfansage gegen die Platzhirschen T-Mobile und Vodafone zu verstehen ist.

Auf die Deutsche Telekom käme noch mehr Wettbewerbsdruck

Welche Auswirkungen das Zusammengehen auf die gut 10 000 Stellen von Telefonica und E-Plus in Deutschland hätte, ließ Schuster offen. Auch beim Vertrieb und Kundenservice will ein fusioniertes Unternehmen aber sparen, und das bedeutet Personalabbau. Ob eine gemeinsame Firmenzentrale in München (Telefonica) oder Düsseldorf (E-Plus) stehe, wollte Schuster auch noch nicht sagen. Vieles spricht für München. Zustimmen müssen der Firmenehe auch noch die Aktionäre von Telefonica Deutschland und E-Plus, was aber eher eine Formalie sein dürfte. KPN würden immerhin fünf Milliarden Euro in bar zufließen und 17,6 Prozent der Anteile an Telefonica Deutschland im Wert einer weiteren Milliarde Euro. Am Ende würde die spanische Telefonica an ihrer um E-Plus vergrößerten deutschen Tochter knapp zwei Drittel der Anteile halten. 17,4 Prozent wären im Streubesitz, der Rest läge bei KPN.

Prepaid-Geschäft und Billigsegment

Vor allem auf die Deutsche Telekom, die schon mit einer Übernahme von Kabel Deutschland durch Vodafone rechnen muss, käme noch mehr Wettbewerbsdruck zu. Die Kunden von O2 und E-Plus könnten von besserer Netzabdeckung und Qualität profitieren. Das gilt vor allem für die von E-Plus, dessen Netz hierzulande als das schlechteste aller Mobilfunkanbieter gilt. Die Stärke der Düsseldorfer liegt im Prepaid-Geschäft und Billigsegment, was sich gut mit O2 ergänzen würde.

Was ändert sich für die Kunden?

„Die reine Übernahme würde an den Verträgen nichts ändern“, erklärt Thomas Bradler von der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen. Erst wenn Telefónica – hierzulande vor allem durch seine Kernmarke O2 bekannt – E-Plus integriert, könnte es zu Änderungen kommen. „Preise und Leistungen dürfen aber nicht einfach ohne Zustimmung des Verbrauchers geändert werden“, sagt der Rechtsanwalt.

Was ändert sich für die Verbraucher?

Kann ich im E-Plus-Netz vielleicht plötzlich nicht mehr telefonieren?

Das droht auf keinen Fall. „Es besteht keine Gefahr, dass da jemand abgeschaltet wird“, sagt Martina Totz, Juristin der Verbraucherzentrale Rheinland-Pfalz.

Was lehren andere Übernahmen?

„Das gab es schon oft“, sagt Andrea Sack, Juristin vom Europäischen Verbraucherzentrum. Sie nennt als Beispiele das Telekommunikationsunternehmen Hansenet (Alice), das Telefónica 2010 übernommen hat, oder Arcor, das bereits 2008 an Vodafone verkauft wurde. Für die einzelnen Kunden habe sich nicht viel geändert: Die alten Verträge seien weitergelaufen.

Was hat Telefónica für Pläne?

Erst einmal müssen Aktionäre und Wettbewerbshüter der Übernahme zustimmen. Außerdem gilt: „Solange E-Plus eine eigene Gesellschaft ist, bleiben E-Plus-Kunden E-Plus-Kunden“, sagte Telefónica-Sprecher Albert Fetsch. „In einem zweiten Schritt gilt es, das neue Unternehmen zu formieren.“ Ob sich etwa die Preisstruktur nach einem Zusammenschluss ändern wird, ist noch unklar.

Wie werden sich die Preise entwickeln?

Günstiger wird es dadurch eher nicht. Im Gegenteil: mobiles Telefonieren könnte nach dem Zusammenschluss „nicht mehr so schnell billiger werden wie in den vergangenen Jahren“, sagte Torsten Gerpott, Telekommunikations-Experte der Universität Duisburg-Essen dem „Handelsblatt“. Die Erfahrung zeige, dass in einem Markt mit etwa drei gleich starken Anbietern „ein Wettbewerb bis aufs Blut ausbleibt“.