Bezirksvorsteherin und OB-Kandidatin Veronika Kienzle will Schaustellern mit kleinen Ständen Handel auf der Königstraße möglich machen. Und sie plädiert auf eine Verschiebung der Marktplatzsanierung auf das Jahr 2023.

Stuttgart - Die Innenstadt braucht dringend politische Unterstützung, um in der Coronakrise wieder zu dem zu werden, was sie mal war: ein Ort der Begegnung. Dieser Meinung ist die Bezirksvorsteherin des Stadtbezirks Mitte, Veronika Kienzle. Wie das gelingen könnte, verrät sie im Interview.

 

Frau Kienzle, worauf werden Sie gerade am meisten von den Bürgern angesprochen, wenn Sie durch die Innenstadt gehen?

Menschen aller Couleur erzählen mir gerade sehr traurig, wo der Schuh drückt.

Und wo drückt er?

Überall dort, wo man auf Gewohntes und Wichtiges verzichten muss. Aber in der Innenstadt fokussiert sich alles noch einmal mehr und werden Probleme, die wir anderswo auch haben, deutlicher wahrgenommen.

Wie meinen Sie das?

Die Stadtmitte ist ein Schmelztiegel von allem – Handel und Gewerbe, Kultureinrichtungen und Events, Landes- und Kommunalpolitik, Einwohnern und Touristen. Die Stadtmitte ist das Zentrum der Landeshauptstadt. Insofern hat uns dieser Shutdown in der Innenstadt nicht nur wirtschaftlich getroffen. Er hat uns auch im gesellschaftlichen Gefüge getroffen. Nämlich das, was die Stadtmitte ausmacht: Die Begegnung der Menschen beim Einkaufen, Arbeiten oder Feiern, fehlt. Und das ist ein Riesenproblem.

Inwiefern?

Weil sich nun die Frage stellt: Was können wir kommunalpolitisch zur Lösung beitragen?

Und wie geht die Bezirksvorsteherin Mitte damit um?

Meine Aufgabe ist es mitzuhelfen, dass diese Formen der Begegnungen im Rahmen der gesundheitlichen Vorsorge schnell wieder ermöglicht werden. Ich will, dass wir die öffentlichen Orte in der Stadt wieder zugänglich machen und den Gewerbetreibenden eine Perspektive geben. Trotz Social Distancing müssen wir jetzt zusammenrücken.

Das klingt nett, aber abstrakt. Haben Sie auch konkrete Vorschläge?

Ja, ich denke dabei an den suspendierten Flohmarkt und die Schausteller vom Wasen. Wir brauchen neue Formate zur Belebung des öffentlichen Raums. Warum sollten nicht die Schausteller mit kleineren Verkaufsständen auf die Königstraße? Oder auf die Wochenmärkte? Sie könnten doch an den zentralen Plätzen der 23 Stadtbezirke an Ständen ihre gebrannten Mandeln oder anderes gemeinsam mit den Händlern des Wochenmarkts verkaufen. Auch leer stehende Ladengeschäfte könnte man zwischennutzen. Denn wir wissen heute alle nicht, ob nach den Absagen des Frühlings- und Volksfestes der Weihnachtsmarkt stattfinden kann.

Aber die Wilde Maus muss draußen bleiben?

Die Fahrgeschäfte und die Festzelte sind noch mal ein anderes Thema. Ich meine die kleinen Stände, die in aller Regel Stuttgarter Wirtschaftsbetriebe sind. Sie haben sich das Motto „Von Stuttgart für Stuttgart“ gegeben und diesen Gedanken möchte ich mit meinem Vorschlag gerne dezentral angelegt aufgreifen. Sie brauchen nun niederschwellige Angebote und kleine Dienstwege. Dies wird zwar nicht den Ausfall des Frühlings- und Volksfestes auffangen, aber es wäre für das Jahr 2020 zumindest einmal eine Perspektive und vielleicht auch eine Hilfe.

Was wären weitere Hilfen, um diesem Herz der Stadt wieder auf die Sprünge zu helfen?

Ich meine, wir sollten manche Vorhaben zeitlich noch einmal überdenken: Die Sanierung des Marktplatzes sollte vorgezogen oder, wenn dies nicht mehr möglich ist, bis 2023 verschoben werden. Natürlich weiß ich, dass dies wegen der Ausschreibungen und Vergaben vermutlich nicht ganz einfach ist, aber der Vorteil für die Händler, Veranstalter und vor allem das Stuttgarter Publikum wäre riesengroß. Wir haben jetzt 14 Jahre auf die Sanierung des Platzes gewartet und er ist auch im heutigen Zustand verkehrssicher. Daher sehe ich kein Problem, diese zwar sinnvolle, aber nicht zwingend notwendige Maßnahme zu verschieben.

Welche Effekte für die Innenstadt erhoffen Sie sich dadurch?

Eine Belebung der Innenstadt durch die Märkte und Veranstalter, die dann Begegnung schaffen, nach der sich die Menschen sehnen. Der Handel, die Kultur und die ganze Stadtgesellschaft. Ich denke an den Wochenmarkt, der Menschen von der Halbhöhe mit denen aus dem Talgrund zusammenbringt. Aber auch an das Weindorf, den Christopher Street Day oder das Festival der Kulturen, die dann vielleicht im nächsten und im übernächsten Jahr –vorausgesetzt die Pandemielage lässt es zu - diesen Platz uneingeschränkt bespielen könnten. Allein beim Festival der Kulturen engagieren sich 110 Migrantenvereine. Denen zu sagen, dieses Jahr könnt ihr gar nix machen und im nächsten Jahr habt ihr eine Baustelle, halte ich für demotivierend. Wir brauchen jetzt motivierende Aussichten. Die können nicht nur monetär sein. Wir brauchen für die Innenstadt gerade in dieser schweren Zeit der Pandemie eine Zukunftsperspektive.