Der OB informiert sich über Schwangerschafts- und Suchtberatung der Diakonie.

Leonberg - Oberbürgermeister Martin Kaufmann hat sich am Dienstagnachmittag ein Bild von der Diakonielandschaft in Leonberg gemacht. Zusammen mit Dekan Wolfgang Vögele, der auch stellvertretender Vorsitzender des Diakonieverbands ist, und Bezirksgeschäftsführerin Simone Schächterle besuchte er das Haus der Diakonie.

 

Erste Station war die allgemeine Sozialberatung. „Das ist so etwas wie der Hausarzt der Beratungsstelle“, sagte Schächterle. Mitarbeiterin Susanne Wildt erklärte, dass man die Wartezeit zwischen einem Anruf und dem Beratungstermin so kurz wie möglich halte. „Eine halbe Stunde können wir jeden Tag dazwischenschieben“, erklärte sie. Es müsse flott gehen, die Hilfe werde schließlich sofort benötigt, wenn der Strom abgestellt wurde oder jemand aus der Wohnung geflogen sei.

„Mit dieser Haltung haben Sie wahrscheinlich schon vielen Menschen eine Perspektive im Leben zurückgegeben“, lobte der OB. Er bedauerte, dass viele Menschen nicht wüssten, welche Ansprüche sie haben, da sie Respekt vor den Behörden hätten oder sich schämen würden. „Man muss dazu kommen, dass sich die Menschen nicht als Bittsteller fühlen, sondern verstehen, dass die Ämter für sie da sind.“

Bei einem Fünftel der Schwangerschaftsberatungen geht es um Abbrüche

Susanne Wildt lobte das gute Miteinander im Team. „Wenn ich einen Fall habe, der mich sehr belastet, kann ich immer bei einem Kollegen vorbeischauen und los werden, was mich bedrückt“, sagte sie. Kaufmann erzählte, als er im Sozialdienst eines Landkreises gearbeitet habe, sei man nach Abschluss aller Beratungen am Vormittag gegen 12 Uhr bei einem Kaffee zusammengesessen, um sich über die Fälle aller Kollegen auszutauschen.

Eine Stippvisite machte Kaufmann auch bei der Schwangerenberatung. Mitarbeiterin Kerstin Gerischer erklärte, dass 80 Prozent ihrer Beratungen allgemeine sozialrechtliche Fragen betreffe. „Rund ein Fünftel sind gesetzlich vorgeschriebene Konfliktberatungen vor einem Schwangerschaftsabbruch“, erläuterte sie. Die ebenfalls vorgeschriebene Bedenkzeit von drei Tagen danach hielt sie für absolut angemessen. „Das ist eine schwerwiegende Entscheidung, viele Frauen kommen direkt vom Arzt zu uns“, meinte Gerischer.

Normalerweise sei es möglich, einen Termin für eine solche Konfliktberatung am Tag des Anrufs zu vergeben. „Da Berufstätige in der Regel nach 16 Uhr kommen, bieten wir entsprechende Öffnungszeiten an“, erklärte Gerischer. Kaufmann sah gewisse Parallelen zu seinem Job: „Sie wissen morgens auch oft nicht, was Sie bis abends getan haben.“

Dritte Station im Haus der Diakonie war der so genannte Sozialpsychiatrische Dienst. Hier outete sich Sozialpädagoge Sascha Drodofsky als Feuerwehrmann: „Zu mir kommen chronisch psychisch kranke Menschen, bei denen in Sachen Wohnung oder Behörden einiges im Argen liegt. In der Regel muss man da erst einmal einige Kleinflächenbrände löschen“, erzählte er. Selten kämen die Menschen zu ihm, um wieder eine Arbeitsstelle zu finden. „Meistens geht es um Dinge wie Erwerbsminderungsrenten oder einfach nur eine Tagesstruktur“, erläuterte er.

Besuch in der Suchtberatung

Immer wieder erlebe er Menschen, die in ihrem Leben 120 Prozent geleistet hätten und nun „ihre ganze Kraft verballert“ hätten. Kaufmann erklärte, ihn bekümmerten auch Mitarbeiter, die nur ihre Arbeit hätten und keinen Urlaub machen wollten, weil sie sich für unentbehrlich hielten. „Die Friedhöfe sind voll von Unentbehrlichen“, sagte der OB.

Er plädierte auch dafür, in Sachen soziale Medien ein Stück weit zurückzurudern. „Diese ständige Erreichbarkeit auf Facebook, via WhatsApp oder per SMS ist auch eine Belastung“, meinte er. Der Absender habe eine Erwartungshaltung, als Empfänger habe man eine Antwortschuld. Dies sei auch ein Stolperstein für seine Klienten, meinte Drodofsky. Schlimmer seien aber die ungeöffneten Schreiben der Ämter im Briefkasten.

Zuletzt besuchte der OB das Suchthilfezentrum. Besonders interessierte ihn das Schulungsangebot für Führungskräfte, Alkoholsucht bei Mitarbeitern zu erkennen. Mitarbeiter Bernhard Künstler erklärte, Betroffene könnten die Beratung auch anonym in Anspruch nehmen. Zudem gebe es donnerstags von 16 bis 17.30 Uhr eine offene Sprechstunde. Mit einem Besuch in der Tagesstätte und im Diakonie-Kontakt-Laden für vereinsamte Menschen klang die Diakonietour durch Leonberg aus.