Die LKZ stellt die OB-Kandidaten im Porträt vor. Dieses Mal: Martin Kaufmann, Bürgermeister von Rudersberg.

Leonberg - Stress hat der Kandidat selbst an einem der beschaulichsten Plätze in der Innenstadt. Martin Kaufmann läuft rund um den Brunnen im Pomeranzengarten und telefoniert. Erst als der Gesprächspartner von der Zeitung erscheint, legt Kaufmann auf und wechselt in den Entspannungsmodus. Schließlich hat er sich nicht umsonst den Renaissancegarten als Ort des Pressetermins ausgesucht.

 

„Hier kann man innehalten“, sagt der Aspirant für das höchste Amt der Stadt. „Jeder sollte sich die Zeit für einen solchen Moment nehmen.“ Tatsächlich ist es angenehm ruhig zwischen den Blumenrabatten und Brunnen. Kaufmann zeigt sich ortskundig: „Einer der wenigen höfischen Renaissancegärten in Deutschland von 1609.“ Und präzisiert: „408 Jahre alt.“ Der staatstragende Blick des 51-jährigen geht in ein schalkhaftes Lächeln über: „Übrigens ein idealer Treffpunkt für ein Rendezvous.“

Diese kleine Begrüßungsszene ist typisch für den Mann, der seit zehn Jahren Bürgermeister in Rudersberg ist. Kaufmann will unbedingt zeigen, dass er sich auskennt, dass er mit der Stadt und ihren Menschen etwas anfangen kann, kurzum: Dass er bereits jetzt, da noch völlig offen ist, ob er tatsächlich in Leonberg anfangen darf, hier angekommen ist.

Kaufmann hat sich hochgearbeitet

Der Sozialdemokrat, der seine Partei so gut wie nie erwähnt, hat immer einen lockeren Spruch auf Lager. Seine Wahlkampfveranstaltungen sind alles andere als ein trockenes Herunterbeten von Inhalten. Martin Kaufmann gibt sich leger, volksnah, fast kumpelhaft. So wie in der Steinturnhalle. Der Saal ist voll. Gekommen sind nicht nur seine Unterstützer aus der SPD. Viele andere sind neugierig auf den einzigen auswärtigen Bewerber.

Der Kandidat zieht sein Jackett aus, krempelt die Ärmel hoch, stellt den Mikrofonständer beiseite und legt los: „Ich bin überwältigt von Ihrem großen Interesse. Wie Sie unschwer hören, bin ich kein Schwabe.“ Der gebürtige Sauerländer hat die ersten Lacher auf seiner Seite.

Bei seinem Lebensweg streichelt er dann doch die sozialdemokratische Seele. Kaufmann hat sich hochgearbeitet: Ausbildung zum Bürokaufmann, Abendgymnasium, Fachhochschule für kommunale Verwaltung. Die Liebe führte ihn in den Schwarzwald, wo er wieder lernen musste: das Schwäbische zu verstehen.

Nähe zu den Menschen ist Kaufmann wichtig

Knapp zwei Jahre war er Kämmerer in Tuningen. Eine Motorradtour führte ihn zufällig nach Rudersberg, wo er von der Ausschreibung des Bürgermeister-Postens erfuhr. Er bewarb sich und gewann 2007 die Direktwahl. Vor zwei Jahren wurde er von den Bürgern bestätigt.

Martin Kaufmann erzählt seinen Werdegang immer wieder gerne. Er weiß, das schafft Nähe. Und Nähe ist dem Politiker, der das Geschäft seit 25 Jahren kennt, wichtig. „Ich bin nicht von hier, aber ich bin einer von Ihnen“, gibt Kaufmann seinem Publikum in der Steinturnhalle mit auf den Weg, nachdem er das ganze lokale Spektrum abgearbeitet hat: Verkehr, Wohnungsnot, Krankenhaus, Stadtentwicklung, Wirtschaftsförderung, Stadtfinanzen. Er lobt die Vereine und würdigt die Feuerwehr als „Garde der Stadt“. Bei all diesen Themen müsse man „endlich zupacken“.

„Ein 24-Stunden-Job ist es immer“

Angst vor dem fast fünfmal so großen Leonberg hat der Rudersberger Schultes nicht: „Die Aufgaben sind identisch. In einer großen Stadt muss man delegieren. Ein 24-Stunden-Job ist es immer.“ Leonberg sei halt reizvoller als Sindelfingen, wo ihn seine Partei gerne als Herausforderer des CDU-Mannes Bernd Vöhringer gehabt hätte. Doch Kaufmann ist klug genug, nicht gegen etablierte Amtsinhaber anzutreten: „Ein Achtungserfolg nutzt niemanden.“

Privat ist Kaufmann weder der gütige Stadtvater, noch der korrekte Beamte und auch nicht der typische Familienmensch: Er spricht offen von seiner gescheiterten Ehe, von der Kinderlosigkeit und von der neuen Partnerin, einer Ärztin aus Wetzlar. Dass er gerne in das Cockpit eines Sportfliegers steigt, sei familienbedingt: „Meine Tante hatte einen Flugschein, ich bin quasi auf dem Flugplatz groß geworden.“

Da wäre dann noch die Wohnortfrage: „Natürlich ziehe ich als OB nach Leonberg. Einige Angebote habe ich schon.“ Den 24. September wartet er aber doch lieber ab.