450 000 Stuttgarter sind am 8. November zum Urnengang aufgerufen. Sie müssen, genauso wie die Bewerber, einige Regularien beachten. Verschärft sich die Coronakrise, könnte die Wahl anders als üblich ablaufen.

Stuttgart - Das Rennen um den Sessel des Stuttgarter Stadtoberhauptes ist seit dem 7. Januar 2020 völlig offen. An jenem Dienstag nach Dreikönig verkündete Amtsinhaber Fritz Kuhn (Grüne) seinen Verzicht auf eine zweite Wahlperiode. Das kam auch für die Ökopartei überraschend. Kuhn, der im Juni 65 Jahre alt geworden ist, wird noch bis zum 6. Januar 2021 amtieren. Die Wahl seines Nachfolgers findet am 8. November statt. Dass ein Bewerber bereits im ersten Wahlgang die absolute Mehrheit holt ist allerdings unwahrscheinlich, die zweite Neuwahl, bei der die einfache Mehrheit reicht, ist am 29. November.

 

Wann läuft die Bewerbungsfrist ab?

Die Bewerbungsfrist ist am 12. Oktober um 18 Uhr abgelaufen. Der Gemeindewahlausschuss hat am 13. Oktober über die Zulassung der Kandidaten entschieden. Bis Ablauf der Bewerbungsfrist hatten sich 18 Frauen und Männer beworben.

Welche Kandidaten sind für die OB-Wahl zugelassen?

14 Kandidaten - darunter zwei Frauen und zwölf Männer - sind nach der Wahlausschusssitzung zur OB-Wahl zugelassen. Davon wurden 13 per Losentscheid auf dem Stimmzettel platziert. Demnach ist diese Reihenfolge festgelegt, mit Beginn oben: Marian Schreier (Einzelbewerber), Frank Nopper (CDU), Malte Kaufmann (AfD), Hannes Rockenbauch (SÖS), die Einzelbewerber John Heer, Friedhild Miller, Issam Abdul-Karim, Marco Völker, danach Martin Körner (SPD), dann die Einzelbewerber Werner Ressdorf und Sebastian Reutter, dann Veronika Kienzle (Grüne), dann Ralph Schertlen (Einzelbewerber). Einzelbewerber Michael Ballweg steht auf Platz 14, da er sich später als die anderen Kandidaten beworben hat.

Welche Bewerber wurden nicht zugelassen?

Zwei Bewerbern, die der Öffentlichkeit noch nicht bekannt geworden waren, sowie der Einzelbewerber Andreas Engelhard wurden bei der Sitzung am 13. Oktober nicht zugelassen, weil sie entweder nicht die erforderlichen Unterlagen oder nicht die erforderlichen 250 gültigen Unterschriften von Unterstützern vorgelegt hatten. Der parteilose Dirk Wolfgang Jordan aus Schwäbisch Hall hatte sich bereits vor der Sitzung vorerst aus dem Rennen genommen mit dem Hinweis, am 29. November noch anzutreten, sollte es zu einem zweiten Wahlgang kommen.

Kann jeder OB werden?

„Wählbar zum Bürgermeister sind Deutsche im Sinne von Artikel 116 des Grundgesetzes und Unionsbürger, die vor der Zulassung der Bewerbungen in der Bundesrepublik Deutschland wohnen“, so steht es in der Gemeindeordnung des Landes. Die Bewerber müssen also nicht in Stuttgart wohnen, aber „die Gewähr dafür bieten, dass sie jederzeit für die freiheitliche demokratische Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes eintreten“. Paragraf 46 sagt außerdem, dass Bewerber am Wahltag das 25. Lebensjahr vollendet haben müssen, das 68. aber noch nicht vollendet haben dürfen. Vor Oktober 2015 galt die Altersgrenze von 65. Grüne und SPD in der Landesregierung änderten dann auf 68. Martin Körner, SPD-Fraktionschef im Stuttgarter Gemeinderat, kritisierte die Aufstockung damals scharf als „Lex Kuhn“, denn mit der alten Regelung hätte der Grüne keine Chance auf eine zweite Kandidatur gehabt. Körner bewirbt sich übrigens nun auch. Mit 73 muss der OB laut Gemeindeordnung den Sessel räumen und in den Ruhestand gehen.

Gibt es weitere Formalien?

Ja, wer seine Bewerbung (formlos genügt) abgibt, muss 250 Unterstützungsunterschriften von Stuttgarter Wahlberechtigten vorlegen. Das soll reinen „Spaßbewerbern“ eine Kandidatur erschweren, hat sich aber für diese Klientel nicht als wirkliche Hürde erwiesen. Dann braucht es noch die Wählbarkeitsbescheinigung und eine eidesstattliche Versicherung, dass man nicht vom Wahlrecht ausgeschlossen ist.

Gibt es eine öffentliche Vorstellungsrunde?

Parteikandidaten können in der Regel auf (materielle) Unterstützung durch ihre Organisation hoffen. Vom 27. September an darf plakatiert werden, kleinere Werbeträger an maximal 2500 Stellen, Großplakate an 30. Das ist teuer, ein Wahlkampf kann eine sechsstellige Summe verschlingen. Die Stadt wird allen Kandidaten am 20. Oktober die Gelegenheit geben, sich vorzustellen, Corona-bedingt in der Schleyerhalle und aufgrund der aktuell geltenden Regeln mit nicht mehr als 500 Menschen. Die Reden sollen dann ins Internet gestellt werden. Im Netz werden die Kandidaten aber sicher schon früher zu finden sein – manche trommeln auf diversen Kanälen schon heute.

Wer darf wählen?

Auch das regelt die Gemeindeordnung, und zwar in Paragraf 12: Deutsche im Sinne des Grundgesetzes oder Bürger der EU. Wer wählen will, muss am Wahltag 16 Jahre alt sein und seit mindestens drei Monaten in Stuttgart wohnen. Das sind aktuell laut dem Statistikamt rund 450 000 Menschen.

Wann wird gewählt?

Der vorerst entscheidende Tag ist der 8. November, wie immer bei Wahlen ein Sonntag. Vorerst deshalb, weil es selten einem Bewerber gelingt, auf Anhieb die absolute Mehrheit der Stimmen zu erreichen. Wenn keiner die 50-Prozent-Hürde überspringt, folgt eine Neuwahl, bei der sich auch neue Bewerber melden können. In Stuttgart entschloss sich 1996 spektakulär der damalige Pforzheimer OB Jochen Becker (SPD) dazu, so spät ins Rennen zu gehen – übrigens gegen den Willen der Sozialdemokraten, die ja schon einen Kandidaten hatten. Becker scheiterte fulminant. Dabei hatte er 1988 das Buch „Erfolg im Wahlkampf“ als „Ratgeber für Kandidaten und ihre Helfer“ herausgegeben.

Wann ist die Neuwahl?

Am Sonntag, 29. November, und damit zu Beginn der Adventszeit, ist das Finale. Damit bleiben allen Kandidaten drei Wochen Zeit, sich nach der ersten Runde zu sortieren – und ihre Bewerbung zu überdenken. Auch neue Kandidaten können ihre Bewerbung bis 11. November (18 Uhr) abgeben. So mancher bisherige Kandidat zieht aber zurück und gibt vielleicht eine Wahlempfehlung ab. In Stuttgart brachte dieses Vorgehen dem späteren Tübinger OB Boris Palmer (Grüne) nicht nur Beifall ein. Er hatte sich als Drittplatzierter 2004 indirekt für die Wiederwahl des Christdemokraten Wolfgang Schuster ausgesprochen. Der obsiegte gegen Ute Kumpf (SPD) mit 53,3 zu 45,2 Prozent.

Corona und die Wahl – was macht die Stadt?

Die Verwaltung baut vor und wird wegen der Pandemie die Wahlbezirke verändern. Künftig soll es nicht nur 120 bis 150 Briefwahlbezirke, sondern so viele wie Wahllokale (350) geben, und die Wahlbriefe werden nicht mehr zentral, sondern in den Lokalen ausgezählt. 2019 bei der Kommunalwahl nutzte schon jeder dritte Wähler diese Form der Stimmabgabe. Insgesamt werden 2600 Helfer benötigt.

Was wartet auf den OB?

Er hat eine Stadtverwaltung mit 19 000 Mitarbeitern zu führen und einen Gemeinderat mit 60 Stadträten zu dirigieren, in dem er sich Mehrheiten organisieren muss, denn im Gremium hat auch er nur eine Stimme. Doch der Gestaltungsspielraum ist hoch und die Besoldung mit B 11 (rund 14 200 Euro monatlich) ordentlich. Die Amtszeit ist mit acht Jahren deutlich länger als in jedem anderen öffentlichen Wahlamt.