Die amtierende Bezirksvorsteherin von Stuttgart-Mitte, Veronika Kienzle, zieht mit voller Rückendeckung in den Kampf um die Nachfolge von OB Fritz Kuhn. Vor allem ein übergeordnetes Thema hat sich die Bewerberin auf die Fahnen geschrieben.

Stuttgart - Die Grünen haben am Donnerstag auf einer Kreismitgliederversammlung im Cannstatter Römerkastell die amtierende Bezirksvorsteherin von Stuttgart-Mitte, Veronika Kienzle, offiziell zu ihrer Kandidatin für die Nachfolge des scheidenden OB Fritz Kuhn nominiert. Das Treffen fand coronabedingt unter freiem Himmel im Hof des Kastells statt und dürfte damit die erste Open-Air-Versammlung in der Geschichte des Grünen-Kreisverbandes gewesen sein.

 

Laut Parteisatzung wäre eine offizielle Nominierung Kienzles gar nicht nötig gewesen. Aber die Grünen wollten es sich dann doch nicht nehmen lassen, die Bewerberin mit dem nötigen Rückenwind für die Wahl am 8. November auszustatten: Per Akklamation votierten die rund 200 anwesenden stimmberechtigten Mitgliedern für Kienzle. Zuvor hatte die frühere Stadträtin in einer programmatischen Rede ihre politischen Ziele umrissen. Wichtigstes Anliegen ist Kienzle dabei der Zusammenhalt der Stadtgesellschaft – gerade auch in Zeiten der Coronapandemie. Sie will die Bürgerbeteiligung in der Kommunalpolitik ausbauen, Bezirksvorsteher und Bezirksbeiräte aufwerten und die Stadtbezirke und Stadtteile stärken.

Kienzle will Transformationsprozess der Autoindustrie „unideologisch“ vorantreiben

Durch den Umbau der Stadt zu einem Exempel für Klimaanpassung müsse Stuttgart seinen Beitrag leisten, damit die Ziele des Pariser Klimaabkommens zur Kohlendioxid-Reduktion eingehalten werden könnten, sagte Kienzle. Die Mobilitätswende müsse unter anderem durch die Umnutzung überdimensionierter Verkehrsflächen vorangetrieben werden, auch wenn „das Auto ein Mobilitätsmittel und ein Wirtschaftsfaktor in unserer Stadt bleiben wird“. Den notwendigen Transformationsprozess der Automobilindustrie wolle sie „pragmatisch und unideologisch“ vorantrieben, den Öffentlichen Verkehr und das Radwegesystem weiter ausbauen.

Mit Blick auf die Randale in der Stuttgarter City von Mitte Juni betonte die Bewerberin: „Solche Krawalle dürfen sich nicht wiederholen.“ Allerdings seien Polizeieinsätze nur das letzte Mittel, um dies zu verhindern. Notwendig sei vielmehr Prävention durch mehr Streetworker und etwa den Bau eines Hauses der Prävention. Neue Wohnungen sollen laut Kienzle nicht im Außenbereich der Stadt entstehen, sondern im Bestand. Dazu bedürfe es einer aktiven Bodenvorratspolitik, städtische Grundstücke sollten nur noch veräußert werden, wenn es ein Rückfallrecht an die Stadt gebe. Im Kulturbereich will sie Projekte wie die Sanierung der Oper, den Neubau des Linden-Museums oder den Bau eines Hauses der Baukultur „aus der Warteschleife herausholen“, wie Kienzle es formulierte.

Kandidatin sieht ihre Bewerbung auch als frauenpolitisches Zeichen

Last but not least sei ihre Kandidatur auch ein Zeichen für die Gendergerechtigkeit in der Stadt: „Ich trete als Frau gegen acht männliche Konkurrenten an“, sagte Kienzle und verwies auf Königin Katharina von Württemberg, die vor 200 Jahren die letzte Frau gewesen sei, die in der Landeshauptstadt bleibende Spuren hinterlassen habe. Die Grünen billigten zudem das Budget für den OB-Wahlkampf: Es umfasst 90 000 Euro aus Mitteln des Kreisverbandes, Spenden sollen weitere 60 000 Euro erbringen.