Einen Monat lang Windeln wechseln statt Gemeinderatsvorlagen büffeln: der Aalener Oberbürgermeister Frederick Brütting geht in Elternzeit – und ist damit eine Ausnahme.

Baden-Württemberg: Eberhard Wein (kew)

Der Aalener Oberbürgermeister Frederick Brütting nimmt Elternzeit. Wie der SPD-Politiker bei einer Gemeinderatssitzung am Donnerstagabend ankündigte, werde er im April nicht ins Rathaus kommen und auch keine anderweitigen öffentlichen Termine wahrnehmen. Beschäftigten die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu ermöglichen, sei bei der Stadtverwaltung Aalen ein wichtiger Grundsatz, sagte Brütting. Dies solle auch für ihn als OB gelten.

 

„Auch Väter sollen ausreichend Zeit mit ihren Kindern und der Familie verbringen dürfen. Die Kinder sollen ihren Vater nicht nur für wenige Stunden am Wochenende erleben dürfen“, sagte Brütting. Der 39-Jährige war im April vor einem Jahr Vater einer Tochter geworden. Es ist sein zweites Kind.

Brütting ist Wiederholungstäter

In den vergangenen Monaten habe sich in erster Linie seine Ehefrau Yeliz um die beiden Kinder gekümmert, nun wolle er sich stärker einbringen – zumindest einige Wochen. Bereits bei der Geburt des ersten Kindes, seines Sohnes Ilyas, hatte Brütting Elternzeit genommen. Damals war er noch Bürgermeister von Heubach.

Diese Zeit sei sehr bereichernd für ihn und seine Familie gewesen, sagte Brütting. „Seit meiner Wahl zum Oberbürgermeister musste meine Frau aber vieles allein bewältigen, da man als OB eigentlich immer im Dienst ist“.

Andere Bürgermeister sind zurückhaltend

Während seiner Abwesenheit im Rathaus werde er von den beigeordneten Bürgermeistern Wolfgang Steidle und Karl-Heinz Ehrmann sowie seinen ehrenamtlichen Stellvertretern aus dem Gemeinderat vertreten. „Ich bin sicher, dass die Amtsgeschäfte während meiner Abwesenheit in guten Händen sind.“ In Notfällen sei er selbstverständlich erreichbar. „Ich freue mich auf diese vier Wochen mit meiner Familie, aber auch auf meine Rückkehr ins Rathaus mit allen wichtigen Projekten, die anstehen.“

Tatsächlich sind die Rathauschefs im Land immer noch sehr zurückhaltend, wenn es um die eigene Elternzeit geht. Bei einer Umfrage unter baden-württembergischen Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern für eine Bachelorarbeit an der Ludwigsburger Verwaltungshochschule gaben lediglich drei Prozent an, eine Elternzeit im Amt genommen zu haben. Der Großteil war der Ansicht, dass dies nicht mit dem Amt eines Bürgermeisters zu vereinbaren sei. Vor allem die Männer und Bürgermeister von kleinen Gemeinden waren demnach der Meinung, sich eine Abwesenheit nicht leisten zu können.

Boris Palmer war der Erste

Wie die Wähler den Fall sehen, ist unklar. Doch als im Jahr 2021 der Freiburger Oberbürgermeister Martin Horn (parteilos) ankündigte, wegen der Geburt seines dritten Kindes eine Auszeit nehmen zu wollen, sah er sich vereinzelt Vorwürfen ausgesetzt, er hätte unter diesen Umständen drei Jahre zuvor gar nicht erst kandidieren dürfen. Der Tübinger Oberbürgermeister Boris Palmer, der im Jahr 2010 als erster OB in Deutschland eine Elternzeit nahm, nahm kritische Einwände damals gewohnt selbstbewusst auf: „Ein guter OB kann auch zwei Monate weg sein. Nur ein schlechter muss jeden Tag hinterherkehren.“