Weil die Bürger nach den Vorfällen in der Landeserstaufnahmestelle in Ellwangen besorgt sind, wurde dort nun die Polizeipräsenz erhöht. Im Interview erklärt der Oberbürgermeister, Karl Hilsenbek, warum er die bundesweite Aufregung für berechtigt hält.

Ellwangen - Nach dem Widerstand von etwa 150 Bewohnern der Landeserstaufnahmestelle in Ellwangen und dem großen Polizeieinsatz am Donnerstag, spricht der Oberbürgermeister, Karl Hilsenbek, im Interview über die Stimmung in der Stadt – und erklärt, ob Ankerzentren, wie sie Bundesinnenminister Horst Seehofer plant, auch eine Lösung für seine Stadt wären.

 
Herr Hilsenbek, wie ist die Stimmung in Ellwangen aktuell?
Die Bürger und ich sind besorgt. Wir sind es auch deshalb, weil sich in der Landeserstaufnahmestelle (Lea) 500 Flüchtlinge befinden, die sich auch in der Stadt bewegen. Durch die Ereignisse der vergangenen Tage ist das subjektive Sicherheitsgefühl natürlich beeinträchtigt. Und ich finde, dass diese Besorgnis berechtigt ist. Es geht ja immer auch um die Frage, wie sich die Stimmung in der Lea auf die Stadt auswirken könnte.
Wie macht sich die Sorge der Bürger bemerkbar?
Sie kommunizieren das mir gegenüber, aber auch gegenüber den Streetworkern. Deshalb haben wir in Absprache mit der Polizei auch gleich gehandelt und die Polizeipräsenz in der Lea, aber auch in der Stadt selbst seit Donnerstag erhöht. Es ist wichtig, dass sich die Polizei zeigt und von den Bürgern angesprochen werden kann.
Wie war denn die Stimmung zuletzt?
In den vergangenen Wochen war die Situation ruhig. Die Flüchtlinge haben sich in der Stadt bewegt, und es kam zu keinen Zwischenfällen. Das hängt aber auch immer von der Zusammensetzung der Personen in der Lea ab. Weil diese alle zwei bis drei Wochen wechselt, kann sich die Stimmung schnell ändern. Bisher hatte die Polizei die Situation aber immer im Griff.
Bisher waren die Hilfsbereitschaft und die Unterstützung in der Bevölkerung für die Lea und ihre Bewohner groß. Fürchten Sie jetzt einen Bruch?
Nein, das ehrenamtliche Engagement ist nach wie vor vorhanden.
Die Abschiebung des 23-jährigen Togolesen war nicht die erste in Ellwangen. Zwischenfälle gab es zuvor aber keine?
Über die Zahl der bisherigen Abschiebungen und darüber, wie diese abgelaufen sind, liegen mir keine Informationen vor.
Bei Hochrisikospielen, wie etwa im Fußball, ist die Polizeipräsenz deutlich größer und auch der Widerstand der Fans gegen die Polizei meist ein sehr viel höherer. Halten Sie die Aufregung um die Vorfälle in der Lea für zu groß?
Nein. Man muss sich die Situation vorstellen: Ein Flüchtling soll zurückgeführt werden, plötzlich stellen sich 150 Personen gegen die Polizei und wollen vorsätzlich gegen diese vorgehen. Das ist für mich ein Angriff gegen die Polizei und den Rechtsstaat. Ich finde es absolut richtig und angemessen, wie die Polizei reagiert hat. Es kann nicht sein, dass Flüchtlinge bestimmen, was passiert.
Wäre eines der sogenannten Ankerzentren, wie sie von Bundesinnenminister Horst Seehofer geplant werden, eine Lösung für Ellwangen?
Da habe ich eine klare Meinung: Ellwangen darf keine Abschiebeeinrichtung werden. Generell lehne ich die Idee aber nicht ab. Wenn Seehofer meint, dass es Städte gibt, die die nötige Infrastruktur dafür haben, dann ist das okay. Für Ellwangen lehne ich das aber ab.
Warum?
Weil sich unsere Landeserstaufnahmeeinrichtung nahe dem Stadtgebiet befindet, die Flüchtlinge fußläufig in die Stadt kommen und die Einrichtung nicht die nötigen Sicherheitsvorkehrungen für den äußeren Schutz gewährleisten könnte.
Im Frühjahr 2020 endet der zwischen dem Land Baden-Württemberg und der Stadt Ellwangen geschlossene Vertrag über die Landeserstaufnahmeeinrichtung. Das Land wirbt um den Fortbestand. Ist für Stadtverwaltung und Gemeinderat unter diesen neuen Vorzeichen eine Verlängerung noch denkbar?
Wir werden über die Vertragsverlängerung im Gemeinderat sowieso diskutieren und voraussichtlich im ersten halben Jahr darüber entscheiden. Die Ereignisse der vergangenen Tage finden in der Diskussion aber mit Sicherheit einen Einfluss.