Der Musikpädagoge aus Stuttgart ist der namenlose zweite Bewerber – falls ihn die CDU nicht für Berlin nominiert.

Rems-Murr: Sascha Schmierer (sas)

Fellbach - Das Geheimnis um den bisher namenlosen zweiten Kandidaten für die Fellbacher Oberbürgermeisterwahl am 18. September hat sich überraschend schnell gelüftet: Nach den Informationen der Fellbacher Zeitung hat der in Stuttgart lebende Musikpädagoge Ulrich Raisch seine Bewerbung um den Chefposten im Rathaus abgeschickt.

 

„Am Tag nach der Ausschreibung im Staatsanzeiger ging meine Bewerbung um 0.02 Uhr durchs Fax“, bestätigt der 55-Jährige auf Nachfrage. Erst am Sonntag hatte sich Ulrich Raisch bereits zum zweiten Mal in Affalterbach im Kreis Ludwigsburg dem Votum der Wähler gestellt – gegen Amtsinhaber Steffen Döttinger aber nicht den Hauch einer Chance gehabt. Für den seit 16 Jahren im Chefsessel sitzenden Schultes sprachen sich 89,5 Prozent der Bürger aus. Ulrich Raisch landete weit abgeschlagen bei 2,7 Prozent der Stimmen.

Affalterbach war vor acht Jahren die erste Kommune, in der sich Raisch bewarb

Affalterbach war vor acht Jahren auch die erste Kommune gewesen, in der sich der in Fellbach aufgewachsene und bis ins Alter von 42 Jahren auch unterm Kappelberg lebende Raisch fürs Amt des Bürgermeisters beworben hatte. Seither warf der nach wie vor als Student eingeschriebene Ulrich Raisch 26 mal seinen Hut in den Ring. Die Bewerbung in Fellbach ist die mittlerweile 27. Kandidatur, auch bei den Schulteswahlen in Steinheim an der Murr und in Renningen im Kreis Böblingen denkt der gebürtige Degerlocher über eine Bewerbung nach. „Wenn es nicht immer wieder Menschen gibt, die wenigstens eine Alternative bieten, leidet die Demokratie“, begründet der praktizierende Katholik, kinderlos und zwei Mal geschieden, sein bemerkenswertes Durchhaltevermögen.

Denn ernsthafte Chancen durfte sich Raisch bisher noch selten ausrechnen, zu mehr als zu kleinen Achtungserfolgen reichte es für den Dauerkandidaten mit dem Außenseiter-Image nicht. Bei keiner einzigen Kandidatur wurde er bisher von Parteien unterstützt, nur in Korntal-Münchingen mal vom Bund der Selbstständigen. Ansonsten schlägt sich Raisch allein durch – und verzichtet im Ringen um Stimmen auf eine Materialschlacht.

Bunte Broschüren oder eine Präsentation im Internet gibt es bei ihm nicht

Plakate mit seinem Konterfei hängen im Wahlkampf nicht am Straßenrand, bunte Broschüren oder eine Präsentation im Internet gibt es nicht. Seine Botschaft steht auf drei dicht bedruckten schwarz-weißen Seiten, die er bei jeder Vorstellungsrunde persönlich austeilt. Das Teuerste bei der Bewerbung ist die Wählbarkeitsbescheinigung. Die kostet jedes Mal 32 Euro – ein vergleichsweise überschaubarer Betrag.

Als Spaßbewerber oder gar Juxkandidat will sich der 55-Jährige dennoch nicht verstanden wissen, er sieht sich als ernsthafter und vor allem ernst zu nehmender Interessent: „Durch meine Kandidaturen habe ich sehr viel gelernt, ich bringe inzwischen sehr viel Erfahrung mit“, betont Raisch, es auch mit einem Verwaltungswirt fachlich mühelos aufzunehmen. „Beim Lesen eines Haushaltsplans macht mir keiner mehr was vor – gleich ob er in Kameralistik oder Doppik abgefasst wurde“, wirbt er für seine Kompetenz.

Im Fellbacher Wahlamt hat Raisch inzwischen auch die Formulare für die Sammlung von Unterstützungsunterschriften abgeholt. Mindestens 50 wahlberechtigte Bürger, so will es eine vor Jahren eingeführte Zusatzhürde im Kommunalwahl-Gesetz, müssen per Unterschrift ihre Unterstützung dokumentieren, damit ein Bewerber zur Wahl zugelassen wird. Erklärtes Ziel der für Städte ab 20 000 Einwohnern geltenden Regelung war es, Dauerbewerber auszubremsen – mit der Unterschriftensammlung sollte verhindert werden, dass es reine Juxkandidaten mit einer simplen Postkartenbewerbung auf den Wahlzettel schaffen.

Auch Ulrich Raisch fiel mit seinen Ambitionen schon dieser Regelung zum Opfer. Vor acht Jahren gab er nach eigener Darstellung schon einmal seine Bewerbung im Fellbacher Rathaus ab, scheiterte aber an der Hürde mit den Namenszügen. „Da war ich zu knapp dran, ich bin nur auf 37 Unterstützer gekommen“, erzählt er.

Leisten kann er sich die lange Wahlkampftour durch eine kleine Erbschaft

Leisten kann sich Raisch die seit fast einem Jahrzehnt dauernde Wahlkampftour durch die Region nicht zuletzt durch eine kleine Erbschaft. Außerdem lebt der Musikpädagoge von Konzerten in Kirchen und seiner Wohnung sowie den Schülern, die er in seiner „Internationalen Akademie für Musikpädagogik“ ausbildet.

Bleibt die Frage, weshalb Raisch dem Fellbacher Wahlamt die Veröffentlichung seiner Kandidatur vorerst untersagt hat. Das CDU-Mitglied begründet das ungewöhnliche Versteckspiel mit dem Hinweis, dass er neben dem Chefposten im Rathaus noch andere Eisen im Feuer habe. Ende Juli will er bei der parteiinternen Nominierung der Bundestagskandidaten dem Ludwigsburger Abgeordneten Steffen Bilger den Platz streitig machen. Auch dem im Wahlkreis Bietigheim antretenden früheren Turnweltmeister Eberhard Gienger droht eine Gegenkandidatur. „Und der Stefan Kaufmann sitzt auch nicht sattelfest“, sagt Ulrich Raisch. Nominiert ihn die CDU für die Bundestagswahl, das gibt er offen zu, würde Raisch seine Kandidatur in Fellbach zurückziehen – und seinen politischen Wirkungskreis lieber gen Berlin erweitern.