In Mittelbaden läuft die Erdbeerernte auf Hochtouren. Und schon warten bei der Erzeugergenossenschaft die Kirschen auf den Platz im Großmarkt. In wenigen Monaten kommen schon die Äpfel. Ein ewiger Kreislauf.

Was für ein Duft. Erdbeeren, hunderte von Steigen, tausende von Schalen roter Früchte stehen in der Markthalle. Darselect, Alba und Clery heißen die Hauptsorten. Frisch vom Acker werden sie den ganzen Tag per Traktor oder Kleintransporter in die Obstgroßmarkthalle in Oberkirch im Ortenaukreis angeliefert. Dort werden sie sofort in Augenschein genommen, gewogen, registriert und auf Paletten dorthin transportiert, wo sie ihre Reise zum Handel antreten werden. Oder sie kommen in Kühlkammern, wo sie ein paar Tage bei niedrigen Temperaturen gelagert werden können.

 

„Idealerweise gehen sie aber am gleichen Tag wieder raus“, betont Michael Roßmann, der Geschäftsführer des Obstgroßmarktes Mittelbaden (OGM), der vor fast 20 Jahren als Zusammenschluss von vier mittelbadischen landwirtschaftlichen Genossenschaften in Achern, Bühl, Ortenberg und Oberkirch entstanden ist.

Am 14. April wurden die ersten Früherdbeeren angeliefert, seitdem sind im Oberkircher Obstgroßmarkt etwa 4500 Tonnen ein- und ausgegangen, an Spitzentagen können das 350 Tonnen auf einen Schlag sein.

Dieses Jahr kein Rekord

„Das Rekordergebnis der letzten Saison – 6300 Tonnen – werden wir dieses Mal nicht schaffen“, sagt der 41-jährige Betriebswirt, der den Markt seit Januar 2013 leitet. Das hat viele Ursachen. „Einige Sorten hatten viele Blüten am Stock“, erläutert Roßmann. Das gab zu kleine Früchte. Nur Beeren über 25 Millimeter Durchmesser werden vom Handel akzeptiert.

Zudem war das Wetter lange Zeit zu kühl und animierte nicht zum Konsum von Erdbeeren. Darüber hinaus drückte die ausländische Billigkonkurrenz auf den Markt, vor allem die spanische Ware. Der Preis sank ins Bodenlose. „Nicht mehr kostendeckend“ sei das, sagt Roßmann und schaut mit Sorge auf die drohende Marktbereinigung zu Lasten der Kleinbauern.

Jetzt ist die Saison fast vorbei, die hochsommerliche Hitze wird die Früchte geradezu auf dem Acker kochen, bevor sie geerntet werden können. Es ist höchste Zeit, denn die Kirschen folgen den Beeren auf dem Fuße und auch sie brauchen Lagerräume. Die ersten Tafelkirschen sind bereits da, aber das sind nicht die wichtigsten Kirschsorten in der Region.

Die mittelbadische Ortenau ist Schwarzkirschland. Dieses enorm süße Steinobst brauchen Tausende große und kleine Brennereien für das berühmte „Chriesewasser“. Um die 3500 Tonnen werden dafür umgeschlagen, hinzu kommen 1700 Tonnen für die Industrie, die Saft und Marmelade oder Pralinenfüllungen daraus macht, auch für ausländische Hersteller.

Spitzenreiter Johannisbeere

Im Sommer geht es weiter mit anderen Beeren: Stachelbeeren, Heidelbeeren vom Strauch und vor allem „Hanstriiweli“. Bitte? „Johannisbeere“ übersetzt Roßmann. „Mittelbaden ist das größte Anbaugebiet der Roten Johannisbeere in Deutschland“. 1500 Tonnen werden an- und ausgeliefert. Und diese Frucht ist eher lagerfähig als die weichen Beeren, deren Konsistenz nicht einmal im Kühlraum längere Zeit überdauert. Johannisbeeren können dagegen noch bis Weihnachten oder Neujahr in den Kühlräumen bleiben und dann frisch in den Supermarkt kommen.

Den Platz im Obstgroßmarkt in Oberkirch müssen sie sich dann mit den Zwetschgen und Äpfeln teilen. „Vor ein paar Jahren war die Ortenau noch das größte Anbaugebiet in ganz Europa“, berichtet Roßmann mit Stolz und Wehmut. „Aber die jungen Leute haben verlernt, Zwetschgenkuchen zu backen“, erklärt er augenzwinkernd den Abwärtstrend von Bühler und anderen Zwetschgen. Die „blaue Königin“ in Bühl wird zunehmend von anderen Sorten wie „Cacaks Schöne“ abgelöst, auch hier drückte der Import aus Spanien oder Kleinasien auf die Preise.

Bei den bis zu 50 000 Tonnen Obst aus heimischer Produktion von 2800 Erzeugern macht das Beerenobst 58 Prozent, das Steinobst 16 Prozent und das Kernobst 26 Prozent aus. Kernobst – also vorwiegend der Apfel – ist am längsten lagerfähig. An den Standorten Oberkirch, Bühl und Achern kann der Obstgroßmarkt Mittelbaden in 61 Kühllagern und zwei Frostlagern 12 000 Tonnen Obst bunkern.

Bei Temperaturen zwischen ein und zwei Grad, auf ein bis zwei Prozent reduziertem Sauerstoff und einem Gehalt von ein bis vier Prozent Stickstoff im Kühlraum. „Das stoppt den Reifeprozess“, erklärt der Geschäftsführer Roßmann. Der Apfel bleibt so lange frisch bis er wieder herausgeholt und in wenigen Stunden über Wasserstraßen geleitet, gewogen, sortiert und verpackt wird.

Erst dann geht der Reifeprozess weiter, bis das Obst beim Verbraucher endet. Jonagold, Gala Royal und Braeburn sind die Spitzenreiter unter den gängigsten Sorten. Gleich groß, gleich in der Farbe und makellos will sie der Handel haben.

Chef prüft die Qualität selbst

Vor drei Wochen sind die letzten Äpfel in Oberkirch aus den Kühllagern geholt worden, in drei Monaten werden die ersten wieder anrollen. „Das ist der Jahresablauf, dann wird es statt nach Erdbeeren wieder nach Äpfeln riechen“, sagt Roßmann, der zwischendurch die Fruchtqualität persönlich prüft. Ihm ist der Zyklus vertraut, er ist in Achern geboren und stammt vom Bauernhof. Er kennt aber auch den Handel, er war 13 Jahre bei Lidl im Vertrieb. Der Großdiscounter ist jetzt einer der wichtigsten Kunden, alle Discounter und Lebensmitteleinzelhändler zusammen nehmen 70 Prozent der Ware ab. Den Rest teilen sich Großmärkte und die Lebensmittelindustrie, immerhin zehn Prozent der Ware geht ins Ausland.

Markgräflerland am frühesten dran

Mittelbaden zwischen Rastatt und Offenburg ist nach dem südbadischen Markgräflerland das zweitfrüheste deutsche Obstanbaugebiet. Kernobst wird auf 850 Hektar, Steinobst auf 1900 Hektar und Beerenobst auf 800 Hektar angebaut.

Von den 2800 Erzeugern der Genossenschaft OGM sind 80 Prozent Nebenerwerbsbetriebe. Den Hauptanteil (89 Prozent) des Umsatzes von 42 Millionen Euro machen jedoch 410 Betriebe. Der Jahresüberschuss lag 2013 bei einer Million Euro.