Sie ist der Deutschen liebstes Kantinenessen. Eine Ode auf ein Gericht, das glücklich macht.

Berlin - „Oma, was ist eine Currywurst?“ Die Frage wird kommen, früher oder später. Noch kann man die Currywurst kaufen – Vorsicht: heiß und fettig. In Berlin, bei Konnopke’s Imbiss oder bei Curry 36, stehen Touristen immer noch Schlange. Die Stimmung ist ein bisschen wie beim Schlussverkauf. Seit 2010 hat die Currywurst ein eigenes Museum in Berlin. Seither tickt ihre Uhr. Man muss sich beeilen, um sie noch selber zu probieren. Sie ist schon lange nicht mehr das, was sie mal war, als ihr Herbert Grönemeyer 1982 ein Denkmal setzte. „Kommste vonne Schicht/wat Schöneret gibbet nich/als wie Currywuuurst.“

 

Die Currywurst hat null Nährwert, aber satte 950 Kalorien. Sie deckt – Mediziner bemerken das nicht, ohne die Stirn zu runzeln und sich vernehmlich zu räuspern – den kompletten Tagesbedarf an Fett. Und sie besteht aus Fleisch. In Zeiten, da Fast Food nicht dick machen darf und, wenn nicht aus Gemüse, dann doch zumindest aus gerösteten Insekten bestehen muss, weil das gute Gewissen mitisst, sind das gleich drei K.-o.-Kriterien. Es wird langsam Zeit, sich auf den Abschied vorzubereiten. Bye-bye, Currywurst. Aber Moment mal, was ist denn das?

In der Kantine ist die Currywurst erste Wahl – und das seit 26 Jahren

Gerade flattert uns eine Pressemitteilung des Kantinenkostanbieters Apetito auf den Schreibtisch. An den Betriebskantinen ist der Trend offenbar spurlos vorbeigegangen. Hier liegt die Currywurst auch nach 26 Jahren immer noch auf Platz eins, gefolgt von Schnitzel mit Bratkartoffeln und Spaghetti Bolognese.

Wir sind erschrocken, um nicht zu sagen, erschüttert. Deutschland ist im Fit-for-fun-Fieber. Man achtet auf seine Figur, knabbert mit langen Zähnen wie ein Karnickel am Salat und geht nicht mehr ohne Kalorienrechner zu Tisch. Und ausgerechnet da, wo man sich, wenn nicht unbeobachtet, dann doch zumindest unter seinesgleichen wähnt, sollen weder das Gesundheitsbewusstsein noch die Political Correctness eine Rolle spielen?

Das lässt nur einen Schluss zu. Das Klima in Firmen und Behörden ist nicht das allerbeste. Man schiebt morgens seine Stempelkarte in den Automaten, und nach acht Stunden zieht man sie wieder heraus. Dazwischen tut man, was getan werden muss: Vorgänge lesen, lochen, abheften. Autos zusammenschrauben. Wertarbeit, made in Germany. Gewissenhaft, aber ohne jede Leidenschaft. Die kommt erst beim Essen. So eine Currywurst ist ja nicht nur eine Currywurst. Sie schwimmt in Ketchup, flutscht durch die Speiseröhre und macht augenblicklich glücklich.

Da können sich Ärzte und Ernährungswissenschaftler auf den Kopf stellen. „Wat Schöneret gibbet nich!“