Der Rundfunkbeitrag steigt rückwirkend zum 20. Juli 2021 auf 18,36 Euro im Monat. Das Bundesverfassungsgericht hält die Argumente Sachsen-Anhalts, das die Erhöhung ablehnte, für nicht überzeugend.

Karlsruhe. - Nun steigt der Rundfunkbeitrag also doch. Das Bundesverfassungsgericht hat die Weigerung des Landes Sachsen-Anhalt, einer Erhöhung des Beitrags von 17,50 Euro auf 18,36 Euro zuzustimmen, für verfassungswidrig erklärt. Als „Zwischenregelung“ hat das Gericht den Beitrag nun selbst auf 18,36 Euro erhöht.

 

Eigentlich hatten die Bundesländer schon 2020 beschlossen, dass der Rundfunkbeitrag zum Jahreswechsel von 17,50 Euro um 86 Cent auf 18,36 Euro pro Monat und Wohnung steigen soll. Dem entsprechenden Staatsvertrag haben 15 Landtage zugestimmt, zum Schluss fehlte nur Sachsen-Anhalt. Im Magdeburger Landtag gab es jedoch keine Mehrheit für die Beitragserhöhung, weil die Fraktionen von CDU und AfD dagegen waren. Damit die CDU nicht mit der AfD gemeinsam mit Nein stimmen muss, zog Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) Anfang Dezember den Gesetzentwurf einfach zurück. So rettete die CDU zwar ihre damalige Koalition mit SPD und Grünen. In der Sache wirkte dies aber wie ein Nein aus Sachsen-Anhalt. Die Erhöhung war damit politisch gescheitert. Sofort erhoben nun ARD, ZDF und Deutschlandradio Klage beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe. Das Gericht solle den Landtag verpflichten, der Beitragserhöhung doch noch zuzustimmen. Zwar lehnte das Gericht Ende Dezember eine einstweilige Anordnung ab. Doch haben die Richter nun relativ schnell in der Hauptsache Klarheit geschaffen.

Richter: Sender sind wichtig

Wie der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts entschied, hat Sachsen-Anhalt den Anspruch der öffentlich-rechtlichen Sender auf „funktionsgerechte Finanzierung“ verletzt. Das Land habe die Beitragserhöhung „ohne tragfähige Begründung“ blockiert.

Die Verfassungsrichter nutzten den Beschluss zunächst, um noch einmal die Notwendigkeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks zu bekräftigen. Dieser sei angesichts der unüberschaubaren Meinungsvielfalt im Internet nicht überflüssig geworden, sondern im Gegenteil wichtiger denn je. Angesichts einseitiger Filterblasen und Fake-News im Netz sei qualitativ hochwertiger Journalismus als „Vielfalt sicherndes und Orientierungshilfe bietendes Gegengewicht“ erforderlich.

Die Richter bestätigten auch das in früheren Urteilen von 1994 und 2007 vorgegebene dreistufige Verfahren für Beitragserhöhungen: Zunächst müssen die öffentlich-rechtlichen Sender ihren Bedarf anmelden. Dann wird dieser Bedarf durch die unabhängige Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten (KEF) geprüft. Die KEF-Empfehlung ist dann Grundlage für die eigentliche Entscheidung durch die Länder.

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Die Länder dürfen zwar von der KEF-Empfehlung abweichen, so das Gericht. Zulässig sind dabei aber nur sozialpolitische Argumente, etwa eine drohende Überforderung der Beitragszahler. Kritik an der Struktur der Sender oder am Inhalt der Programme darf bei der Beitragsfestsetzung keine Rolle spielen. Die Sender sind so zu finanzieren, wie sie derzeit rechtlich vorgesehen sind.

Das ist ein klarer Hinweis Richtung Sachsen-Anhalt, wo gerade der Koalitionsvertrag für eine neue CDU-SPD-FDP-Koalition ausgehandelt wird. Bisher soll es dort heißen, dass Sachsen-Anhalt künftigen Beitragserhöhungen nur zustimmen werde, wenn es „strukturelle Reformen“ des öffentlich-rechtlichen Rundfunks gebe. Diese Argumentation hat Karlsruhe nun als eindeutig unzulässig eingestuft.

Es gilt eine Zwischenregelung

Doch auch wenn Sachsen-Anhalt ein Veto auf die Coronabelastungen der Bürger stützen würde, könnte es weitere Beitragserhöhungen kaum noch verhindern. Die Richter stellten nämlich fest – und das ist die Innovation dieser Entscheidung –, dass nur alle Länder gemeinsam von der KEF-Empfehlung abweichen können. Falls nur Sachsen-Anhalt sozialpolitische Einwände hat, muss das Land dennoch zustimmen. Die Richter begründen das mit der „föderalen Verantwortungsgemeinschaft“ für die Finanzierung des Rundfunks.

In einer Vollstreckungsanordnung erhöhten die Richter den Rundfunkbeitrag nun selbst (ab 20. Juli) auf die geplanten 18,36 Euro. Das Datum „20. Juli“ war der Tag der internen Schlussabstimmung im Gericht. Diese Zwischenregelung wird so lange gelten, bis die Länder per Staatsvertrag einen neuen Beitrag festsetzen. Dies wird vermutlich bald der Fall sein, weil das Gericht den Sendern auch einen Anspruch auf „Kompensation“ für die unterbliebene Beitragserhöhung der letzten Monate gewährte. Die KEF wird im Februar ihren nächsten Bericht veröffentlichen.

Einstimmiges Urteil

Das Karlsruher Urteil fiel einstimmig. Federführend war Ines Härtel, die erste Verfassungsrichterin mit ostdeutscher Biografie, die im vergangenen Jahr von Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) durchgesetzt worden war.

Politisch wird nun bald die Diskussion wieder losgehen, warum überhaupt alle Länder einem Staatsvertrag zur Beitragserhöhung zustimmen müssen. Schon in seiner Entscheidung zur Rundfunkfinanzierung von 2007 hat das Bundesverfassungsgericht eine Mehrheitsabstimmung der Länder für möglich erklärt. Wenn nun aus verfassungsrechtlichen Gründen einzelne Länder, wie Sachsen-Anhalt, ohnehin kein Vetorecht haben, dann wäre es wohl ehrlicher, gleich eine Mehrheit der Länder genügen zu lassen.

Der Rundfunkbeitrag pro Wohnung wird seit 2014 erhoben und löste die frühere Rundfunkgebühr pro Empfangsgerät ab. Seitdem müssen sich auch Personen ohne Radio, Fernseher und Computer an der Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks beteiligen. Ob jemand das Programm regelmäßig hört oder anschaut, spielte eh noch nie eine Rolle. Das Bundesverfassungsgericht hält die öffentlich-rechtlichen Sender wichtig für die Demokratie.