Im Zeitalter der Handys und Smartphones werden öffentliche Fernsprecher vielerorts abgebaut. Insgesamt werden in Stuttgart bald 87 unwirtschaftlich gewordene öffentliche Telefone demontiert.

Stuttgarter Norden - Tschüss, Telefonzelle: Der Lack ist ab, eine der Plexiglasscheiben wurde auch schon vor längerer Zeit entfernt und der magentafarbene Hörer wurde zuletzt nur noch selten abgenommen. Das gelbe Telefonhäuschen gegenüber dem Feuerbacher Awo-Seniorenheim Pfostenwäldle hat schon bessere Zeiten erlebt. Bald soll es ganz verschwinden. Dasselbe Schicksal wird die öffentliche Fernsprechanlage an der Krailenshaldenstraße 38 ereilen. Auch das Münz- und Kartentelefon an der Ecke Klagenfurter Straße/Dieterlestraße .kommt weg. „Diese drei werden in Feuerbach abgebaut“, hat Bezirksvorsteherin Andrea Klöber im Februar von einem Mitarbeiter des Tiefbauamtes erfahren und kürzlich im Bezirksbeirat verkündet.

 

Was früher fester Bestandteil des Straßenbildes war, ist zunehmend eine Rarität. Insgesamt werden bald in Stuttgart 87 unwirtschaftlich gewordene öffentliche Telefone demontiert. Ob als Säule ohne Zelle oder als gelbe oder grau-magentafarbene Häuschen: „Die Bedeutung der Telefonzelle hat mit dem Siegeszug des Handys abgenommen“, sagt Markus Jodl, Pressesprecher der Deutschen Telekom. Denn statistisch gesehen habe inzwischen jeder Deutsche mindestens ein Mobiltelefon. „Die Notwendigkeit für öffentliche Telefonzellen nimmt dementsprechend ab“, so Jodl.

Von der Telefonzelle zu Gewächshaus oder Dusche

Ausrangierte Exemplare lagern derzeit zu Tausenden auf einem Gewerbe-Gelände nahe Potsdam. Nostalgiker und Liebhaber können sich ein solches Objekt sichern: „Wer möchte, kann sich eine alte Telefonzelle kaufen. Informationen über die Konditionen können schriftlich erfragt werden unter info@telekom.de“, rührt der Telekom-Sprecher für die Auslaufmodelle die Werbetrommel. 450 Euro kostet das gelbe Original, den magenta-grauen Nachfolger gibt es schon für 350 Euro. Privatleute könnten die Zelle zum Beispiel in den eigenen Garten stellen und als Mini-Gewächshaus nutzen; oder sie könnten sie im Haus zur Dusche umbauen lassen. Alles sei schon dagewesen. Von einer anderen Nutzungsart hat Andrea Klöber erfahren: In Kirchheim unter Teck sei eine gelbe ausrangierte Telefonzelle zu einer kleinen öffentlichen Bibliothek umfunktioniert worden, berichtet die Feuerbacher Bezirksvorsteherin. In der so genannten „Bücherzelle“ befinden sich hölzerne Regale mit rund 200 Schmökern zum Leihen oder Austauschen. Ehrenamtliche Mitglieder eines Tauschringes kümmern sich um das Projekt. Klöber findet die Idee und könnte sich so etwas auch für Feuerbach vorstellen. Natürlich wecken die Telefonhäuschen auch bei ihr alte Erinnerungen. Doch Reminiszenzen hin oder her – der klassischen Telefonzelle läutet längst das Totenglöcklein. In Botnang gibt es nach Angaben von Wolfgang Stierle gar keine mehr: „Im Zeitalter der Handys hat sich das Thema erledigt“, sagt der Botnanger Bezirksvorsteher.

Sechs Telefonsäulen sollen in Zuffenhausen verschwinden

In Stammheim existieren nur noch zwei öffentliche Telefonsäulen. Eine dritte im Sonatenweg musste abgebaut werden. „Sie war wohl mit einem Umsatz von unter 50 Euro pro Monat absolut unwirtschaftlich“, sagte Bezirksvorsteherin Susanne Korge kürzlich in einer Sitzung. „Wir werden Wert darauf legen, dass uns die Telefone an der Korntaler Straße und an der Kornwestheimer Straße erhalten bleiben“, so Korge. Für Karl-Heinz Kemke von den Freien Wählern ist der Abbau der Zelle nachvollziehbar: „Ich kann die Telekom verstehen: Das Ding wurde instand gesetzt, beschädigt, instand gesetzt und wieder beschädigt.“ Der Bezirksbeirat nahm vom Beschluss der Telekom „schweren Herzens“ Kenntnis, wie Korge es formuliert: „Es ist schade, aber es ist eben so.“

Gleich sechs Telefonsäulen sollen in Zuffenhausen verschwinden, und zwar diejenigen an der Elsässer, Ludwigsburger, Hohenstein-, Fleiner, Stammheimer sowie der Zahn-Nopper-Straße. Der Bezirksbeirat hatte den Plänen zugestimmt, wenn auch, wie Vorsteher Gerhard Hanus bestätigt, mit einigem Bauchgrimmen. Vor allem für Senioren, die kein Smartphone oder Handy besäßen, ist dies laut Hanus bedauerlich. „Was die Wirtschaftlichkeit und den Vandalismus angeht, kann ich die Telekom allerdings verstehen“, sagt Hanus. Zudem rechne er ohnehin damit, dass sich mehr und mehr Menschen den neuen Medien öffnen.

Eine Anlage pro Stadtteil soll erhalten bleiben

In Weilimdorf werden das postgelbe Telefonhäuschen an der Landauer Straße 42 A, die grau-magenta-farbene Zelle am Fasanengarten 9 sowie die offene Stele an der Kaiserslauterer Straße 2 abmontiert. Auf Vorschlag des SPD-Bezirksbeirats Dieter Benz hat das Gremium einstimmig beantragt, dass im Hinblick auf die Grundversorgung pro Stadtteil eine Anlage erhalten bleiben solle. Die Bezirksvorsteherin Ulrike Zich hatte in der Sitzung ebenfalls die Idee, in den ausrangierten Häuschen Bücherstationen einzurichten. Inzwischen betrachtet sie das Vorhaben aber als „aussichtslos“, da die Eigentumsverhältnisse der Grundstücke geklärt und ehrenamtliche Betreuer gefunden werden müssten.

Bundesweit existieren derzeit noch rund 40 000 Telefonzellen, die die Deutsche Telekom betreibt. Tendenz abnehmend. „Die Telekom darf Städte und Gemeinden wegen eines Abbaus ansprechen, wenn auf deren Gebiet extrem unwirtschaftliche öffentliche Fernsprecher mit einem Umsatz von weniger als 50 Euro stehen“, sagt Jodl. Wenn die Gemeinde dennoch an einem Standort festhalten wolle, so der Telekom-Sprecher, spreche man mit der Gemeinde über eine kostengünstige Alternative wie etwa ein Basistelefon. Natürlich gebe es immer noch Orte mit einer hohen Nutzung: „Das sind in erster Linie Flughäfen oder Bahnhöfe.“