Autonomes Fahren verändert die Innenstädte, denn selbstständig verkehrende Fahrzeuge brauchen keine Parkplätze im Zentrum. In Barcelona werden bereits Straßen zurückgebaut, um Wohnraum zu gewinnen.

Freizeit & Unterhaltung : Ingmar Volkmann (ivo)

Stuttgart - Dauerstau, Kampf um Parkplätze in der Innenstadt: Diese Themen bestimmen die Diskussion, wenn es um Städte wie Stuttgart geht. Geht es nach Steffen Braun, Direktor am Fraunhofer Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation, dann wird autonomes Fahren den öffentlichen Raum in den kommenden 20 Jahren radikal verändern. „Eine Studie über München im Jahr 2040 ist zu dem Ergebnis gekommen, dass 50 Prozent der Verkehrsfläche in der Innenstadt nicht mehr benötigt wird, wenn autonomes Fahren Alltag ist“, so Braun beim Stadtentwicklungskongress dieser Zeitung.

 

Seine These bei der Podiumsdiskussion zum Thema „Autonomes Fahren im öffentlichen Nahverkehr“ begründete Braun unter anderem damit, dass autonom fahrende Autos nicht in der City parken müssten, sondern am Stadtrand aufgeladen werden könnten. „Damit bräuchte man weniger Parkplätze an zentraler Stelle“, so Steffen Braun weiter. Freie Fläche könne in Bauland umgewandelt werden, was im besten Fall positive Auswirkungen auf den überhitzten Wohnungsmarkt hätte. „In Barcelona werden derzeit bereits ganze Blocks umgeplant, um mit dem Rückbau von Straßen beginnen zu können“, erklärte Steffen Braun weiter.

In Bezug auf innovative Mobilitätskonzepte hinkt Deutschland hinterher

Beim Blick über den Tellerrand waren sich alle Diskussionsteilnehmer der von Joachim Dorfs, Chefredakteur der Stuttgarter Zeitung, moderierten Runde einig: Bei innovativen Mobilitätskonzepten ist man andernorts weiter als in Deutschland. Andreas Mäder, der Geschäftsführer des Verkehrsverbunds Großraum Nürnberg, erzählte von den Erfahrungen mit zwei in Nürnberg autonom verkehrenden U-Bahn-Linien, den einzigen in Deutschland. „In Europa gibt es 15 solcher Linien, da hinken wir eindeutig hinterher.“

Hartmut Schick, Leiter des Bus-Geschäfts bei Daimler, berichtete vom „Future Bus“. Das autonom verkehrende Gefährt legt in Amsterdam eine Strecke mit zahlreichen Ampeln und 20 Haltestellen zurück. Außerdem verwies Schick auf Singapur: „Dort will man alle Busse, so schnell es geht, auf autonom fahrende Fahrzeuge umstellen, weil angeblich die Fahrer fehlen.“

Autonom fahrende Busse könnten auf dem Land schon bald Realität sein

Martin Schmitz, Geschäftsführer Technik im Verband Deutscher Verkehrsunternehmen, sieht in Bezug auf das Personal eine der größten Chancen des autonomen Fahrens im ÖPNV: „60 Prozent der Kosten macht der Busfahrer aus.“ Falle der weg, könne man den Nahverkehr in der Zukunft effizienter gestalten.

Einig waren sich die Teilnehmer der Diskussionsrunde auch in einem zweiten Punkt: Autonom fahrende Busse dürften sich zunächst außerhalb der Innenstädte durchsetzen. „Im Zentrum von Rom zum Beispiel werden wir so bald keinen autonom fahrenden Bus sehen.“ Außerhalb von großen Städten, wo der ÖPNV mindestens genauso wichtig ist, sei das aber schon in drei bis fünf Jahren möglich.