Forscher der Universität in Stuttgart-Vaihingen entwickeln in Kooperation mit anderen ein Verfahren, das der Ökologie nutzen könnte. Aber nicht nur ihr.

Vaihingen/Stuttgart - Ordentlich aufgereiht hängen Neoprenanzüge an einer Stange. Die rustikale Betonwand in den Kellerräumen der Technischen Biologie auf dem Campus Vaihingen der Universität Stuttgart ziert ein Poster mit wirbellosen Tieren. Um die Ecke, wacht ein präparierter Mondfisch über die Tauchflaschen. Hier ist das Reich von Franz Brümmer, wenn er Studierenden das wissenschaftliche Tauchen nahebringt. Und hier arbeiten der Professor und sein Team derzeit an einer innovativen Lösung, wie Plastikablagerungen auf dem Meeresgrund künftig sichtbar gemacht und analysiert werden können.

 

Gemeinsam mit dem Bremer Software-Start-up planblue, dem Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI) und der Werkzeug- und Maschinenbau GmbH Kurt Synowzik tüftelt das Institut für Biomaterialien und biomolekulare Systeme an einer Technologie, die es ermöglichen soll, Plastikablagerungen über GPS aufzuspüren und zu bestimmen, um welche Art von Kunststoff es sich handelt.

„Das würde es erleichtern, nachzuverfolgen, woher das Plastik stammt“, erklärt Franz Brümmer. Der Müll werde nämlich nicht nur von außen ins Meer gespült. Auch gesunkene Tanker, die beispielsweise Plastikgranulat geladen haben, tragen zur Verschmutzung bei. Die Quellen für geschätzte Millionen Tonnen Plastikmüll in den Meeren wenigstens teilweise ausfindig zu machen, könnte einen entscheidenden Beitrag zur Verminderung der Belastung leisten.

Das Projekt eröffnet vollkommen neue Möglichkeiten

Bislang kann die Untersuchung von Meeresgebieten auf Plastikablagerungen nur lokal begrenzt und mit großem Aufwand betrieben werden: Taucher bewegen sich entlang an auf dem Grund verspannter Leitschnüre, sogenannter Transekte, und sammeln manuell Bilddaten. Sie später geografisch exakt zuzuordnen, ist schwierig. Sowohl vom Ausmaß der Fläche als auch von der Tiefe her sind dem Verfahren klare Grenzen gesetzt.

Das Projekt „MtecPla“ eröffnet nun vollkommen neue Möglichkeiten für das Plastik-Monitoring. Eine mit einem kleinen Satelliten und einer Kamera bestückte Unterwasserdrohne ermöglicht über GPS-Daten, die sie bei Abstechern an die Oberfläche sammelt, die exakte geografische Zuordnung von Aufnahmen. Und die liefern weit mehr als grobe Bildinformationen. „Für die Erkennung des Plastiks setzen wir auf Hyperspektralkameras“, umreißt Brümmer die Technologie. „Sie registrieren Farb- und Lichtanteile, auch im Infrarotbereich.“

Diese differenzierte Wahrnehmung, gekoppelt an eine lernfähige Software, ermöglicht es, dass die Drohne mit exakten Informationen über die Beschaffenheit der aufgespürten Stoffe zurückkehrt. Das betrifft nicht nur die Klassifizierung von Plastiksorten, sondern auch Daten über deren Beschaffenheit. Zerfallsprozesse lassen sich dokumentieren, Bergungsmaßnahmen entsprechend planen.

Alle Beteiligten steuern innovative Ideen bei

„Unsere Partner trainieren die Algorithmen regelrecht“, so der Experte für Biodiversität. Ähnlich, wenn auch weit weniger komplex, funktioniere die Identifizierung von Kunststoffen bei der Müllsortierung auf dem Trockenen. Mit dem Einsatz dieser Technik unter Wasser betrete man absolutes Neuland, betont Brümmer. Alle Beteiligten steuern innovative Ideen bei. So ist es nicht damit getan, die Kamera wasserdicht und den Druckverhältnissen angemessen zu verpacken und zu versenken.

Da die Datenerhebung viel mit dem Registrieren von Lichtwellen zu tun hat, muss das Gehäuse optimal lichtdurchlässig sein. „Es ist die große Stärke des Projekts, dass wir im Konsortium mit so unterschiedlichen Spezialisten zusammenarbeiten“, hebt Franz Brümmer die Bedeutung der Kooperation mit den Partnern hervor. Mit definierten Plastik-Sediment-Gemischen, welche im Labor in Stuttgart-Vaihingen hergestellt werden, testen und evaluieren die Biotechniker die unterschiedlichen Komponenten der neuen Technologie. Ein Tauchbecken, in dem die „MtecPla“-Entwicklung zu Wasser gelassen werden kann, ist ebenfalls in Bremen vorhanden.

Die Energie, die in das Forschungsprojekt fließt, könnte sich auf lange Sicht übrigens nicht nur ökologisch bezahlt machen. „Grundsätzlich lässt sich diese Technologie durchaus auf andere Bereiche übertragen“, erklärt Franz Brümmer. „Rohre oder Kabel ließen sich mit ihr unter Wasser auf Schäden hin untersuchen. Die Wartung von Offshore-Windparks könnte effizienter gestaltet werden. Für uns liegt der Fokus aber eindeutig auf der Plastik-Thematik.“ Ein erster Test unter Realbedingungen soll im ersten Halbjahr 2021 stattfinden.