Der 1928 geborene Manfred Oesterle war ein Möhringer Original und ist insbesondere für seine Karikaturen bekannt, die unter anderem in der Satirezeitschrift „Simplizissimus“ veröffentlicht wurden. Wir haben uns vorab umgeschaut.

Möhringen - Er war ein Möhringer Original, der Maler, Grafiker, Karikaturist und Bildhauer Manfred Oesterle. Sein Nachlass umfasst ein vielseitiges und beeindruckendes Oeuvre, das ein eigenes Museum verdient hätte. Dennoch sind seine Arbeiten in seiner Heimat nicht oft zu sehen. Einzelausstellungen des 1928 in Möhringen geborenen Künstlers gab es zu seinen Lebzeiten eher im Wilhelm-Busch-Museum in Hannover oder im Olaf-Gulbransson-Museum in Tegernsee. Mit einer Werkschau zum 90. Geburtstag in der AEB-Zentrale an der Sigmaringer Straße wird sein Werk nun in seiner Gesamtheit gewürdigt. Zusammengestellt haben die Ausstellung Ehefrau Rose und Sohn Andreas Oesterle. Entstanden ist eine intime, umfassende Schau, die im Atrium des IT-Unternehmens einen guten Überblick über das Schaffen Oesterles erlaubt.

 

Leben und Arbeiten auf einem Quadratkilometer

„Leben und Arbeiten auf einem Quadratkilometer“ hat die Familie der Werkschau als Untertitel gegeben. Sohn Andreas kann sich immer noch darüber wundern, dass sein Vater zwar fünfmal umgezogen war, sich jedoch von seinem Geburtshaus nie weit entfernt hatte. Dennoch hat er in ganz Deutschland und bis in die Schweiz seine Wirkung entfalten können. Recht früh, nämlich 1952, machte sich der Sohn eines Malermeisters nach dem Studium an der Stuttgarter Akademie selbstständig. Als Grafiker arbeitete er für Daimler-Benz oder Aeskulap in Tuttlingen. Für seine Wandkalender wurde er vom Design Center Stuttgart mit Preisen bedacht. Für die Mineralbrunnen Überkingen-Teinach schuf er Gebrauchsgrafik, einen lebensgroßen Hirschen, ein wandgroßes Mosaik („Wasser ist Leben“) und zahlreiche Wandteppiche, die teils noch erhalten sind.

Ein Eigenbrötler und Individualist

Neben dem Broterwerb aber malte und zeichnete Oesterle nahezu ohne Pause. „Während wir im Urlaub die Koffer für die Heimreise gepackt haben, hat er immer noch gearbeitet“, erinnert sich Rose Oesterle an Bilder, die in Frankreich, Spanien oder Irland entstanden sind. Nach dem Tod ihres Mannes im Jahr 2010 kümmerte sie sich darum, Ordnung in den riesigen Nachlass zu bringen. 52 Jahre lang war sie mit dem nicht immer einfachen Künstler verheiratet: „Er war ein Eigenbrötler, ein Individualist. Er hatte Humor und war zugleich ein nachdenklicher, reflektierter Mensch, immer am Zeitgeschehen interessiert“, beschreibt Andreas Oesterle seinen Vater.

Die erste satirische Zeitschrift nach dem Zweiten Weltkrieg

Für die Ausstellung durfte jedes Familienmitglied Lieblingsstücke benennen. Nicht fehlen durften dabei die Karikaturen, die Oesterle für den Schweizer „Nebelspalter“ oder das Stuttgarter „Wespennest“, die erste satirische Zeitschrift Deutschlands nach dem Zweiten Weltkrieg, gezeichnet hat. Besonders spannend sind die Beispiele, die für für das Satiremagazin „Simplizissimus“ in München entstanden sind. Als ständiger Mitarbeiter und Redaktionsmitglied von 1955 bis 1967 war Oesterle dort mit 223 Titelblättern der am häufigsten gedruckte Zeichner. Auch die „Zeit“, der „Spiegel“ oder der „Stern“ druckten seine Karikaturen. Zweimal wurde der Künstler angeklagt: weil er Heinrich Lübke mit einem Ulbricht-Bart versehen hatte und weil Ludwig Erhard das Goldene Kalb des Wirtschaftswunders vor sich her trug. „Eine Dame namens Europa“ versah er 1962 mit dem Kommentar „Enormes Weib – aber sündhaft teuer“. „Es ist verrückt, wie viele seiner Themen heute höchst aktuell sind“, sagt Andreas Oesterle anerkennend.

Vernissage Die Werkschau Manfred Oesterle in der AEB-Zentrale, Sigmaringer Straße 109, ist bis zum 18. Mai täglich von 9 bis 18 Uhr geöffnet. An Oesterles 90. Geburtstag (Dienstag, 24. April) gibt es ab 17 Uhr eine Vernissage, bei der Andreas Oesterle Anekdoten erzählt. Zu dieser Veranstaltung wird um Voranmeldung unter 07 11/7 28 42 50 00 gebeten, der Eintritt zur Ausstellung ist frei.