Ein Pfarrer ging vor 120 Jahren als Erster auf Skiern von Warth nach Lech - und brachte so den Wintersport nach Arlberg. Mit einem Bergführer kann man heute seiner Route folgen.

Warth - Es ist nicht fair, dass diese Rundtour auf Skiern „Pfarrer-Müller-Tour“ genannt wird. Denn der Geistliche stieg vor 120 Jahren mit schweren Holzskiern von Warth in Vorarlberg auf, um zur Pfarrei im benachbarten Lech am Arlberg zu gelangen. Heute nehmen die Teilnehmer der Tour, die man bei der Skischule Warth buchen kann, zwei Sessellifte und sind dann fast oben. Matthias Fritz (31), Chef der Skischule, führt die Gäste. Er wirkt wie ein Prototyp eines jungen Skilehrers, verspiegelte Sonnenbrille, Dreitagebart, gebräuntes Gesicht. Hinter ihm ragt das Warther Horn wie ein mächtiges Gebiss, das sich von unten durch die Schneedecke gebissen hat, schroff gen Himmel.

 

Scharf zeichnen sich die Konturen der Felsen gegen den blauen Himmel ab. Ob Pfarrer Müller diese Aussicht genossen hat? Jedenfalls querte auch er hier entlang unterhalb der Felsen von Warther Horn und Karhorn in Richtung Lech - auch heute ist das noch abseits der Piste eine Tour, die nur mit Führer empfohlen ist. Auf alten Fotos wirkt Johann Müller jedenfalls ganz anders als der Guide heute: Ein Mann mit ernstem Blick im strengen, hochgeschlossenen Collarhemd. Johann Müller war von 1891 bis 1896 Provisor, also Stellvertreter des Pfarrers, in Warth. In jenen Jahren waren die Winter schneereich und die Fortbewegung beschwerlich.

Die Schneelage macht eine sichere Fahrweise schwierig

Eine Straße von Warth nach Lech gab es noch nicht, auch heute ist sie im Winter oft geschlossen - je nach Schneelage und damit zusammenhängender Lawinengefahr. 1894 las Müller in der Zeitung, dass sich Menschen in Skandinavien auch bei großen Schneemengen mit Skiern fortbewegten. Er bestellte sich ein Paar. „Ich wartete bis zum Abend, um nicht gesehen und ausgelacht zu werden, und versuchte im großen Neuschnee des Pfarrwidums mein Glück. Doch - da lag ich schon im Schnee und so immer wieder bis gegen Mitternacht“, erinnerte sich Johann Müller 1948 in der Zeitung „Vorarlberger Nachrichten“. Nach einigen Tagen sei er aber so sicher gewesen, dass er sich auf den Weg nach Lech gemacht habe. Heute dagegen macht die Schneelage eine sichere Fahrweise schwierig - am Tag zuvor war die Oberfläche angetaut worden, in der Nacht ist sie gefroren.

Die Ski rattern am Hang entlang, die Beine schmerzen von der einseitigen Belastung. Dann endlich liegt unten im Tal Stubenbach, Ortsteil von Lech, davor ein weiter, baumfreier Hang mit sanfter Neigung. Hier hat die Sonne den Harsch schon geschmolzen, wie durch warme Butter schneiden die Kanten der Ski den Schnee. Sehr einfach zu fahren, wie auf Watte geht es ins Tal. Dann tauchen ein kleiner Kirchturm und drei Häuser auf - Bürstegg. Als Johann Müller hier in Richtung Lech querte, war Bürstegg ein ganzjährig besiedelter Weiler, jetzt lebt hier niemand mehr. Heute wird Bürstegg im Sommer als Alp von Bauern bewirtschaftet.

Die Gruppe fährt weiter, plötzlich hält Matthias Fritz an und zeigt zu einem Felsen - nichts ist zu hören hier, aber hoch in der Luft kreist ein Adler. Die Pfarrer-Müller-Tour verbindet zwei sehr belebte Skigebiete und ist doch eine Abfahrt durch einsame Winterlandschaft. Kein Skifahrer ist zu sehen. Dann doch Spuren im Schnee. „Da war wohl ein Kollege. Mal sehen, ob wir den einholen“, sagt Matthias Fritz. Der Hang endet an einem Bach, man muss die Ski abschnallen und ihn auf Steinen überqueren. Nach einem kleinen Aufstieg mit den Skiern auf der Schulter und zwei weiteren Hängen Ankunft im Tal. Pfarrer Müller musste ab hier ziemlich mit den Stöcken schieben, um nach Lech zu kommen, denn bis zum dortigen Pfarrhaus ist das Gefälle gering. Heute braucht der Bus zehn Minuten. In Lech Edelboutiquen und Gewusel auf der Straße, 1600 Einwohner, 8200 Gästebetten - mit seinem mondänen Charme der Gegenpart zu dem noch heute dörflichen Warth, 160 Einwohner, 1200 Gästebetten. Heute ist Lech weltbekannt, Warth eher ein Insidertipp.

Gleißendes Licht bricht sich auf dem Schnee

Deshalb erzählen die Warther natürlich besonders gern, dass der erste Skifahrer in der Region einer der ihren war - und deshalb bieten sie auch seit kurzem die Pfarrer-Müller-Tour an. Seit letztem Winter sind die Skigebiete durch eine neue Gondelbahn, den Auenfeldjet, verbunden. Man braucht ihn nicht für die Tour, wohl aber den neuen Skipass, der für Warth einerseits und für Lech andererseits inklusive des gesamten Arlbergs gilt. Mit diesem Ticket kann man die Runde zurück in Richtung Warth vollenden, indem man in Lech drei Sesselliftauffahrten bis zum Zuger Hochlicht macht. Von hier aus sind es noch mal ein paar Meter Aufstieg bis zu einem Grat - und heute ist dort tatsächlich 100 Meter entfernt die hellblaue Jacke eines weiteren Skilehrers zu sehen, eine Frau und einen Mann hinter ihm. Gleißendes Licht bricht sich auf dem Schnee.

An manchen Stellen ist er mit einer Glasur aus dickem Eis überzogen, die Sonne hat den Schnee tagsüber geschmolzen, nachts ist das Wasser gefroren. Über einsame Hänge geht es gen Tal. Die Strecke führt durch ein Bachbett, das bergwärts beschlossen wird von einem Wasserfall, der jetzt gefroren ist. Blau schimmert das Eis. „Wenn das Eis bricht und ins Tal donnert, wird es gefährlich“, sagt Matthias Fritz. Aber doch nicht jetzt? Er lächelt. „Nein, nein, da lösen sich erst ein paar Teile, das sieht man schon lange vorher.“ Es folgt „die Klemm“, ein schmales Steilstück, über das man seitlich abrutschen muss. Dann läuft die Strecke flach aus bis ins Tal. Sie endet an der Wurstbude 6er Bar in dem Dorf Schröcken etwas unterhalb von Warth. Davor sitzen 20 Pfarrer-Müller-Nachfolger auf Bänken und auf Liegestühlen.

Auch der andere Skilehrer mit seinen beiden Schülern. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass der Pfarrer Müller mit seinen Holzlatten freiwillig die Klemm runtergefahren ist“, sagt einer der Gäste. Der Skilehrer grinst. „Das war ein ganz wilder Hund.“ Matthias Fritz zuckt die Achseln. „Ich weiß nicht, ob er wirklich die Klemm gefahren ist“, sagt er. „Aber die sind früher überall runter, die waren härter drauf als wir heute - denk mal dran, wie hoch oben sie den Ötzi gefunden haben.“ Ob der Pfarrer wirklich diese Strecke gewählt hat? Einfacher erscheint es, einfach den ersten Teil der Tour von Warth nach Lech in entgegengesetzter Richtung zu gehen und zu fahren. Aber andererseits war diese Tour eine perfekte Runde mit perfekter Aussicht - und für die 200 Höhenmeter, die man am Ende von Schröcken nach Warth wieder hinaufmuss, kann man heute den Bus nehmen.

Infos zum Arlberggebiet

Anreise
Über die A 7 und A 96 bis Bregenz, weiter auf der A 14 über Bludenz ins Arlberggebiet. Nach Warth über Dornbirn und Schoppernau. Mit dem Zug bis Bahnhof Bregenz, dann weiter mit dem Bus Line 35 und 40 nach Warth ( www.vmobil.at ). Nach Lech bis Bahnhof Langen, weiter mit dem Bus oder Taxi ( www.taxi-lech.at ). Warth und Lech liegen nur acht Kilometer voneinander entfernt. Der direkte Weg, die Lechtalstraße L 198, wird jedoch bei Schnee wegen Lawinengefahr gesperrt.

Unterkunft
Warth: Seit über 50 Jahren betreibt die Bäckersfamilie Walch das Hotel Walserberg. Inzwischen verfügt das gemütliche Vier-Sterne-Haus zusätzlich über einen Erweiterungsbau mit 20 modernen Design- suiten. Ab ca. 200 Euro pro Nacht im Doppelzimmer, www.walserberg.at .

Vom kleinen Berggasthaus zum 100-Betten-Hotel: Das Hotel Adler (drei Sterne) blickt auf eine lange Tradition zurück. Inzwischen werden auch kleine Apartments angeboten. Ab ca. 200 Euro pro Nacht im Doppelzimmer inklusive Halbpension, www.hoteladler.at .

Lech: Das Hotel Auenhof (vier Sterne) von Gerald und Anita Strolz direkt am Fluss Lech ist heimelig und doch elegant. 2014 wurde das Hotel um einen schmucken Anbau erweitert. Schöner Wellnessbereich mit Hallenbad, Doppelzimmer mit Halbpension ab 121 Euro pro Person, www.auenhof.com .

Allgemeine Informationen
Bregenzerwald Tourismus, Impulszentrum 1135, A-6863 Egg, E-Mail: info@bregenzerwald.at, Telefon 00 43 / 55 12 / 23 65, www.bregenzerwald.at , www.warth-schroecken.com .

Lech Zürs Tourismus, Dorf 2, A-6764 Lech am Arlberg, E-Mail: info@lech-zuers.at, Telefon: 00 43 / 55 83 / 2 16 10, www.lech-zuers.at .

Skitouren
Auf die Spuren von Pfarrer Müller und durchs Gelände führt die fünfstündige Freeride-Tour, die die Warther Skischulen anbieten ( www.ski-schroecken.at und www.skischule-warth.at ). Teilnehmer sollten Erfahrung im Tiefschnee haben, Preis 69 Euro ohne Ausrüstung (Sicherheitsausrüstung ist Pflicht, kann gegen Aufpreis dazugebucht werden). Die Tour ist eine recht einfache Freeride-Runde mit relativ wenigen Aufstiegsmetern.

Die Tour führt von Warth aus mit den Sesselliften Steffisalp-Express und Wartherhorn-Express hinauf. An der Bergstation des Wartherhorn-Express muss man ein Stück aufsteigen. Dann geht es auf einer Traverse unterhalb des Warther Horns entlang nach Bürstegg, von dort nach Stubenbach. Zurück geht es während der Wintersperre mit dem Auenfeldjet, der Skiverbindung ( www.auenfeldjet.at ).

Auf Lecher Seite bieten verschiedene Skischulen Freeride-Touren an. Auffahrt mit Schlegelkopfbahn, Kriegerhornbahn und Steinmähder bzw. Petersbodenbahn, Kriegerhornbahn und Steinmähder. Nach einem kleinen Aufstieg bis zum Grat zwischen Zuger Hochlicht und Mohnenfluh von dort aus Abfahrt in Richtung Schröcken. Die Tour ist nicht markiert, und es gibt unterwegs gefährliche Abhänge, die man umfahren muss. Sie sollte deshalb nur mit ortskundigem Skilehrer oder Bergführer unternommen werden.

Infos: www.skischule-oberlech.at/skitouren/, http://lorrainehuber.com, www.skischule-lech.com