Konservative ÖVP und Grüne räumen ab, die rechten Freiheitlichen brechen nach diversen Skandalen ein in der Wählergunst. Sie streben nun wohl in die Opposition.

Wien - Kanzler Kurz, Kanzler Kurz, Kanzler Kurz“ rufen die Anhänger der ÖVP in Wiener Parteizentrale. Der Jubel ist so groß, dass niemand mehr ein Wort versteht. Die Konservativen unter Sebastian Kurz haben fast sechs Prozentpunkte dazu gewonnen und liegen am späten Sonntagabend laut Hochrechnungen inklusive Briefwahlprognose bei 37,1 Prozent. Klar ist, dass das nicht nur ein Auftrag ist, die Regierung anzuführen, sondern auch, dass es die Person von Sebastian Kurz war, die die Wähler überzeugte.

 

Der Altkanzler, der wohl bald Neu-Kanzler werden wird, sagte, er hätte sich ein so gutes Ergebnis nicht träumen lassen. Tatsächlich konnte die türkise ÖVP in den letzten Tagen wohl wegen des Spesenskandals in der FPÖ noch viele Stimmen der Blauen zu sich holen. Kurz versprach, er wolle auf alle im Parlament vertretenen Parteien zugehen. Er wünsche sich im Allgemeinen einen „respektvolleren Umgang“ unter den Fraktionen.

Später spielte er die Opferkarte aus und meinte, die vergangenen Monate – also die Ibiza-Affäre, das Misstrauensvotum, das Ende der Regierung und der Wahlkampf – seien „keine angenehme Phase“ gewesen. Zugleich betonte man bei den Konservativen, dass die ÖVP den größten Vorsprung zwischen der ersten und zweitplatzierten Partei erreicht habe, den es in Österreich je bei Wahlen gab. Auf Koalitionsspekulationen wollte sich Kurz nicht einlassen.

Der FPÖ-Chef hat ein schweres Erbe

Da war der große Wahlverlierer, FPÖ-Chef Norbert Hofer, offener. Der Mann, der von Heinz-Christian Strache ein schweres Erbe übernommen hat, trug Schweißperlen auf der Stirn. Der Rucksack, den er mitschleppen musste, sei zuletzt immer größer geworden, so Hofer. Er spielte auf den Spesenskandal um Strache an, der die FPÖ-Wähler offenbar mehr aufregte als die Korruptionsneigung des ehemaligen FPÖ-Chefs, die er auf dem Ibiza-Video zeigte. Strache wird vorgeworfen, sich auf Kosten seiner Partei bereichert zu haben. Zwei ehemalige Mitarbeiter sollen private Ausgaben Straches ausgeklügelt zu Lasten der Partei verrechnet haben. Strache hatte zudem eine Kreditkarte der blauen Partei zur freien Verwendung, ein Spesenkonto über 10 000 Euro pro Monat und bekam Mietzuschuss. Hofer meinte am Abend, man müsse die Partei neu aufstellen. Sie habe keinen Auftrag „für einen progressiven Eintritt in Koalitionsgespräche“. Nach dem Absturz auf 16,1 Prozent – ein Minus von fast zehn Prozentpunkten – wurde das allenthalben so verstanden, dass die Rechtspopulisten in die Opposition gehen wollen.

Auch eine Koalition zwischen Konservativen und Sozialdemokraten scheint unwahrscheinlich, vor allem wegen der völlig zerrütteten Beziehung der ehemals langjährigen Koalitionspartner. Zudem kamen die Roten unter Pamela Rendi-Wagner auf bloß 21,7 Prozent und verloren damit mehr als fünf Prozentpunkte. Es ist das historisch schlechteste Ergebnis der früher so erfolgreichen Kanzlerpartei.

Die Grünen sind gesprächsbereit

Das wirklich Überraschende am Wahlsonntag war, dass nun auch eine Zweierkoalition zwischen Konservativen und Grünen möglich wird. Gemeinsam kommen beide laut Hochrechnungen auf 97 der 183 Mandate. Grünen-Chef Werner Kogler sprach von einem „Sunday for future“, besonders bei den Jungen liege man „ganz vorn“. Im Wiener Metropol, wo die Grünen feierten, lagen sich viele in den Armen. Die Öko-Partei, die 2017 den Einzug ins Parlament noch verpasst hatte, fuhr mit 14 Prozent ihr bestes Ergebnis bei Nationalratswahlen ein. Sie wird fast so stark vertreten sein wie die FPÖ. Kogler signalisierte Gesprächsbereitschaft mit der ÖVP, stellte aber Forderungen auf. So müssten sich die Konservativen beim Klimaschutz bewegen.

Auch die liberalen Neos mit der Farbe Pink haben ihr bisher bestes Ergebnis mit 7,8 Prozent erreicht und konnten 2,5 Prozentpunkte zulegen. Neos-Chefin Beate Meindl-Reisinger zeigte sich regierungswillig. „Ich will eine anständige Alternative zu Türkis-Blau“, sagte die Vollblutpolitikerin. Tatsächlich wäre auch eine Dirndl-Koalition von Türkisen, Grünen und Pinken eine Neuheit in Österreich, die viele charmant fänden.

Für Kurz wären sogar drei Zweierkoalition im Bereich des Möglichen – er kann mit Blauen, Roten oder Grünen zusammenarbeiten. Nur mit den Neos allein würde es nicht reichen, obwohl das sicher Kurz’ erst Wahl wäre. Die Neos wollen trotzdem gemeinsam mit ÖVP und Grünen eine Dreierkoalition machen.