Horst Seehofer will Flüchtlinge direkt an der Grenze abweisen. Aber was halten eigentlich die Österreicher, die in Grenznähe leben, davon? Der Landeshauptmann von Oberösterreich zeigt sich entspannt: Sein Land müsste es den Bayern dann einfach gleichtun.

Berlin/Linz - Sollte es, wie von Bundesinnenminister Horst Seehofer gewünscht, bald an der deutsch-österreichischen Grenze zu Zurückweisungen kommen, wäre das Bundesland Oberösterreich besonders betroffen. Dessen Regierungschef, Thomas Stelzer (ÖVP) begrüßt das Vorhaben des Innenministers.

 
Herr Stelzer, mit welchen Gefühlen verfolgen Sie die deutsche Diskussion über Zurückweisungen an den Grenzen? Die Flüchtlinge kämen ja teilweise nach Oberösterreich.
Auch aus den Erfahrungen heraus, die wir in Österreich im Jahre 2015 mit dem Zustrom an Flüchtlingen gemacht haben, verstehe ich, dass man nicht hinnimmt, wenn Europa die Flüchtlingsbewegungen nicht in den Griff bekommt und manche Staaten nicht mithelfen. Ich kann verstehen, dass man Flüchtlinge, die schon in einem anderen Staat in einem Asylverfahren sind, an der Grenze zurückweist.
Ihr Bundesland wäre davon direkt betroffen.
Das stimmt. Das gilt für Oberösterreich, aber auch für das Bundesland Salzburg. Für uns heißt das: Wenn sich Deutschland zu diesem Schritt entschließt, dann muss natürlich auch die österreichische Bundesregierung dasselbe tun. Sonst kämen wir tatsächlich in die Lage, dass wir das Problem von Deutschland einfach erben würden. Wenn man das System so aufstellen will, dann müssen alle Länder mitziehen.
Haben Sie Angst vor Marktplätzen, etwa im Grenzort Schärding, die vielleicht plötzlich mit Flüchtlingen angefüllt sind?
Ich glaube nicht an ein unkoordiniertes Vorgehen beider Länder. Dazu ist die Partnerschaft unser beider Staaten, aber auch zwischen Bayern und Oberösterreich, zu gut. Wir wissen, dass wir voneinander abhängen. Aber ernst nehme ich das Problem durchaus. Deshalb bin ich überzeugt davon, dass Österreich mitmachen muss, wenn Deutschland diesen Weg geht.
Wie sehr sind Sie heute schon personell durch Flüchtlingsthema gebunden?
Es gibt ja heute schon Kontrollen an der Grenze von Oberösterreich zu Bayern. Das ist eine Herausforderung, gerade weil wir viele Pendler haben. Das Innviertel ist ein dynamischer Wirtschaftsraum mit Zulieferern für die Automobil- und Flugzeug-Industrie. Insgesamt haben wir in Oberösterreich seit Monaten eine rückläufige Zahl von Asylbewerbern. Im Land gibt es heute noch rund 9000 Asylbewerber, die auf einen Ausgang ihres Verfahrens warten.
Fühlen Sie sich hinreichend von Deutschland informiert? Herr Seehofer will ja schon in rund 14 Tagen mit den Zurückweisungen beginnen.
Es gibt an diesem Mittwoch Gespräche zwischen der bayerischen Staatsregierung und der österreichischen Bundesregierung. Deshalb setze ich darauf, dass alle Änderungen in einem Prozess des Aufeinander-Zugehens geregelt werden. Wie gesagt, ich habe Verständnis dafür, dass sich Deutschland überlegt, wie es die Herausforderungen in den Griff bekommt. Aber Österreich muss sich darauf einstellen. Ich setze auf enge Kontakte und gute Absprachen.
Wären Sie als Bundesland in der Lage, zurückgewiesene Flüchtlinge in einem geordneten Verfahren in Empfang zu nehmen?
Das wäre keine Angelegenheit, die das Bundesland alleine tragen müsste. Die Bundespolizei wäre in dieser Frage gefordert.
Führen wir in Deutschland angesichts der langen grünen Grenze zwischen unseren Ländern eigentlich überhaupt eine realistische Debatte? Flüchtlinge könnten doch leicht ausweichen.
Ich halte die Debatte durchaus für realistisch. Wir haben lernen müssen, dass die Flüchtlingsbewegungen gut organisiert sind. Es geht ja eher nicht um Einzelpersonen, die irgendwo unterwegs sind und über die Grenze schlüpfen. Meistens handelt es sich ja um organisierte Bewegungen mit Transporten. Deshalb ließe sich das entlang der Transportrouten mit Kontrollen in den größten Teilen durchaus regeln.