Österreichs Innenminister Herbert Kickl provoziert schon den sechsten Misstrauensantrag gegen sich. Zuletzt stellte er die Europäische Menschenrechtskonvention infrage. Wie tickt der FPÖ-Politiker?

Wien - Sein Innenminister hatte wieder für Wirbel gesorgt. Deshalb musste Österreichs Kanzler Sebastian Kurz am Mittwoch im Parlament Rede und Antwort stehen. Die Partei Jetzt wollte von Kurz eine klare Stellungnahme, ob es tatsächlich Bestrebungen gebe, aus der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) auszutreten. Schließlich hatte Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) angekündigt, völkerrechtliche Bestimmungen auf ihre „Sinnhaftigkeit“ zu überprüfen. Gewunden hatte er von „seltsamen rechtlichen Konstruktionen“, gesprochen, die „teilweise viele Jahre alt, aus anderen Situationen heraus entstanden, und die hindern uns daran, das zu tun, was notwendig ist“. Gemeint ist, dass es ihm darum geht, straffällig gewordene Asylbewerber schneller abzuschieben.

 

Provokationen im Mehrwochentakt

Wie mehrfach zuvor – am Mittwoch wurde der sechste Misstrauensantrag gegen ihn eingebracht – stellte Kickl den Rechtstaat und die österreichische Verfassung infrage, in der die EMRK verankert ist. Er glaube immer noch, sagte der FPÖ-Politiker, „dass das Recht der Politik zu folgen hat und nicht die Politik dem Recht“. Daraufhin zitierte ihn sogar Bundespräsident Alexander Van der Bellen zu sich. Kickl ruderte zurück und betonte öffentlich, er habe „zu keinem Zeitpunkt die Europäische Menschenrechtskonvention oder die Menschenrechte als solche in Frage gestellt“. Doch meist folgt nach ein paar Wochen Ruhe die nächste Provokation Kickls. Das ist das Erfolgsrezept seiner Partei. Und es entspricht seinem Charakter.

Kickl ist immer geladen

Der 50-Jährige ist nie entspannt, sondern immer angriffslustig. Seine verbalen Attacken – gern gegen die Sozialdemokraten oder die Grünen – kommen in einer Regelmäßigkeit, als ginge es darum, bedrohliche Gefahren abzuwehren. Der Mann, der 1968 im kärntnerischen Villach geboren wurde, ist immer geladen. So sorgt er wie kein anderer seit dem Amtsantritt der türkis-blauen Regierung im Dezember 2017 für Wirbel. Kurz nach seinem Amtsantritt sagte er, Asylbewerber seien künftig „entsprechend konzentriert an einem Ort zu halten“. Im Februar 2018 fand beim Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung eine dubiose Razzia statt, bei der Akten beschlagnahmt wurden. Ein Untersuchungsausschuss des Parlaments beschäftigt sich seit Herbst mit der höchst umstrittenen Aktion. Als nächstes folgte ein Schreiben des Innenministers, die Landespolizeidirektionen sollten Informationen an kritische Medien „auf das nötigste Maß beschränken“. Dann vergraulte Kickl den Nachbarn Slowenien, weil er für Hunderttausende Euro eine „Migranten-Abwehr-Show“ an der Grenze veranstalten ließ, obwohl es dort praktisch gar keine Migranten mehr gibt.

Der Innenminister gilt seinem FPÖ-Parteichef als überlegen

Der Mann mit dem säuberlich gestutzten Bart und dem flimmernden Blick dominiert die innenpolitische Debatte. 200 Kulturschaffende fordern Kickls Rücktritt, darunter Daniel Kehlmann und Literaturnobelpreisträgerin Elfriede Jelinek. Kurz gab am Mittwoch nicht den großen Verteidiger, wird Kickl aber nicht fallen lassen. Denn der ist die Schlüsselfigur in der FPÖ – Parteichef und Vizekanzler Heinz-Christian Strache intellektuell deutlich überlegen.

Zudem trennen Kurz und Kickl zwar die Ausdrucksweisen, weniger jedoch die Inhalte. Kickl stattet die Partei seit Jahren mit gedanklicher und verbaler Munition aus: „Daham statt Islam“, „Abendland in Christenhand“ oder „Mehr Mut für unser Wiener Blut – zu viel Fremdes tut niemandem gut“. Die Kernbotschaft des Triathleten konzentriert sich auf „die“ Ausländer. So sagte er kürzlich, dass man sich bei der Überprüfung der Waffenverbotszonen auf bestimmte Personen konzentriere. „Ich spreche von jungen Afghanen und jungen Syrern, Menschen, die keine Österreicher sind, weil wir wissen, dass dort die Kriminalitätsrate eine besonders hohe ist.“ Bei einem Teil der Bürger kommt das gut an.