Als Laureus-Botschafter ist Franz Klammer zur Preisverleihung nach Monte Carlo gereist. Davor saß die österreichische Skilegende zwei Wochen lang vor dem Fernseher und hat die Winterspiele in Südkorea verfolgt – mit sehr gemischten Gefühlen: „Olympia sollte wieder in Europa stattfinden“, sagt der 64-Jährige.

Monte Carlo - Als Laureus-Botschafter ist Franz Klammer zur Preisverleihung nach Monte Carlo gereist. Davor saß die österreichische Skilegende zwei Wochen lang vor dem Fernseher und hat die Winterspiele in Südkorea verfolgt – mit sehr gemischten Gefühlen: „Olympia sollte wieder in Europa stattfinden“, sagt der 64-Jährige.

 
Herr Klammer, was war Ihr persönlicher Höhepunkt der Olympischen Spiele?
Ich fand es beeindruckend, wie Marcel Hirscher den Riesenslalom gewonnen hat, den er unbedingt gewinnen musste. Der Druck war riesig. Er hat ihm standgehalten.
Woran liegt es dann, dass Hirscher in Österreich nicht nur Freunde hat?
Ich habe neulich in einer Zeitung die Aussagen irgendeines Werbegurus gelesen, der vorgerechnet hat, wie viel der Hirscher jetzt wert ist. Dann sagte er aber auch noch, dass der Marcel ein bisserl an seinem Charisma arbeiten könne. Ich bin kein Experte, aber vielleicht ist da ja was dran. Der Marcel ist halt immer sehr fokussiert.
Um in Österreich zum Volkshelden zu werden reichen nicht nur Erfolge – man braucht auch so viel Lockerheit wie Sie?
Anscheinend ja. Keine Ahnung, warum das bei mir so ist. Ich bin früher einfach den Berg runter gefahren und habe hinterher gesagt, was ich denke. Ich war nie ein Taktiker – weder auf der Piste noch außerhalb. Offenbar gefällt das den Leuten.
Die alpinen Skirennen in Südkorea kamen mitten in der Nacht im Fernsehen. Sie sind extra aufgestanden?
Natürlich, ich habe mir extra den Wecker gestellt. Super fand ich auch, wie unsere Snowboarderin Anna Gasser nach dem Desaster im Slopestyle-Finale im Big Air triumphiert hat. Nicht zu vergessen Matthias Mayer, der im Super-G seinen Titel verteidigt hat. Hut ab!
Sie interessieren sich nur für die Auftritte Ihrer Landsleute?
Nein, nein, ich habe mir sehr viel angeschaut. Shaun White zum Beispiel, der es bei seinen letzten Spielen noch einmal allen gezeigt hat. Oder euer Eishockeyteam aus Deutschland (lacht laut auf).
Warum lachen Sie?
Na ja, ich glaube, die sind ursprünglich nach Südkorea gefahren, um in der Vorrunde wie üblich sang- und klanglos auszuscheiden. Und dann gewinnen sie fast die Goldmedaille. Unglaublich.
Sie klingen begeistert. Dabei heißt es doch immer, Olympia sei in der Krise.
Die olympische Idee ist nicht in der Krise. Für die Athleten sind die Spiele immer noch das Größte. Sie vertreten ihr Land – und ihr Land fiebert mit. Ihr Deutschen seid’s doch immer noch völlig aus dem Häuserl, weil ihr noch nie so viele Medaillen gewonnen habt wie diesmal, stimmt’s? Daran sieht man, dass Olympia noch immer funktioniert. Aber die Spiele müssen wieder mehr für die Athleten sein, daran sollten sich die Funktionäre erinnern.
Wie meinen Sie das?
Es ist ein Problem, wenn die Spiele dauernd an so exotischen Orten ausgetragen werden, an denen dann auch noch so wenige Zuschauer kommen. In Korea interessieren sich die Menschen halt vor allem für Shorttrack und Eiskunstlaufen – also nicht für das, was wir Österreicher als klassischen Wintersport betrachten.
In vier Jahren geht es in Peking weiter.
Ich hoffe, dass es kein Desaster wird. Bei der Abfahrt mussten ja schon die Regeln geändert werden. Da werden zwei Sprintrennen ausgetragen, weil es keinen richtigen Berg gibt. Stellen Sie sich das mal vor! Was sich das IOC dabei denkt, die Winterspiele dorthin zu vergeben, ist mir ein Rätsel. Olympia sollte wieder in Europa stattfinden, wo es nicht nur Berge gibt, sondern auch eine richtige Begeisterung.
Die Bevölkerung in den Kerngebieten des Wintersports will aber kein Olympia mehr vor ihrer Haustür. Die Bayern haben eine Bewerbung ebenso abgelehnt wie die Tiroler.
Es ist leider Gottes so, dass die Gegner eher zur Abstimmung gehen als die Befürworter. Sie sehen nur das Negative und sagen: Das ist doch alles viel zu teuer, geht’s mir weg mit eurem Olympia und lasst’s mir meine Ruhe. Besser wäre es, wenn die Leute die positiven Seiten sehen würden.
Zum Beispiel?
Olympia kann für eine Region sehr viel bewirken, infrastrukturell und auch sonst. Es sind nicht nur Ausgaben – das Geld kommt auch wieder zurück. Innsbruck hätte ohne die Spiele 1976 niemals diesen klingenden Namen, von dem die Stadt noch heute lebt. Und auch Schladming wäre nicht mehr als ein netter kleiner Skiort, hätte es dort nicht zwei Ski-Weltmeisterschaften gegeben. Das zeigt, wie sehr Großveranstaltungen eine Region weiterbringen können.
Was muss passieren, damit Olympia wieder nach Europa kommt?
Das IOC sollte nicht nur schauen, wo es am meisten Geld zu verdienen gibt, sondern wo die Athleten die besten Bedingungen haben. In Korea wurden bei widrigsten Wetterbedingungen Wettbewerbe durchgepeitscht – auf Kosten der Athleten, die vier Jahre darauf hingearbeitet hatten und dann die Deppen waren. Das zeigt: Die Athleten sind dem IOC wurscht. Dabei sollten in den zwei Olympiawochen allein die Sportler das Sagen haben.
Eine Schönwettergarantie gibt es aber auch in den Alpen nicht, in denen es durch den Klimawandel immer weniger Schnee gibt.
Aber zumindest ist hier die Nachhaltigkeit gegeben, von der immer alle sprechen und von der in Asien keine Rede sein kann. Dort braucht kein Mensch mehr die Sportstätten. Bei uns dagegen es ist fast alles da, du brauchst nichts zu bauen. Und an Zuschauern würde es sicher auch nicht fehlen. Das sieht man ja schon bei den Weltcups.
Ist Olympiagold eigentlich mehr wert als ein Weltcup-Sieg in Kitzbühel?
Ein Olympiasieg ist durch nichts zu ersetzen. Stellen Sie sich vor, der Hirscher hätte nicht gewonnen. Seine Karriere wäre nicht komplett gewesen, auch wenn er seit sieben Jahren der weltbeste Skifahrer ist. Ich lebe heute noch von meiner Goldmedaille in Innsbruck 1976. Hätte ich sie nicht gewonnen, würden wir jetzt nicht zusammensitzen. Trotzdem war für mich persönlich Kitzbühel immer wichtiger als Olympia.
Warum?
Weil in Kitzbühel die Herausforderung viel größer ist, weil du ein kompletter Abfahrer sein musst. Es ist das größte Skirennen der Welt, die mit Abstand die schwerste Strecke. Wenn du sie meisterst, ist das die größte Befriedigung die du dir vorstellen kannst. Zu meiner Zeit waren das noch kriminelle Rennen, bei denen es kaum Sicherheitsmaßnahmen gab. Das hat sich geändert – eines aber ist gleich geblieben: Kitzbühel ist wie Monte Carlo im Motorsport oder Wimbledon im Tennis. Erst wenn du auf der Streif gewonnen hast, hast du alles erreicht. Svindal hat das nicht geschafft, Bode Miller auch nicht.
Dafür aber der Deutsche Thomas Dreßen im zweiten Anlauf.
Er hat das schöne Wetter ausgenutzt, das andere auch hatten und nicht ausgenutzt haben. Genau das ist das Geheimnis eines guten Sportlers: dass er die Chance ergreift, wenn sie da ist.
Was trauen Sie Dreßen in Zukunft zu?
Er wird ganz vorne mitmischen. Sein Vorteil ist: Er steht neutral über dem Ski und macht wenig Fehler. Und: Er ist er ein lockerer, lässiger Typ.
Wie wichtig ist das in der Abfahrt?
Du musst als Abfahrer das Risiko nehmen, darfst aber nicht verkrampfen, wenn der Ski nicht so läuft. Aber ihr habt’s ja sowieso ein paar lockere Typen. Felix Neureuther vor allem, das ist ein super Bursche. Oder Andreas Sander und der Ferstl-Josef, der heuer einen Super-G gewonnen hat. Da könnt ihr euch nicht beschweren.
Freut es Sie, wenn im Skifahren auch Deutsche vorne mitmischen?
Warum denn nicht? Es tut dem Skisport gut, wenn nicht nur die Schweizer, Österreicher und Südtiroler unter sich sind. Noch mehr freut es mich aber, wenn am Ende einer von uns ganz oben steht.