50 Pfarrer haben in einem Brief an den Landesbischof angekündigt, trotz eines Verbotes gleichgeschlechtliche Paare öffentlich segnen zu wollen. Das zeigt: der Widerstand in der Landeskirche wächst.

Stuttgart - Der Geist der Veränderung in Württemberg lebt. Ganz im Sinne Martin Luthers können viele Protestanten einfach nicht anders und akzeptieren die Entscheidung der Herbstsynode zur öffentlichen Segnung gleichgeschlechtlicher Paare nicht. Sie begehren auf. Nach der mittleren Leitungsebene, den Dekanen, proben nun auch Pfarrer den Aufstand. Initiator dieser Bewegung ist Pfarrer Burkhard Frauer aus Ditzingen. Für ihn steht fest: Kein Pfarrer sollte zu Amtshandlungen gegen sein Gewissen gezwungen werden.

 

In diesem Duktus hat Frauer einen Brief entworfen, den er Landesbischof Frank Otfried July schicken will. Wörtlich steht darin: „Dadurch, dass nun aber nicht einmal der Kompromissvorschlag des Oberkirchenrates in der Landessynode durchging, bleibt jede Art einer öffentlichen Amtshandlung für gleichgeschlechtliche Ehepaare in unserer Württembergischen Landeskirche unmöglich. Damit verweigert eine Minderheit einer deutlichen Mehrheit die Gewissensfreiheit, die sie für sich selber beansprucht. Das Gewissen derjenigen, die eine solche Amtshandlung befürworten, ist jedoch genauso theologisch begründet und an die Heilige Schrift gebunden wie das der Gegner.“

Wie wird der Bischof reagieren?

Der Ditzinger will nicht als Einzelperson auftreten. Er hofft auf breite Rückdeckung möglichst vieler Kollegen im Land. Daher startete er eine Unterschriften-Aktion, die sich an alle Pfarrer der Landeskirche richten soll. Inhalt: „So erklären wir, die unterzeichnenden Pfarrerinnen und Pfarrer, hiermit, dass wir uns an die Heilige Schrift und unser Gewissen gebunden fühlen und deshalb auf Wunsch gleichgeschlechtlicher Ehepaare, die ihre Ehe in lebenslanger Treue zueinander vor Gott führen wollen, eine Amtshandlung durchführen werden.“

Wie der Bischof oder der jeweilig betroffene Dekan mit dem offenen Bruch der Ordnung in der Landeskirche umgehen wird, ist offen. Zumal der gesellschaftliche Druck steigt. Selbst die „Süddeutsche Zeitung“ hat den Vorgang jüngst aufgegriffen, als sich die Stuttgarter Dekane sowie eine Mehrzahl der Dekane von vier Prälaturen einem Protest angeschlossen hatten. Das Blatt titelte süffisant: „Ehe für alle: Aufstand gegen den Pietcong.“ Weiter heißt es dort, es sei ein beispielloser Aufstand gegen die Reste des „Pietcong“, wie man die schwäbische Spielart des Pietismus in den 1970er-Jahren getauft habe.

Pfarrer Frauer ist sich des Rechtsbruchs bewusst

Diese offene Diskussion und die überregionale mediale Begleitung ist man in Kirchenkreisen nicht gewohnt. Nur wenige lehnten sich bisher so weit aus dem Fenster wie Stuttgarts Prälatin Gabriele Arnold, die als Schirmherrin des Christopher Street Days in dieser Debatte vorausging. Nun aber wagen immer mehr Pfarrer offenen Widerspruch, wie das Beispiel des Ditzinger Pfarrers und der mehr als 50 Unterzeichner seinen Briefes zeigen. Burkhard Frauer, der die Ordnung der Landeskirche bis auf jenen einen Punkt für wichtig und richtig hält, ist sich des Rechtsbruchs bewusst. Aber er hofft, dass die Kirchenleitung bei möglichen Segnungen gleichgeschlechtlicher Paare, nicht mit dem „eisernen Besen kehre“, wie es Stuttgarts Stadtdekan Sören Schwesig formuliert hatte. Zudem weiß er um die Personalnot in der Landeskirche: „Wir haben derzeit so viele Vakanzen, da kann man schlecht Pfarrer auf die Straße setzen. Aber wir wollen auch keine Gräben aufreißen, sondern wir wollen vernetzen.“

Diese Problematik kennt auch Landesbischof July, der laut seines Sprechers Oliver Hoesch „intensiv an einer Lösung arbeitet“. Wie man mit dem Ditzinger Renegaten und dessen Unterstützern im Falle einer öffentlichen Homo-Segnung umgehen werde, ließ er jedoch offen. Karl Hardecker, Botnanger Pfarrer und so etwas wie ein theologischer Aufsichtsrat in der Landeskirche, hofft indes, dass man auf Dekanebene im Falle des Falles „mäßigend einwirken wird“. Professor Christoph Dinkel von der Stuttgarter Christusgemeinde ergänzt: „Ich kann verstehen, dass württembergische Pfarrerinnen und Pfarrer mit den Beschlüssen der württembergischen Synode vom Herbst nicht leben können und Segnungen gleichgeschlechtlicher Paare durchführen wollen.“