Der Obst- und Gartenbauverein in Filderstadt-Bonlanden löst sich auf, wenn sich kein Vorsitzender findet. Die einen prophezeien das große Vereinssterben, andere erklären, was in die Zukunft führt.

Bonlanden - Bei Facebook hat der Obst- und Gartenbauverein (OGV) Bonlanden gesucht, übers Amtsblatt ebenfalls. Doch Sätze wie „Wir sind eine fröhliche Gemeinschaft und als Verein auch finanziell gut aufgestellt“ konnten bislang niemanden locken. Der OGV sucht händeringend einen Vorsitzenden, aber die Aufrufe sind ohne Erfolg geblieben, sagt Martin Adam.

 

Der 40-Jährige aus Harthausen ist aktuell der kommissarische Vorsitzende. Bei der vergangenen Wahl war er aus beruflichen und familiären Gründen nicht mehr angetreten, sein Stellvertreter altershalber nicht mehr. Nachfolgen wollte keiner. „Eigentlich sind wir nicht handlungsfähig“, sagt er. Und nun? Dieser Tage ist Martin Adam beim Anwalt, danach wird ein Termin für Neuwahlen bestimmt. Findet sich auch dort niemand, müssen die etwa 100 Mitglieder über die Auflösung des Vereins abstimmen.

Auflösung in Heumaden nach mehr als 90 Jahren

Der OGV in Bonlanden ist nicht der Einzige mit solchen Problemen. 2019 hat sich das Heumadener Pendant nach mehr als 90 Jahren aufgelöst, weil sich niemand für Vorstands- und Beiratsposten fand. In Riedenberg ist die Situation ebenfalls zäh. Der Kassier agierte bereits 2017, zum 75. Vereinsgeburtstag, mangels eines Vorsitzenden als geschäftsführender Vorstand. Bis heute hat sich daran nichts geändert, „der Beirat ist auch dünn besetzt“, sagt Klaus Beyer. Der 80-Jährige war lang Schriftführer. „Wir kriegen keine jungen Mitglieder trotz vieler Werbemaßnahmen“, klagt er. Der gut 130 Mitglieder starke Club lebe allein von den Alteingesessenen, „es ist alles überaltert“. Im November stünden wieder Wahlen an. Klaus Beyer ist skeptisch, ob sich Freiwillige finden werden.

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Martin Adam glaubt zu wissen, was viele schreckt. „Ein riesiges Problem ist die Haftung. Der erste Vorsitzende haftet mit seinem Privatvermögen.“ Das wolle sich keiner ans Bein binden. Freilich sei ein Ehrenamt auch mit Aufwand verbunden. So verfügt der OGV Bonlanden über eine Saftpresse. Die werde von den Bürgern gern genutzt, für die Betreuung habe der Verein zuletzt aber stets Externe einspannen müssen. „Das ist auch der Altersstruktur geschuldet“, erklärt Martin Adam.

Positivbeispiel ist Stuttgart-Plieningen

Es gibt Gegenbeispiele. Plieningen hat es geschafft, das Ruder herumzureißen. Einen ersten OGV-Vorsitzenden hatte es dort jahrelang nicht gegeben, und als 2016 auch die zweite Vorsitzende aufgehört hatte, war ein Dreierteam eingesprungen. Aus diesem Trio hat wenig später Stefan Schad den Vorsitz übernommen. Er gehört mit 48 Jahren zu den Jungen im Verein und hat mit Gleichaltrigen vieles umgekrempelt. „Wir sind auf Mitgliederfang gegangen“, sagt er. Angesprochen wurden und werden etwa Familien auf den Herbstfesten, die der Verein stets groß mit Plakaten bewirbt, außerdem bei Whiskey-Tastings. „Wir machen ganz was anderes“, betont Stefan Schad.

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Das kommt an. Rund 250 Mitglieder zähle der OGV Plieningen, „daran haben wir die letzten fünf Jahre ordentlich gearbeitet“. Dazu habe gehört, alte Zöpfe abzuschneiden und neue Wege zu gehen. „Wir haben das schon immer so gemacht – das habe ich auch tausendmal gehört“, sagt Stefan Schad. Das Vereinswesen habe sich der Lebensrealität Jüngerer anpassen müssen. „Es kommt keiner hier in den Verein, weil er ein mordsgroßes Interesse am Anbau hat. Die Gärten sind zum Festlemachen“, betont er. Auch die Kommunikation laufe anders, nämlich oftmals über Whatsapp.

Der Weg in die Zukunft für diese Vereine

Nikolaus Winter glaubt, dass das der richtige Weg ist. Er ist der Vorsitzende des Stuttgarter OGV-Kreisverbands, in dem 23 Vereine zusammengeschlossen sind, und empfiehlt: „Man muss aktiver kommunizieren, nach innen und nach außen.“ Durch den Einsatz sozialer Medien könne man auf sich aufmerksam machen, außerdem die Attraktivität der Vereinsarbeit steigern durch eine weniger hierarchische Vorstandsorganisation, die die Arbeit auf mehreren Schultern verteilt. Nikolaus Winter betont: Das Potenzial ist da. „Gärtnern ist en vogue, die Coronazeit hat den Trend verstärkt.“

Etliche Vereine haben indes nicht mal eine Homepage, auch der OGV Bonlanden nicht. „Man müsste aktiver sein, aber das lässt die Zeit nicht zu“, bekennt Martin Adam. Beim OGV Birkach tut man sich ebenfalls mit dem Internet schwer. „Ich bin nicht so affin“, sagt der 86-jährige Werner G. Schmid. Er ist zweiter Vorsitzender. Einen ersten gibt es nicht, und wegen Corona waren keine Wahlen. „Vermutlich wird keiner hier rufen“, auch in Birkach seien unter den gut 100 Mitgliedern überwiegend Ältere. „Viele OGVs sterben irgendwann in den nächsten Jahren ab“, prophezeit Werner G. Schmid. Er befürchtet: „Durch die Medien braucht man heute keine Fachleute mehr.“