Nach zwei Olympiasiegen zum Auftakt freut sich Biathletin Laura Dahlmeier über ihren dritten Platz im Einzel. Für die 24-Jährige geht die Medaillenjagd nahtlos weiter – weshalb nicht einmal genügend Zeit bleibt, ihre Eltern zu treffen.

Sport: Jürgen Kemmner (jük)

Pyeongchang - Ist eigentlich ein Biathlon-Rennen anstrengender oder das, was danach kommt? Diese Frage wurde Laura Dahlmeier so explizit zwar nicht gestellt, aber wahrscheinlich hätte sie geantwortet: „Das danach.“ Diese protokollarisch festgezurrte Prozedur für die Medaillengewinner geht ganz schön an die Substanz. Nach dem Wettkampf, wenn der Körper ausgelaugt ist und die Muskeln ein bisschen krampfen, dann müssen die ersten drei bei Minusgraden durch die Mixed Zone – vorbei an den TV-Kameras, an den Mikrofonen der Radiostationen und schließlich auch vor die Aufzeichnungsgeräte der schreibenden Presse. Das allein frisst mindestens eine halbe Stunde, obligatorisch ist danach der Besuch der Doping-Kontrolleure – und zum Abschluss steht noch die Pressekonferenz im Medienzentrum an. Eine Stunde ist dafür gar keine Zeit.

 

Laura Dahlmeier durfte die Reise durch den Nachwettbewerbs-Dschungel am Donnerstag erneut unternehmen. Sie hatte im Einzel die Bronzemedaille gewonnen, hinter ihrer langjährigen Rivalin Anastasija Kuzmina (Slowakei), die sich Silber verdiente, und hinter Überraschungssiegerin Hanna Öberg aus Schweden. Die 22-Jährige, die Nummer 42 der Weltrangliste, blieb über 15 Kilometer fehlerfrei, Kuzmina leistete sich zwei Fahrkarten (24,7 Sekunden zurück), Dahlmeier eine (41,2). „Beim fünften Schuss liegend habe ich mich nicht so konzentriert“, sagte die 24-jährige Partenkirchenerin, „danach habe ich mich zusammengenommen, bin gut gelaufen und habe gut geschossen.“

Bei der WM in Hochfilzen hatte es vor einem Jahr trotz einer Kugel neben dem Ziel noch zum Triumph gereicht, in Pyeongchang aber eben nicht. Ohne den Fehlschuss, der eine Strafminute obendrauf gab, wäre sie wieder Olympiasiegerin geworden. Es wäre ihr drittes Gold bei diesen Winterspielen in Südkorea gewesen.

Dahlmeier nahm’s locker. „Eine Medaille bei Olympia, das ist kein Selbstläufer“, meinte sie, „da gehört schon was dazu. Ich freue mich über Bronze.“ Mit ihrem Fehlschuss war auch das gerne bemühte Thema vom Tisch, die Traum-Geschichte von sechs Goldmedaillen in sechs Wettbewerben – was Dahlmeier vor ein paar Tagen ironisch kommentiert hatte: „Vielleicht hole ich ja sieben Medaillen.“ Dann hätte sie den Weg von der Ziellinie bis zur Ausgangstür der Pressekonferenz mit geschlossenen Augen gefunden.

Nicht nur rund um den Wettkampf sind die Sportler durchgehend ausgebucht, auch in der übrigen Zeit. Ein Olympia-Gefühl kann sich deshalb gar nicht richtig einstellen. „Wir haben wenig freie Zeit“, erzählt die Doppel-Olympiasiegerin und arbeitet verbal ihr grobes Pensum von Pyeongchang ab. Wettkämpfe, Physiotherapie, Erholung, dann wieder Training und Besprechungen. Nicht zuletzt die Siegerehrungen auf der Olympic Plaza in Pyeongchang.

Da bleibt viel auf der Strecke, ein Besuch der deutschen Sportkollegen bei deren Anstrengungen, eine Medaille zu gewinnen, ist ausgeschlossen – zumindest für die Biathleten, die in 16 Olympiatagen sechs Wettkämpfe bestreiten. Ein größeres Pensum leistet keiner, lässt man Eishockey und Curling außen vor. „Wenn wir nicht TV-Streams anschauen würden, dann würden wir von den Winterspielen gar nichts mitbekommen“, sagt Dahlmeier. Einzig der Umstand, dass die Biathleten im olympischen Dorf wohnen, lässt sie wenigstens ein wenig Spiele-Flair erhaschen. So können Laura Dahlmeier und ihre Disziplinkollegen die anderen Sportler auf dem Weg in die Unterkunft oder in den öffentlichen Einrichtungen treffen.

Es bleibt beinahe nicht einmal Zeit, sich mit seinen Angehörigen zu verabreden. Die Eltern von Laura Dahlmeier hatten sich nach dem Sprint-Sieg ihrer Tochter am Samstag ins Flugzeug gesetzt und waren nach Pyeongchang gereist, doch zu einer ausgedehnten Zusammenkunft zwischen Andreas, Susanne und Laura Dahlmeier ist es bisher noch nicht gekommen. „Es war neulich und eher zufällig, als ich joggen war“, erzählt die Biathletin, „obwohl meine Eltern gar nicht mal so weit von mir weg wohnen.“

Nach dem Sieg in der Verfolgung am Montag – Mutter und Vater waren erstmals im Alpensia Biathlon Resort – hatte sie keine Zeit, mit ihnen zu reden. Die protokollarische Terminhatz war zu stressig. Eine lästige Pflicht, andererseits aber auch angenehm, weil man weiß, dass man wieder eine Medaille gewonnen hat.

Wahrscheinlich hätte Laura Dahlmeier nichts dagegen, nach dem Massenstart am Samstag (12.15 Uhr) wieder auf Odyssee durch den Mediendschungel zu gehen.