Nach dem Super-G im Alpinen gewinnt Ester Ledecka auch im Snowboard-Riesenslalom – vor den Deutschen Selina Jörg und Ramona Hofmeister

Pyeongchang - Wer auch immer diese Olympia-Klamotten entworfen hat, ihm oder ihr ist ein großer Wurf gelungen. Normalerweise haben die tschechischen Athleten und Betreuer in Südkorea obenherum Weiß getragen, doch ihre Jacken ließen sich im Fall eines Olympiasiegs flugs wenden. Dann leuchteten sie golden. So wie am Samstag. Da standen die Teamkollegen, Trainer und Techniker, die Ester Ledecka zum Parallel-Riesenslalom begleitet hatten, nach der Zieldurchfahrt der Snowboarderin auf, jubelten ihr lautstark zu. Gleichzeitig nestelten sie an ihren Jacken herum. Und schon war aus dem weißen Block auf der Tribüne ein goldener geworden. Was nur angemessen gewesen ist: Schließlich war Ester Ledecka (22) einer der Stars dieser Spiele. Manche sagen sogar: der Superstar. Weil ihr gelungen ist, was ihr so schnell niemand nachmachen wird. Wenn überhaupt.

 

Die einzige tschechische Olympiasiegerin von Pyeongchang gewann zuerst sensationell den Super-G auf Ski. Und dann auch noch den Parallel-Riesenslalom in ihrer eigentlichen Disziplin, dem Snowboarden. „Sie ist ein Jahrhunderttalent“, sagte Selina Jörg. Und Ramona Hofmeister erklärte: „Eine wie Ledecka gibt es nicht zwei Mal auf der Welt.“ Die beiden Deutschen hatten im Halbfinale und Finale gegen Ledecka verloren, jubelten aber dennoch – Jörg über Silber, Hofmeister über Bronze. Damit hatten sie mehr gewonnen als US-Ikone Lindsey Vonn im Super-G (6.), die über Ledecka aber genau so staunte: „Ich wünschte mir, ich hätte die gleiche Athletik wie sie, um von Sport zu Sport hüpfen. Ich bin nur eine gute Skirennfahrerin – und sie hat mich trotzdem geschlagen.“

Doch Ledecka ist nicht nur eine perfekte Kombiniererin, sie liebt zugleich die Show. Auch nach dem Sieg auf dem Snowboard ließ sie ihre große, verspiegelte Skibrille auf, mit dem Hinweis, morgens keine Lust zum Schminken gehabt zu haben. Ihr Vater, der tschechische Popstar Janek Ledecky, will ihr ein Lied widmen, das ihr Bruder Jonas geschrieben hat, der auch einen Comic über die Winterspiele herausgeben wird – mit seiner Schwester in der Rolle der Heldin. Gleichzeitig kokettierte Ester Ledecka damit, doch gar kein Superstar zu sein: „So fühle ich mich nicht, aber es hört sich gut an.“ Die Tschechin („Für mich gibt es keine Grenzen“) will auch in Zukunft im Weltcup abwechselnd auf dem Snowboard und bei den Skifahrerinnen antreten. Auf dem Brett dominierte sie in dieser Saison, es gab nur eine Konkurrentin, gegen die sie verloren hat: Ramona Hofmeister.

Prompt folgte von der 21-Jährigen aus Bischofswiesen eine Kampfansage: „Die Goldmedaille hätte ich hier schon gerne gehabt. Jetzt will ich Ester eben 2022 in Peking schlagen.“ Manche meinen, dass es gar nicht mehr so lange dauern wird. „Ledecka ist klar, vor wem sie Respekt haben muss“, sagte Hanns-Michael Hölz, Präsident des deutschen Snowboard-Verbandes. „Ramona weiß, wie man sie packen kann. Deswegen freue ich mich auf die nächste WM.“

Selina Jörg (30) ist dann wohl eher nicht mehr dabei. Die Sonthoferin erlebte ihre letzten Winterspiele, umso mehr freute sie sich, endlich eine Medaille gewonnen zu haben. Beim folgenden Medienmarathon sprudelte es nur aus ihr heraus. „Von mir fällt ein unglaublicher Druck ab, da ich endlich den Fluch der vierten Plätze besiegt habe“, sagte Selina Jörg, „die Farbe ist mir total egal. Silber für mich wie Gold!“

Gleichzeitig nutzte Jörg die olympische Chance, auf Missstände aufmerksam zu machen – schließlich hat sie einen Teil ihres Materials selbst finanzieren müssen. „Für das, was wir in unserem Sport verdienen, würde sich ein Fußballer nicht mal die Schuhe binden“, sagte sie, und auch zu den Skifahrern gebe es enorme Unterschiede: „Das liegt vor allem an der TV-Präsenz. Ich kann nicht nachvollziehen, weshalb die Übertragungszeiten bei uns zurückgefahren wurden.“

Es war die ideale Vorlage für ihren Präsidenten. Vor dem Parallel-Riesenslalom waren alle Snowboarder leer ausgegangen, weshalb Hölz mehr Unterstützung forderte: „Ich erwarte ganz dringend, dass die Politik endlich einhält, was sie uns seit Jahren verspricht.“ Derzeit erhalten die Snowboarder laut Hölz etwas mehr als eine Million Euro pro Jahr, nötig sei das Doppelte. Mindestens. Und natürlich geeignete Trainingsstätten. Zum Beispiel fehlt in Deutschland noch immer eine Halfpipe: „Das wäre in etwa so, als wenn die Schwimmer ohne Becken trainieren müssten.“