Italien feiert seinen neuen Sprinthelden Lamont Marcell Jacobs. Der 100-m-Olympiasieger will sich mit einem neuen Tattoo für seinen Coup belohnen.  

Tokio - Lamont Marcell Jacobs muss erst einmal nachdenken. Ein neues Tattoo soll es sein für den Sensations-Olympiasieger über 100 m, aber natürlich nicht irgendeins nach diesem schier unfassbaren Coup. „Weil ich die Goldmedaille gewonnen habe“, sagte Italiens neuer Sportheld also, „muss ich mir ein sehr gutes Tattoo einfallen lassen.“ 

 

Wie wäre es denn mit „Monster“, wie ihn die Gazzetta dello Sport am Montag nannte? Oder „Blitz“ (La Stampa), in Anlehnung an seinen Vorgänger Usain Bolt? „Ich kann es kaum erwarten, ein weiteres Tattoo für dieses sehr wichtige Ereignis hinzuzufügen“, sagte Jacobs nach seinem Triumph. Doch erst einmal muss er auf seinem muskulären Körper ja eine freie Fläche finden. Das dürfte gar nicht so einfach werden.

Plötzlich Nationalheld

Denn Jacobs hat schon jede Menge Tattoos, „Crazy Long Jumper“ steht etwa auf seiner Brust. Jetzt ist der „verrückte Weitspringer“, den bis Sonntag kaum einer kannte, doch tatsächlich Sprint-Olympiasieger geworden, hat den „Thron Seiner Majestät Bolt“ erobert (Gazzetta). In 9,80 Sekunden ließ er all den höher Eingeschätzten keine Chance.

Dabei konzentriert sich der Vater von drei Kindern erst seit 2018 auf die 100 m. Vor diesem Jahr war Jacobs die 100 m nie unter zehn Sekunden gelaufen, dann steigerte der 26-Jährige seine Bestzeit vor und während Tokio gleich um 23 Hundertstelsekunden. Das wirft natürlich auch Fragen auf in einer Zeit, in der das Anti-Doping-System wegen Corona lange brach lag. 

Keine einfache Kindheit

Jacobs, geboren in Texas/USA als Sohn einer Italienerin und eines US-Soldaten, hatte es nie einfach in seinem Leben. Er wuchs praktisch ohne den Vater auf. Als Jacobs ein Jahr alt war, zog die Familie nach Italien an den Gardasee, doch schon kurz darauf wurde der Vater vom nahen Stützpunkt in Vicenza nach Südkorea verlegt. Noch immer spricht er deshalb nur rudimentär Englisch. 

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„Das Leben von Marcell war ein großes Opfer. Er hat ohne Vater gelebt, und ich bin seine Mutter und sein Vater gewesen“, sagte seine italienische Mama, die am Gardasee ein Hotel betreibt. Jacobs wohnt mit seiner Frau und den Kindern noch immer in ihrer Nähe. Mit dem Vater hat er lange nur mithilfe des „Google-Übersetzers“ sprechen können, über Jahre hatten sie so gut wie keinen Kontakt. 

Wieder Kontakt zum Vater

„Für mich war das ein Problem“, sagte Jacobs. Ein Mentaltrainer habe ihm geraten, die Beziehung wieder aufzubauen. „Also kamen wir uns wieder näher und das gab mir die Energie und auch den Willen, alles zu tun, um es hierher zu schaffen.“ 

Eigentlich hatte Jacobs wie sein Vater Basketballer werden wollen, dann verliebte er sich in den Weitsprung und träumte in dieser Disziplin von Olympia-Gold. „Dann hatte ich ein paar Unfälle und dachte: ‚Okay, das kann ein bisschen schwieriger werden, als ich dachte“, sagte Jacobs. 

Nachfolger von Linford Christie

Gold über 100 m zu gewinnen, als erster Europäer seit Linford Christie 1992 mit der schnellsten Siegerzeit eines Sprinters, der nicht für die USA oder Jamaika lief, war sicher auch nicht einfach. 

Aber Jacobs schaffte in Tokio die Sensation. „Er hat viele Schwierigkeiten überwunden und sich alles verdient“, sagte seine Mutter, die „schon seit längerer Zeit“ behauptet, Jacobs „sei der neue Bolt. Er hat es bewiesen, er ist der Schnellste.“