Die Oberbayern stimmen darüber ab, ob man sich noch mal für die Olympischen Spiele bewerben soll. In München ist das Interesse groß. Aber in der Peripherie gibt es Zweifel.

Manteldesk: Mirko Weber (miw)

München - Anfang der Woche schaute die neue Staatskanzleichefin Christine Haderthauer, obwohl sie Hosen trug, tatsächlich aus, als habe es ihr zum jüngsten Karrieregold in die Schürze noch ein paar Perlen hinzugeschneit. Sie stand auf dem Münchner Olympiaturm neben Franz Beckenbauer, lachte ihr Fury-Lachen (das Charakterisierungscopyright liegt bei Markus Söder) und war ganz und gar überzeugt von ihrer Mission: die Olympischen Winterspiele 2022 müssten nach Bayern kommen. Wohin sonst? Alles nachhaltig organisiert, fast alles an Sportstätten schon vorhanden (was Oslo aber auch für sich anführen kann), und dann wäre da ja auch, über allem, eine historische Konstellation: Fünfzig Jahre nach den Sommerspielen 1972, den sogenannten heiteren, mit tieftragischer Attentatsnote, kämen die Spiele im Winter quasi heim. „Große Schaanse“ also wieder mal für Bayern, Weltregion mit Herz zu sein, setzte Beckenbauer hinzu. Da könne man nicht „Nein“ sagen. Aber da irrt der Kaiser, denn nun muss, inklusive aller Risiken, die demokratische Wahlen an sich haben, abgestimmt werden vom Volk – und zwar nicht nur in München, sondern auch in Garmisch-Partenkirchen und in den Landkreisen Berchtesgadener Land und Traunstein, wo die olympische Gaudi hindrängte.

 

München respektive Bayern trägt schon auch schwer an diesem dritten Anlauf zu Olympischen Spielen, denn die alten Wunden von der letzten IOC-Abstimmung 2011 (als die Spiele an Pyeongchang gingen), sind nicht ganz geheilt. Immerhin aber hat die Zentrale erkannt, dass man die Leute vor Ort schon fragen muss, ob sie auch mitzögen, und sich nicht in München wundern darf, dass nicht gleich jede Gemeinde am Alpenrand sofort Männchen macht, wenn’s angezeigt ist. Die 2018-Bewerbung war kein Glanzstück des Oberbürgermeisters Christian Ude, der heuer nach den kraftzehrenden Landtagswahlen und kurz vor dem Aus als OB in der Stadt keinen rechten Schub mehr zu geben vermag. Ansonsten verläuft die Kampagnentätigkeit für München als nochmalige olympische Stadt ein wenig querbeet: die Staatsregierung ist natürlich dafür, aber auch nur, wie Haderthauer ausdrücklich betonte, „wenn der Bürger will“. Gegen den Bürger als solchen, das ist Horst Seehofers Motto und Mantra, geht in Bayern gar nichts mehr: Sie wünschen – wir regieren. In der Art. Auch die SPD, wiewohl vom Status her nur noch Adabei-Partei im Freistaat, wäre für Olympia, wenn man sie fragte. Der Fraktionschef Markus Rinderspacher wollte ebenfalls hoch hinaus und verabredete sich zum Posieren mit dem ehemaligen Skispringer und Olympiasieger Sven Hannawald gleich auf der Schanze in Garmisch.

Zum leichten Erstaunen nicht weniger Parteigänger gibt es auch Grüne und Freie Wähler, die gerne die Spiele hätten. „Großartig“ findet die aus dem Landtag gewählte ehemalige Grünen-Spitzenfrau Theresas Schopper die Vorstellung. „Nur meckern“ gelte nicht. Derweil sieht Michael Piazolo (FW), kein unkritischer Kopf und Initiator, als es um die Abschaffung der Studiengebühren in Bayern ging, die Chance, nicht nur Bayerns Verkehrstechnik auf den neuesten Stand zu bringen. Hingegen hat sich an den Vorbehalten der Olympiagegner (Bündnis „NOlympia“) wenig geändert: Man befürchtet einen IOC-Knebelvertrag (den selbst Transpareny International „normal“ findet), unschöne Zustände aller Arten und im Grunde genommen einen finanziellen Riesenschlamassel. Bei 3,3 Milliarden Euro stehen die Schätzungen, das finanzielle Risiko liegt komplett beim Veranstalter. In Salzburg heißt es, dass man dort wisse, warum sich die Stadt nach 2010 und 2014 nicht noch einmal beworben habe.

Wird auch nur in einer der vier Regionen mit Nein gestimmt, ist das Projekt Olympia 2022 ein gestriges. Das Interesse zumindest der Münchner Bürger ist groß. Beim Kreisverwaltungsamt wurden Briefwahlunterlagen bereits in größerer Zahl bestellt als bei der Abwahl der dritten Startbahn am Flughafen im Erdinger Moos. Bis inklusive Sonntag dauert aber auch eine Initiative der Deutschen Bahn an, die in den Münchner S-Bahn-Zügen eine deutliche Durchsage hat formulieren lassen: Pro Olympia 2022! Die Leute von „NOlympia“ finden das dreist, und man mag nicht widersprechen. Andererseits ist, wer regelmäßig S-Bahn fährt, fast erleichtert, dass es  nur um Olympia geht. Normalerweise bedeuten Lautsprecherdurchsagen im Durchschnitt eine Verspätung von mindestens zwanzig Minuten. Neue Lösungen für die S-Bahn sind in den Olympiaplänen im Übrigen nicht vorgesehen.