Mit dem zweiten Triumph im zweiten Biathlon-Wettkampf in Pyeongchang verblüfft die Athletin aus Garmisch-Partenkirchen die Fachwelt erneut. Ist die 24-Jährige bald ein Fall für die Sportgeschichte?

Sport: Jürgen Kemmner (jük)

Pyeongchang - Die Biathlon-Fans müssen sich allmählich daran gewöhnen, eine Laura Dahlmeier zu sehen, die mit einer schwarz-rot-goldenen Flagge als Erste über die Ziellinie läuft. Sofern die Anhänger selbst einen bundesdeutschen Reisepass besitzen, wird ihnen diese Vorstellung nicht schwerfallen. Die Partenkirchenerin Dahlmeier hat bei ihrem zweiten Auftritt bei den Winterspielen in Pyeongchang die zweite Goldmedaille eingesteckt – am Ende des Verfolgungsrennens hatte die siebenmalige Weltmeisterin komfortable 29,4 Sekunden auf Anastasia Kuzmina (Slowakei), so dass sie sich in aller Ruhe die gereichte Deutschlandfahne schnappen konnte.

 

Das Schießen ist der Schlüssel zum Erfolg

„Ich wollte ein gutes Rennen abliefern und wieder gewinnen. Meine Strategie hat funktioniert: Ein gutes Schießergebnis war der Schlüssel zum Erfolg. Die Bedingungen waren schwierig, deshalb habe ich mir am Schießstand lieber etwas mehr Zeit gelassen“, sagte die 24-Jährige, die nicht ganz so ausgelassen jubelte wie nach ihrem Sprint-Triumph am Samstag. Zu erschöpft war sie gewesen, als „Vorsichtsmaßnahme“ sagte Dahlmeier alle TV-Termine ab. Die Kälte, so teilte der Deutsche Ski-Verband am Abend mit, zehre an den Kräften.

Als seine beste Athletin ins Ziel lief, spürte Bundestrainer Gerald Hönig viel Freude, eine ordentliche Portion Stolz sowie eine Prise Ungläubigkeit. „Ich bin fast sprachlos“, sagte der 59-Jährige, „Ich weiß nicht, wo das noch hinführen soll. Ich habe selten besseres Biathlon gesehen – Laura hat einen Wettkampf in Perfektion geboten.“ Die Oberbayerin hatte sich nur liegend einen Schießfehler geleistet, sie war kontrolliert geblieben, als Kuzmina die Lücke zu ihr geschlossen hatte – und beim dritten Schießen bot sie ein Lehrstück an Nervenbeherrschung, Fokussierung und Konzentration. Dahlmeier setzte im Schussduell alle Kugeln ins Ziel, der Slowakin zitterten vielleicht minimal die Arme, so dass sie zweimal patzte. „Genau das üben wir permanent im Training“, erklärte sie, „bei sich selber bleiben, eine nach der anderen Scheibe abarbeiten. Schön, wenn diese oft trainierte Prozedur dann auch bei einem so wichtigen Rennen klappt. Dass Kuzmina zwei Fehler hatte, habe ich erst nach dem Schießen festgestellt.“

30 Schüsse und nur eine Niete

Laura Dahlmeier hat im Sprint und im Verfolgen insgesamt 30 Schüsse abgegeben, lediglich einer verfehlte das Ziel, und das ziemlich knapp. Nahe an der Perfektion. Darüber hinaus legte sie auch eine sehr gute Laufzeit auf die Strecke. Als sie später einräumt, dass sie sich am Montag nicht ganz so gut wie am Samstag gefühlt und etwas schwere Beine gehabt habe, stellt sich nicht nur Gerald Hönig die Frage:

Wo soll das noch hingehen mit dieser unglaublichen Laura Dahlmeier?

Wo ihr Weg endet, ist noch nicht ersichtlich. Aber zweifellos befindet sich die kleine Frau vom Fuße der Zugspitze auf dem besten Weg auf den Biathlon-Olymp, den es zwar auf keiner Landkarte gibt, der aber gefühlt höher ist als 2964 Meter. Zweimal ist sie Olympiasiegerin geworden, und ihre WM-Medaillensammlung besteht aus sieben goldenen, drei silbernen und drei bronzenen Plaketten. Magdalena Neuner, ihre Vorgängerin als deutsches Biathlon-Wunder, war ebenfalls zweimal Olympiasiegerin, dazu kommen einmal Olympia-Silber sowie zwölf WM-Titel, viermal WM-Vize und einmal WM-Dritte. Mit 24!

Dahlmeier ist auf Rekordkurs

Gemäß der Arithmetik fehlen der aktuell besten Biathletin auf die einst beste Biathletin noch mindestens eine Silbermedaille bei Winterspielen sowie fünf WM-Titel und ein Vizetitel. Eine Frage der Zeit? Gerald Hönig ist insgeheim fest davon überzeugt, dass Laura Dahlmeier ihre Vorgängerin in Sachen Olympia schon in Südkorea überholen wird. „Die Spiele sind noch lang“, sagt der Bundestrainer: „Wenn ich sehe, wie sie mit diesen schwierigen Bedingungen umgegangen ist.“ Dann dürfte da noch mehr kommen, vor allem, wenn die Musterschülerin sagt, dass die Verfolgung „kein ganz perfektes Rennen gewesen ist – dazu hätte ich null schießen müssen“.

International erinnern sich die Biathlon-Freunde noch an ein paar Namen, die auch regelmäßig Medaillen bei Großveranstaltungen abgegriffen haben. Tora Berger, die Norwegerin, war zweimal Olympiasiegerin und achtmal Weltmeisterin, dazu kommen noch insgesamt je zwölf Silber- und Bronzemedaillen. Oder die Deutschen Andrea Henkel und Uschi Disl, ebenfalls mit zwei Olympiasiegen und acht WM-Titeln dekoriert (plus einige zweite und dritte Plätze). An allen anderen aus der Gilde der Skijägerinnen ist Laura Dahlmeier schon vorbeigezogen. Als ein Reporter sie bei der Pressekonferenz darüber aufklärte, dass außer ihr lediglich ein Biathlet bei ein und denselben Winterspielen Sprint und Verfolgung gewonnen hat, staunte sie nicht schlecht, als sie den Namen hörte.

Ole Einar Björndalen, einer der größten, wenn nicht der größte Biathlet der Geschichte. Wenn ein Name einmal im gleichen Atemzug mit dem Norweger genannt wird, dann gehört die Person zu den wirklichen Stars im Biathlon. Auf dem Weg in den Olymp ist die Olympiasiegerin schon längst. „Vielleicht gewinne ich ja sogar siebenmal Gold“, sagte Dahlmeier: „Ups, es sind ja nur sechs Rennen . . .“