44 Medaillen wollten die deutschen Athleten holen, 42 sind es geworden, stolze 17 aus Gold. Doch in manchen Sportarten ist der Anschluss an die Spitze verloren.

Rio de Janeiro - Wenn es ums große Ganze geht, dann kann eine deutsche Olympia-Mannschaft nicht mit den Sport-Supermächten aus den USA, Großbritannien oder China mithalten – das war schon vor den Sommerspielen in Rio klar. Wie schwer aber die Einordnung fällt, ob das deutsche Abschneiden in Brasilien nun erfolgreich, mittelmäßig oder schwach war und was daraus zu lernen ist, zeigt das Beispiel Australien ganz schön: Vor vier Jahren räumten die Aussies in London für ihre Verhältnisse ziemlich ab, kamen am Ende auf 35 Medaillen – und prompt wurde das dortige, zentral gesteuerte Fördersystem als beispielhaft angesehen. Auch für Deutschland, zumindest bekamen die Funktionäre das von Kritikern immer wieder vorgehalten.

 

Und nun, vier Jahre später? Zeigt sich die Kehrseite der Medaille. Das australische System wird, nachdem es in Rio nur noch zu 29 Medaillen gereicht hat, in Down Under in Frage gestellt. Versehen mit dem Hinweis, es doch mal mit einer föderalen Herangehensweise zu versuchen. Wie in Deutschland. Was das für die schwarz-rot-goldene Olympia-Bilanz bedeutet? So viel ist klar: einfache Antworten gibt es nicht.

Das Ziel der deutschen Rio-Mission waren 44 Medaillen. Wie 2012 in London. Nachdem die Deutschen an den ersten drei Tagen ohne Podestplatz geblieben waren und schon erste Kritik aufkam, sieht es nach einem erfolgreichen Endspurt gar nicht mehr so übel aus. 42 Medaillen sind es geworden. Darunter, was die Bilanz deutlich aufhellt, 17 aus Gold - vor vier Jahren waren es nur elf. Zufall? Vielleicht ein bisschen, aber sicher nicht nur. „Einige Verbände haben eine gezielte Projektförderung betrieben, sich auf die Topkandidaten in den jeweiligen Disziplinen konzentriert“, sagt Dirk Schimmelpfennig, Sportchef des deutschen Olympia-Teams, „das hat offenbar gegriffen.“

Zum Beispiel bei den Schützen. Der Verband stand nach London in der Kritik, weil seine Athleten nur Fahrkarten geschossen hatten. Danach begannen mit ruhiger Hand die Aufräumarbeiten. Bis in die Landesverbände hinunter wurde in jeder Waffengattung nach Athleten mit Potenzial und Perspektive gesucht, um diese gezielt zu fördern. Teilweise finanzierte der Verband Projekte aus den eigenen Rücklagen, arbeitete mit qualifizierten Disziplintrainern. Und landete damit schon in Rio mehr Volltreffer als selbst erwartet. Fünf Medaillen holten die Schützen, angepeilt hatten sie zwei bis drei. Sie trugen die deutsche Mannschaft – ebenso wie Reiter oder Kanurennsportler. Und natürlich die Mannschaftssportarten.

Viele Sportarten bleiben hinter Erwartungen zurück

Gold und Silber im Fußball, Gold für das Beachvolleyball-Duo Laura Ludwig und Kira Walkenhorst, Doppel-Bronze im Hockey, Silber und Bronze im Tischtennis, Bronze für die Handballer: „Es waren die Spiele der Spiele“, erklärte Schimmelpfennig. Was dazu führt, das rund ein Drittel der knapp 450 deutschen Athleten mit einer Medaille aus Rio zurückkehren wird. „Das ist wunderbar, denn sie verkörpern alle in ihren Heimatvereinen sowie in ihren Dörfern und Gemeinden, aus denen sie kommen, den olympischen Erfolg“, sagt Alfons Hörmann, Chef des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) – der allerdings auch die Probleme sieht. Denn viele Sportarten sind hinter den Erwartungen zurückgeblieben, darunter die beiden wichtigsten.

Leichtathleten (zweimal Gold, einmal Bronze) und Schwimmer (beste Platzierung: Rang sechs), bei denen es zusammen 81 Wettbewerbe gibt, gingen nicht nur weitgehend leer aus. „Sie haben den Anschluss an die Weltspitze verloren“, analysiert Schimmelpfennig. Wie auch die Fechter. Und bei Radfahrern sowie den Kampfsportlern wird der Abstand immer größer.

Dazu kommt, dass in vielen Bereichen die Breite fehlt. „Die Zahl der Athleten in Endkämpfen wird immer kleiner. Und die Zahl der Sportarten, die mit Athleten in Endkämpfen vertreten sind, ebenfalls“, erklärt Alfons Hörmann, „wir brauchen ein tiefgreifendes Konzept: Die Leistungsstarken und Leistungsfähigen müssen von dieser Reform eindeutig profitieren. Und von den Leistungsschwachen müssen wir wissen, ob sie zu den Leistungsfähigen aufsteigen wollen.“

Fachverbände werden genauer unter die Lupe genommen

Im Klartext: der DOSB und das Bundesinnenministerium, das rund 155 Millionen Euro pro Jahr in den Spitzensport steckt, werden künftig sehr viel genauer hinschauen, was die Fachverbände abliefern. Und wer notorisch erfolglos und nicht reformbereit ist, bekommt nur noch eine Grundsicherung. Außer er kann nachweisen, dass sein Probleme nicht hausgemacht sind.

Daran arbeiten zum Beispiel die Gewichtheber, die klarstellen, dass sie chancenlos sind, so lange in anderen Ländern hemmungslos gedopt wird. Ähnliche Argumente könnten auch Leichtathleten, Schwimmer oder Bahnradsportler anführen. Weshalb Hörmann die Welt-Anti-Doping-Agentur (Wada) deutlich dazu auffordert, endlich ihre Aufgaben zu erfüllen: „Was die Wada leistet, ist so nicht haltbar. Sie weiß, wie es geht, aber sie tut es nicht.“ Und Schimmelpfennig sagt: „Wir brauchen dringend ein höheres Niveau und eine höhere Intensität im weltweiten Anti-Doping-Kampf. Es geht um Chancengleichheit und die Glaubwürdigkeit des Sports.“ Und, sollte Doping weiter den Sport dominieren, nicht mehr darum, welches Fördersystem nun erfolgversprechender ist. Egal ob in Deutschland oder in Australien.