Die olympischen Winterspiele sind vorbei und die Bilanz für die Deutschen fällt durchwachsen aus. Während sich die Skispringer über Gold freuen, steht bei den Biathletinnen ein Trainerwechsel an.

Sport: Dominik Ignée (doi)

Sochi - Die Olympischen Winterspiele sind durchwachsen verlaufen fürs deutsche Team. Gemischte Gefühle also in einer Mannschaft mit vielen Gewinnern und Verlierern. Am Samstag reihte sich der Skirennläufer Felix Neureuther in die Riege der armen Würstchen ein, der seine Fans die gesamten Spiele über in Atem gehalten hat. Erst Unfall, dann Ausfall. „Das war die schwerste Woche meiner Karriere“, sagte der Slalomfahrer, nachdem er im zweiten Durchgang aus der Spur geflogen war. Wieder nix, wieder keine Medaille! Sein zweiter Lauf begann ja schon damit, dass er über die erste Stange gefahren war. Das sei ihm noch nie passiert, sagte der Bayer, der wie seine Mutter Rosi Mittermaier jetzt auch mal Olympiasieger werden wollte. Doch dann verließ Pannen-Neureuther am Samstagabend das Skistadion mit den Worten: „Ich brauche jetzt eine Auszeit, dann schauen wir mal, wie es weitergeht.“

 

Viel Ärger und Frust gab es auch bei den deutschen Biathletinnen. Einerseits machte die positive Dopingprobe von Evi Sachenbacher-Stehle einen Skandal (siehe auch Seite 22), zum anderen haben die Skijägerinnen in Sotschi nicht eine einzige Medaille gewonnen. „Das haben wir uns ganz anders vorgestellt“ – kein Satz fiel in Krasnaja Poljana häufiger. Nun hat auch noch Andrea Henkel aufgehört, die letzte der Golden Girls um Magdalena Neuner. Künftig muss also die Jugend um Miriam Gössner ran, die in Sotschi wegen Rückenproblemen nicht dabei war. Der Bundestrainer Uwe Müssiggang tritt zwar zurück, aber das habe nichts „mit den schlechten Ergebnissen“ zu tun, sagte der 62-Jährige. Er will im Verband eine andere Aufgabe übernehmen. Nach dem Debakel der deutschen Bob-Piloten denkt derweil auch der Bundestrainer Christoph Langen über eine berufliche Veränderung nach (siehe auch „Historischer Totalschaden“).

Auch im Eisschnelllauf gibt es keine Medaillen

Die Schmach der deutschen Eisschnellläuferinnen machte ebenso einigen Wirbel. Die deutschen Frauen verlassen zum ersten Mal seit 50 Jahren Olympia ohne Medaille. Claudia Pechstein schweigt zwar noch, weil sie Abstand gewinnen will, bevor sie ihre Sicht der Dinge schildert – aber die sensibel-aufgeregte Eisschnelllauf-Szene erwartet da eine Abrechnung. So hatte die 42-Jährige schon einmal die Überalterung der Trainerriege und die mangelnde Leistungsbereitschaft des Nachwuchses scharf kritisiert. Der DOSB-Athletensprecher Christian Breuer wollte dagegen nicht lange fackeln. Er sprach in Bezug auf das Eisschnelllauf-Theater sofort deutliche Worte. „Der Verband weiß gar nicht, welche Flächenbrände er zuerst austreten muss.“

Einen Flächenbrand kennen die deutschen Skispringer in dieser Form nicht. In den Einzelwettbewerben gewannen zwar auch sie keine Preise, doch die Goldmedaille im Teamwettbewerb machte sie alle wieder glücklich. Überwältigt vom Olympiasieg hüpften sie wie die Kinder umher. Am besten war ja: Andreas Wank, Marinus Kraus, Andreas Wellinger und Severin Freund verwiesen die Österreicher um 2,7 Punkte auf Platz zwei. „Ich bin stolz auf die Jungs“, sagte der Bundestrainer Werner Schuster. „Unbeschreiblich! Endlich Gold!“, brüllte Wellinger.

Carina Vogt holte überraschend die Goldmedaille

Seine Skisprung-Kollegin Carina Vogt hatte bestenfalls mit Bronze gerechnet – doch dann baumelte plötzlich auch um ihren Hals Gold. Dies war einer der schönsten deutschen Olympiasiege dieser Spiele. Carina Vogt ist 22, in Schwäbisch Gmünd geboren – und als sie vor der Presse saß, bekam sie erst kein Wort raus, weil sie so aufgeregt war und die Erfahrung vor so vielen Journalisten fehlte. Als es endlich besser wurde, da lieferte sie auf die Frage nach dem finanziellen Nutzen einer solchen Goldmedaille eine bemerkenswerte Antwort ab: „Es ist doch nur Sport. Und Sport soll Spaß machen, oder?“

Widerspruch war zwecklos – doch einen riesigen Spaß an ihrem Sotschi-Trip hatten auch Natlie Geisenberger, Felix Loch sowie die Doppelsitzer Tobias Arlt und Tobias Wendl. Die vier haben im Rodeln alles gewonnen, was es zu holen gab: viermal Gold. Das führte dann aber zu einem Streit zwischen dem Stützpunkt in Oberhof und der Berchtesgadener Schmiede, in der Georg Hackl an den Kufen feilt und nach dem Triumph verkündete: „Irgendwie ist das auch mein Werk.“ Da alle vier Olympiasieger am Königssee trainieren, fühlt sich die Oberhoferin Tatjana Hüfner vom Verband benachteiligt. „Natalie bekommt deutlich mehr Unterstützung“, giftete sie.

Das sind Sorgen! Da könnte Hüfner mal bei Stefanie Böhler nachfragen. Sie holte mit der Langlaufstaffel über 4 x 4,5 Kilometer nämlich eine sehr beeindruckende Bronzemedaille. Die Athletin aus dem Schwarzwald war vor zwei Jahren an Schilddrüsenkrebs erkrankt, gewann also schon vor den Winterspielen den wichtigsten Wettkampf ihres Lebens. „Ich weiß echt nicht, was hier abgeht“, sagte die Badenerin nach Platz drei und war noch etwas durcheinander. Dabei war eigentlich klar, was da vor wenigen Minuten im Laura-Stadion abgegangen war: Stefanie Böhler wurde großartig belohnt für ihren Kampfgeist außerhalb der Loipe.