Ungewöhnlich harsch nimmt sich OB Fritz Kuhn den Moderator Wieland Backes und den Architekt Arno Lederer vor. Sollten deren Pläne realisiert werden, müsse sich der Verein Aufbruch in Verein Abriss umbenennen. Und das ist längst nicht alles.

Chefredaktion : Holger Gayer (hog)

Stuttgart - Die Stadtspitze hat scharf auf die Pläne des Vereins Aufbruch zur Sanierung der Stuttgarter Oper reagiert. „Ich freue mich über jedes Engagement unserer Bürger“, sagte Oberbürgermeister Fritz Kuhn (Grüne) im Gespräch mit unserer Zeitung. Die Vorschläge des Architekten Arno Lederer und des Moderators Wieland Backes führten aber eher dazu, „dass die Oper nie saniert wird“. Auch für das denkmalgeschützte Königin-Katharina-Stift seien die Aufbruch-Ideen „brandgefährlich, weil sie fundamental alles infrage stellen, was wir bisher vereinbart haben“, so Kuhn. In den Plänen des Vereins, der sich die Neugestaltung des Kulturquartiers zum Ziel gesetzt hat, seien sowohl mit Blick auf die Kosten als auch auf die Zeitpläne der Opernsanierung mehrere Mogelpackungen zu finden, sekundierte Baubürgermeister Peter Pätzold (Grüne).

 

Die Mehrheit der Aufbruch-Mitglieder hatte in der vergangenen Woche dafür votiert, einen mit 50 000 Euro dotierten städtebaulichen Wettbewerb auszuloben, um „Alternativen zur bisherigen Planung zu zeigen“, so Lederer. Seine Skizzen sehen ein neues Operngebäude am Standort des Königin-Katharina-Stifts vor. Schüler und Lehrer des Gymnasiums sollten in die bisherige Neckar-Realschule umziehen, die mit einer großen Freifläche, der sogenannten Katharinen-Terrasse, dann an die Kulturmeile angeschlossen würde.

Der Littmann-Bau wiederum, der bisher die Oper und das Ballett beherbergt, solle nach einer Sanierung als Konzerthaus genutzt werden. Und all das sei um 180 bis 250 Millionen Euro günstiger als die bisher vorgesehenen Pläne zur Sanierung des Großen Hauses samt vorübergehendem Umzug von Oper und Ballett ins ehemalige Paketpostamt am Abstellbahnhof.

Aufbruch Stuttgart soll sich in Abriss Stuttgart umbenennen

„Mit diesen Vorschlägen müsste sich der Verein eher Abriss Stuttgart statt Aufbruch Stuttgart nennen“, konterte OB Kuhn nun die Pläne. Er betont, dass ihm der Umgang der hochgebildeten Vereinsmitglieder mit „einer der wichtigsten Schulen in unserer Stadt nicht gefällt“. Seit Lederer und Backes den Fortbestand des Katharina-Stifts im bisherigen, für etliche Millionen sanierten Gebäude infrage stellten, sänken dort die Anmeldezahlen.

Da werde Bildung gegen Kultur ausgespielt, was nicht seiner Vorstellung entspreche, so der Germanist Kuhn. Wie Bildung und Kultur miteinander harmonierten, sei gerade an der Nachbarschaft von Katharina-Stift und Littmann-Bau exemplarisch zu sehen. „Zumal das die einzigen Gebäude an der Kulturmeile sind, die den Zweiten Weltkrieg überlebt haben und heute noch so genutzt werden wie vor dem Krieg“, so Baubürgermeister Pätzold. Man stelle sich nur vor, dass nach mehr als 100 Jahren keine Oper mehr im Littmann-Bau gespielt würde. „Das würde den Stuttgartern nicht gefallen“, meint auch Kulturbürgermeister Fabian Mayer (CDU).

Der von Lederer und Backes ins Spiel gebrachte Umzug des Katharina-Stifts in die Neckar-Realschule entbehre ebenfalls jeder Grundlage. Die Bausubstanz dort sei schlecht, es gebe vor Ort kaum Ausbaumöglichkeiten für Klassenräume und, noch viel entscheidender: „Dieser Standort bietet nur halb so viel Platz wie das Königin-Katharina-Stift braucht“, sagte Mayer.

Ohne Kulissengebäude könnte keine Oper gespielt werden

Ungeklärt sei darüber hinaus, wie mit den für den Opernbetrieb unerlässlichen Werkstätten im Kulissengebäude umgegangen werden sollte. „Nur der Umzug der Oper in das Interim ermöglicht die Sanierung des Kulissengebäudes bei gleichzeitigem Weiterbetrieb der Oper“, sagte OB Kuhn. Folge man dagegen den Aufbruch-Vorschlägen, „wäre die Oper sieben Jahre lang geschlossen“.

Nähere man sich den Plänen trotz all dieser Widrigkeiten, stoße man auf weitere zeitliche Realitäten, die alles bisher Geplante in den Schatten stellten. Da das Gebäude der Neckar-Realschule Teil der Planfeststellung von Stuttgart 21 ist, sei ein Umbau der Schule erst nach Fertigstellung des Bahnhofs möglich – also nach 2025, so Mayer. Daraus folge „bis Ende 2028 Umbau, Umzug und Abbruch des Königin-Katharina-Stifts. Und bei einem Neubau eines Opernhauses anstelle des Stifts wäre mit einer Fertigstellung bis 2032 zu rechnen“. Erst danach könne mit der Sanierung des Littmann-Baus begonnen werden.

Das erste Konzert dort fände „möglicherweise im Jahr 2035“ statt, meinte Mayer – und zwar in einem Saal, der in Sachen Akustik nicht den Ansprüchen genüge, die Musiker und Publikum stellten. „Wir wollen daher ein neues Konzerthaus, das State of the Art ist“, betonte OB Kuhn. Dieses solle ebenso wie der Neubau des Linden-Museums und eines Kongresszentrums auf der Fläche entstehen, die frei wird, wenn Stuttgart 21 in Betrieb geht. Dass diese Standorte ein Stück von Oper, Staatsgalerie und Co. entfernt sind, störe ihn nicht, sagte Kuhn: „Die Kulturmeile hat nicht das Monopol auf Kultur in unserer Stadt.“