Die Golden Globes boten einen professionelle Show des Problembewusstseins. Schöne Heuchelei war auch dabei, aber auch kritische Amerikaner zeigten sich von der Rhetorik gegen sexuelle Belästiger und Machomacht angetan. Die wirkungsvollste und längste Rede durfte Oprah Winfrey halten.

Hollywood - Hoppla, hat da einer die Golden Globes etwa zu ernst genommen? „Amerika steht Kopf und ist verkehrt herum gestülpt“, kommentiert Frank Bruni von der New York Times die Verleihung der Trophäen, die mittlerweile alle anderen Filmpreise im Vorfeld der Oscars in den Schatten stellen. Und weiter: „In der Hauptstadt der Politik findet sich bedeutungsloses Posieren. In der Hauptstadt des Posierens findet sich bedeutsame Politik.“ Das alles zielt auf die Bekundungen der Stars gegen sexuelle Belästigung und eine Kultur der Opfereinschüchterung.

 

Doch halt, auch Frank Bruni glaubt nicht naiv jedes Wort und jede Geste, die da im Klima allgemeinen Kämpferinnentums risikolos präsentiert werden konnten. „Die falschen, manchmal schmerzhaften Töne von Heuchelei und unangebrachter Selbstbeweihräucherung“, schreibt der Journalist, habe er durchaus bemerkt. Und doch haben ihn wie viele andere Kommentatoren die Worte ausgerechnet der abgebrühtesten Krisenrhetorikerin des Abends, der Talkshow-Legende Oprah Winfrey, tatsächlich berührt.

All die kleinen Leute

Winfrey hat sich daran erinnert, wie sie 1964 als kleines afroamerikanisches Mädchen die Verleihung eines Oscars an Sidney Poitier im Fernsehen sah: „Noch nie zuvor hatte ich erlebt, dass ein schwarzer Mensch so gefeiert wurde“. Der Kampf gegen Zurücksetzung, Erniedrigung und Missbrauch sei aber nicht auf die Entertainmentindustrie beschränkt, mahnte die Multimillionärin. „Heute abend möchte ich mich bei all den Frauen bedanken, die Jahre des Missbrauchs und der Gewalttätigkeit ertragen haben, weil sie – wie meine Mutter – Kinder ernähren, Rechnungen bezahlen und ihren Träumen treu bleiben mussten. Die Namen dieser Frauen werden wir niemals kennen. Es sind Hausangestellte und Farmarbeiterinnen, sie stehen in Fabriken und schuften in Restaurants, sie finden sich in den Geisteswissenschaften, im Maschinenbau, in der Medizin und der Forschung, sie sind Teil der Welten von Technik, Politik und Wirtschaft, es sind unsere Teilnehmerinnen an Olympiaden und unsere Soldatinnen beim Militär.“

Man gibt sich zwar gerne mal sozial bewusst und wohltätig unter den Angesagten und Arrivierten in Hollywood. Aber so auf gleich und gleich mit dem normalen Volk hat sich die Elite des Showgeschäfts noch selten untergehakt wie in Winfreys kleiner Rede. Die schlimmsten Dramen der Traumfabrik werden so zum nur kleinen Spiegel der Alltagserfahrung all der weniger Privilegierten.

Ohne Schlingern durch die Kurve

Aber dann hat es Winfrey verstanden, aus dieser demütigen Haltung zum „Schaut auf uns! Wir sind Eure leuchtenden Vorbilder!“ umzuschwenken, ohne in der Kurve auch nur einmal zu schlingern. „Ich will, dass alle Mädchen, die uns hier und jetzt zu sehen, wissen: ein neuer Tag steht schon am Horizont. Und wenn dieser neue Tag nun endlich anbricht, dann darum, weil eine Vielzahl großartiger Frauen, von denen zahlreiche heute hier in diesem Raum versammelt sind, nebst einigen wirklich phänomenalen Männern, hart darum gekämpft haben, dass sie uns als Entscheiderinnen in eine Zeit führen, in der niemand je wieder ,Me too’ sagen muss“.

Salbungsvolle Worte, denen die Wirklichkeit fraglos ein ganzes Stück hinterher hinkt – aber für die Golden Globes ein offenbar willkommener Koffeinschub. Tiefe Demut und exaltierte Showbiz-Eitelkeit im Gesamtpaket, das hat man hier gerne. Dass Vollprofi Oprah Winfrey den Abend clever nutzen würde, hatte ja schon der Komiker Seth Meyers in seiner Begrüßungsrede klar gemacht. Da wies er schon darauf hin, dass die Frau, die von den ganzen USA nur beim Vornamen genannt wird, dass Oprah also den nach dem legendären Produzenten und Regisseur benannten Cecil B. DeMille Award für ihr Lebenswerk erhalten werde. „Was für eine Ehre“, sagte Meyers. Und fügte hinzu: „Für Cecil B. DeMille.“