Der wegen Totschlags an seiner Freundin verurteilte Oscar Pistorius wird am Dienstag aus der Haft entlassen. Als Freigänger kann er den Rest seiner Strafe in der Luxusvilla seines Onkels verbringen – oder bis zum nächsten Gerichtstermin.

Südafrika - Sektkorken werden keine knallen, wenn Oscar Pistorius am Dienstag aus dem Hochsicherheitsgefängnis freikommt und in der Luxusvilla seines Onkels in Pretoria eintrifft. Das garantieren die Bewährungsauflagen, die dem 28-Jährigen den Genuss von Alkohol verbieten. Zudem ist es möglich, dass der Ausnahmesportler bereits in zwei Wochen wieder ins Gefängnis kommt. Am 3. November wird in Bloemfontein über die von der Staatsanwaltschaft beantragte Berufung verhandelt. Dabei könnte der beinamputierte Sprinter dann nicht nur wegen Totschlags, sondern wegen Mordes an seiner Freundin Reeva Steenkamp verurteilt wird. Darauf stehen in Südafrika mindestens 15 Jahre Haft – und zwar ohne die Möglichkeit, diese in Hausarrest umzuwandeln.

 

Pistorius hatte in der Nacht zum Valentinstag 2013 seine vier Jahre ältere Freundin Reeva in der Toilette seines Hauses in Pretoria mit vier Schüssen getötet. Er habe sie für einen Einbrecher gehalten, beharrte der Angeklagte vor Gericht.

Pistorius sieht sich als Opfer seiner Prominenz und des weltweiten Interesses, das sein Verfahren ausgelöst hatte. Wäre alles nach gängiger Praxis verlaufen, wäre der Olympionike bereits vor zwei Monaten bei Onkel Arnold im noblen Stadtteil Water-kloof eingezogen: Denn das südafrikanische Strafrecht sieht vor, dass die Gefängnisstrafe eines sich gut führenden Totschlägers schon nach einem Sechstel der Zeit – in diesem Fall also nach zehn Monaten – in Hausarrest verwandelt werden kann.

Zweifel an der Unabhängigkeit der Justiz

Keiner zweifelt daran, dass sich der ohne Schienbeine auf die Welt gekommene Sportler in der Haft gut führte. Auch wenn er im Gefängnis gelegentlich mit seinem Zellennachbarn Radovan Krejcir Fußball spielte, der nach mehrfachen Ausbruchsversuchen in eine andere Haftanstalt verlegt wurde. Es gebe jedoch keine Hinweise, dass Pistorius in die Machenschaften des tschechischen Gangsterbosses eingeweiht war, teilte die Gefängnisleitung mit. Dennoch zog Südafrikas Justizminister Michael Masutha einen Strich durch Pistorius’ frühe Entlassung. Der Bewährungsausschuss habe zu früh über die Umwandlung der Haftstrafe in Hausarrest entschieden, befand der Minister. Dabei wird genau so in jährlich 15 000 Fällen entschieden.

Minister Masutha stand offensichtlich unter dem Druck der Frauenliga des regierenden Afrikanischen Nationalkongresses. Rechtsexperten sehen längst die Unabhängigkeit der südafrikanischen Gerichtsbarkeit in Gefahr: Die Politik „schleiche“ sich nicht in das Rechtswesen ein, befand der emeritierte Richter Johann Kriegler: „Sie galoppiert donnernd hinein.“

Der Freigänger Pistorius wird ab sofort entweder mit einem elektronischen Bewegungsmelder oder mit ständigen Gängen aufs nächste Polizeirevier rechnen müssen. Fest steht, dass Pistorius seine Therapie fortsetzen und soziale Arbeit verrichten muss: Er selbst, ließ er wissen, würde gerne mit behinderten Kindern arbeiten. Wie es mit seiner sportlichen Karriere weitergeht, steht in den Sternen. Zu internationalen Wettkämpfen wird er jedenfalls erst wieder nach Ablauf der fünfjährigen Gefängnisstrafe zugelassen.