Der VfB Stuttgart dient nicht nur der Volksbelustigung, sondern auch der Volksgesundheit. Alle lachen. Das ist gesund, findet unser Kolumnist Oskar Beck.

Stuttgart - Winfried Kretschmann ist neulich mit dem „Orden wider den tierischen Ernst“ behängt worden. Mit seinem unfassbaren Humor sei unser baden-württembergischer Ministerpräsident eine Leitfigur für die Politik, hieß es in der Urteilsbegründung, und in seiner Büttenrede im Aachener Narrenkäfig hat der Gelobte anschließend plausibel begründet, warum er als schwäbischer Pfennigfuchser der Einladung widerstandlos Folge leistete: „Erstens krieg i was. Und zweitens koschtet’s nix.“

 

Tränen haben alle im Saal gelacht und sich geschworen, nächstes Jahr den anderen Schwaben zu küren, der mit seinem Humor Zeichen setzt – den VfB. Auch der dient der Volksbelustigung und der Volksgesundheit. Der VfB weiß: Fußball ist Unterhaltung. Die Menschen wollen lachen.

Viele Menschen wussten bisher gar nicht, dass sie wie Pferde wiehern können. Seit zwei Wochen tut allen der Bauch weh, denn brüllend wälzen sie sich am Boden. Im Schnitt bringt der VfB jeden Deutschen zur Zeit täglich 43 Minuten zum Lachen. Forscher haben herausgefunden, dass eigentlich schon zwei Minuten Lachen für den menschlichen Körper und Geist so gesund sind wie zwanzig Minuten Joggen. Lachen lockert die Muskeln, lachen reinigt die Zähne – und dem Körper ist es egal, ob er über einen falschen Einwurf, einen guten Witz oder über den VfB-Sportchef lacht, wenn er Adenauer parodiert.

Der Adenauer-Imitator

Mit der lustigen Frage „Was geht mich mein Geschwätz von gestern an?“ hat unser unvergessener Kanzler kurz nach dem Krieg gerne kokettiert, und Michael Reschke ist als Adenauer-Imitator grandios. „Ich habe in den Trainer großes Vertrauen“, sagte er letzten Samstagmorgen über Hannes Wolf, auch am Nachmittag nach dem 0:2 gegen Schalke hielt er an diesem tief verwurzelten Vertrauen eisern fest, und alle VfB-Fans freuten sich auf eine friedliche Nacht, wie sie Peter Maffay früher voller Poesie in „Josie“ besungen hat: „Der Tag geht abends schlafen und wacht als Morgen auf.“

Das Erwachen war dann bös, aber inzwischen können wir alle wieder schallend lachen, denn Wolf hat sich offenbar selbst entlassen. Der „Kicker“ hat es verraten. In der Kabine nach dem Schalke-Spiel sagte Wolf demnach traurig zu Reschke: „Michael, wenn Ihr was anderes machen wollt, wenn Ihr das Gefühl habt, es passt nicht mehr ... Ich spüre im Moment, dass bei mir ein paar Prozentpunkte fehlen. Und ich habe totales Verständnis dafür, wenn ihr reagiert.“ Danach soll Wolf auch bei VfB-Präsident Wolfgang Dietrich angedeutet haben, dass er als VfB-Lokführer nicht mehr genug Briketts im Feuer hat für das Projekt „Stuttgart 21“ – aber zum guten Schluss immerhin tapfer angeboten haben: „Wenn Ihr wollt, gehe ich auch nochmal in das Wolfsburg-Spiel rein.“

Die höchste Stufe des Humors

Der Galgenhumor ist die höchste Stufe des Humors, und er hat mittlerweile auch die Fans am Wickel. Im Rahmen des grenzenlosen VfB-Faschings hat auf Facebook ein „Wasen-Karle Allgöwer“ mitgeteilt: „Zum Teufel mit Dietrich und Reschke, den Totengräbern des Vereins. Der Kopf beginnt am Kopf zu stinken.“ Unkommentiert hat die TV-Sendung „Sport im Dritten“ die zündende Botschaft ausgestrahlt, so dass jetzt der echte Allgöwer, das alte VfB-Idol, bei vielen als Urheber und Stinkstiefel dasteht und sagt: „Das ist nicht zum Lachen.“

Clowns wecken die Lebensgeister

Der VfB dafür umso mehr. Falls diese lustigen Wochen verfilmt werden, ergibt sich der Titel von selbst: „Die Clowns von Cannstatt.“ Clowns machen den Menschen Freude. Clowns wecken die Lebensgeister. Die Ankunft eines Clowns, hat schon im 17. Jahrhundert ein englischer Heilkundler herausgefunden, ist für die Gesundheit einer Stadt wertvoller als dreißig mit Medikamenten beladene Esel – deshalb ist dieser Tage sogar der Ex-VfB-Profi Thomas Berthold zu Wort gekommen, als „t-online“-Experte:

Frage: Der VfB-Kader ist für Sie nicht erstligatauglich?

Berthold: „Der Kader ist erstligatauglich.“

Aber warum, bohrte der andere, sagten dann viele Trainer dem VfB ab?

Berthold: „Die Trainer, die im Gespräch waren, haben sicher allesamt den Kader bewertet und wahrscheinlich bei ihrer ersten Bestandsaufnahme gesagt: Bei dem Kader habe ich vielleicht mehr zu verlieren als zu gewinnen.“

Ein lautes Helau

Im Diskussionsforum danach haben sich Leser dann weniger über die Erstligatauglichkeit von Experten totgelacht als über Bertholds Einführung als VfB-Legende – so laut fiel das Helau letztmals aus, als Ex-VfB-Torwart Eike Immel im „Dschungelcamp“ Kakerlaken fraß. Sogar Menschen, die zum Lachen in den Keller gehen, klopfen sich beim VfB auf die Schenkel. Und besonders vergnüglich finden viele den biblischen Eifer („Suchet, so werdet ihr finden“, Matthäus 7,7), mit dem der VfB zuletzt Trainer und Spieler suchte – und den Weg aus der Finsternis.

Wie sieht diese Suche aus? Die schlimmsten Spaßvögel erzählen sich vogelwilde Geschichten. Beispielsweise soll der VfB-Sportchef neulich seinen Präsidenten kriechend im Licht einer Straßenlaterne ertappt haben:

„Wolfgang, was suchst Du?“, fragte Reschke.

„Meine Blutdrucktablette“, sagte Dietrich.

„Wo hast Du sie verloren?“

„Dort drüben“, antwortete der Präsident und deutete zur anderen Straßenseite.

„Wieso suchst Du dann hier?“, staunte Reschke.

„Weil es drüben sinnlos ist“, erklärte ihm der VfB-Chef, „wie soll ich sie dort in der Dunkelheit finden?“

Erstunken und erlogen

Eine Räuberpistole, erstunken und erlogen. Aber die VfB-Gemeinde ist nur noch auf lachen gepolt und glaubt steif und fest, dass die Zwei so ähnlich den neuen Trainer gesucht und gefunden haben. „Ein Taifun fegt durchs Städtle“ – so heißt das geflügelte Wort dieser Tage, und alle VfB-Schwaben wünschen Tayfun Korkut viel Glück, vernageln aber sicherheitshalber Fenster und Türen.

Der VfB ist große Unterhaltung. Und wer die Menschen dazu bringt, dass sie Tränen lachen, endet nicht im Abstieg. Er endet in Aachen.