Amerika rüstet auf. Ganz Manhattan ist überwacht von Kameras – das Footballfinale wird zum Security Bowl, meint StZ-Kolumnist Oskar Beck.

New York - Seit Frank Sinatra „New York, New York“ sang, sind selten solche Scharen von Touristen über den Broadway und den Times Square geschlendert wie dieser Tage. Und sie ahnen gar nicht, dass ihnen auf Schritt und Tritt einer zuschaut. Man spürt so etwas nicht. Man riecht es nicht. Man hört es nicht.

 

Überwachungskameras machen nicht laut klick, sie surren nicht einmal nervtötend, wenn sie loslegen, und von den 400 000 Besuchern, die angeblich in der Stadt sind und über den „Super Bowl Boulevard“ in Manhattan bummeln, diese sich über dreizehn Straßenzüge erstreckende Fanmeile, käme deshalb keiner auf die Idee, dass ihn gerade ein Scanner unter scharfer Beobachtung hat.

New York City ist voll davon, und wir meinen jetzt nicht die Touristen, sondern die Videokameras, denn weitere 200 sind diese Woche installiert worden. Sie erfassen alles, ungewöhnliches Benehmen, herrenlose Rücksäcke, aber alles diskret. „Die meisten Vorkehrungen“, melden die Sicherheitsbehörden, „sind für die Fans unsichtbar.“

Aber dringend nötig. Denn Aaron Ford vom FBI-Büro in Newark, jenseits des Flusses, beschreibt das Kommende so: „Es ist ein weltbewegendes Ereignis. Und es ist New York.“ Also die Stadt, die weltbewegende Ereignisse anzieht, gute und böse, und die den 11. September von einem ganz normalen Kalendertag zu einem Schreckenstag machte, an dem Amerika seither jedes Jahr mulmige Gefühle hat. Am Sonntag ist nun zwar nicht der 11. September – aber der Superbowl.

Weltbewegend wie ein Endspiel um die Fußball-WM

Der Superbowl ist das Größte, fast noch bigger als der Big Apple, und kranke Köpfe könnten auf die Idee kommen, dass der Superbowl sogar größer ist, als es das World Trade Center war. Dieser große Finalsonntag im American Football, den diesmal die Denver Broncos und die Seattle Seahawks bestreiten, ist so weltbewegend wie ein Endspiel um die Fußball-WM oder eine Eröffnungsfeier bei Olympischen Spielen – und wie bei den Russen, die sich nach den jüngsten Anschlägen um Sotschi sorgen, leuchtet auch in New York und New Jersey (wo gespielt wird) die Alarmstufe ziemlich rot auf. Flughäfen, Bahnhöfe, die Kontrollen sind überall scharf, und auch im Prudential Center in Newark, beim „Media Day“, wurden die Superstars wie Denvers Quarterback Peyton Manning am Dienstag bewacht wie das Gold von Fort Knox. Superbowl?

Security Bowl.

Es gibt keine akuten Hinweise, aber weil die Bedrohung aus heiterem Himmel kommen könnte, kurvt da oben mit wachen Augen stets die Air Force, und die US-Bundesbehörden haben den Luftraum über dem dann 80 000-köpfig besetzten MetLife-Stadion in East Rutherford am Spieltag zur Flugverbotszone erklärt. Die Brücken und Tunnels am Hudson River, über den Massen von Fans hinübermüssen nach New Jersey, stehen unter schärfster Beobachtung, man weiß nie. „Es könnte ein Selbstmordattentäter sein“, sagt Ed Hartnett, ein Ex-Chef der New Yorker Polizei, „oder Bomben auf einem Lastwagen, oder es wird plötzlich geschossen wie in dem Einkaufszentrum in Kenia.“ Oder es zündet einer eine Bombe wie beim Boston Marathon.

Stoff aus der Albtraumfabrik Hollywood

Die Amerikaner können sich so gut wie alles vorstellen seit jenem 11. September, und erst recht Footballfans, die zu oft im Kino waren: In „The Sum of all Fears“, der Verfilmung eines Katastrophenromans von Tom Clancy, wird das Superbowl-Stadion in Baltimore zum Ziel einer atomaren Attacke – und im alten Superbowl-Thriller „Black Sunday“ rettet Robert Shaw im letzten Moment 80 000 Fans im Stadion in Miami vor Terroristen. Sie kommen mit einem Goodyear-Reklamezeppelin aus der Luft.

Das ist zwar nur der Stoff aus der Albtraumfabrik Hollywood, doch die Summe aller Ängste vor einem schwarzen Sonntag genügt den Amerikanern, um auf alles gefasst zu sein. Auch auf eine Cyberattacke: Computerhacker könnten die Infrastruktur im Stadion und die Kontrollsysteme für das Spiel lahmlegen, und was ein Blackout bedeutet, zeigte ein zufälliger Stromausfall beim letztjährigen Finale in New Orleans – 34 Minuten Unterbrechung. Hacker, so sagt der FBI-Mann Stephen Jones, „müssen sich durch keine Armee von Sicherheitsleuten kämpfen, sondern nur durch Firewalls“.

700 Polizisten und 3000 Mann Security rund ums Stadion

Die Armee steht trotzdem Gewehr bei Fuß. Rund ums Stadion wachen 700 Polizisten und 3000 Mann Security, an Land, zu Wasser und in der Luft. Schiffe patrouillieren, Hubschrauber kreisen, und mit den Wärmekameras, die sie an Bord haben, lassen sich sogar dunkle Gestalten aufspüren, die sich mit Tarnanzügen in der stadionnahen Marschlandschaft in den Meadowlands verstecken. Jedes Auto, das auf den Parkplatz einbiegt, wird von einem Num-merntafel-Scanner erfasst, und kein Hotdoglieferant oder Bier-Lkw kommt ans Stadion, ohne nach Waffen, Dynamit oder einer verstrahlten „Dirty Bomb“ durchsucht zu werden – schon seit Tagen prüfen Messgeräte in puncto Radioaktivität penibel die Luft über New York.

Das erweckt alles andere als den Eindruck, als seien wichtige Schutzmaßnahmen vergessen worden, und auch der FBI-Spezialagent Scott Nawrocki schläft gut vor dem großen Spiel, er hat sich zur Freude aller Amerikaner mit dem beruhigenden Satz geäußert: „Was wir machen, ist eine 24-Stunden-Überwachung.“

Die Kanzlerin Angela Merkel wird an der Stelle kurz zucken, aber dann ein Auge zudrücken: In dem Fall geht es um den Superbowl – und dann auch noch in New York.