Im Jahr 1990 gegen Holland legte Guido Buchwald dem Kollegen Jürgen Klinsmann den Ball auf. Später wurde das Gespann mit der deutschen Mannschaft Fußball-Weltmeister. Funktioniert der Trick nochmal? Übernehmen sie beim VfB das Ruder?

Stuttgart - Wenn es Menschen nicht so gut geht, träumen sie gerne von früher. Sie werden dann sentimental und singen voller Sehnsucht: „Wir wollen unseren alten Kaiser Wilhelm wiederhaben.“

 

Im Fußball ist es genauso: Wollen die VfB-Fans ihren Klinsi wiederhaben?

Gerüchte sind die Rauchfahnen der Wahrheit, sagen kluge Köpfe, und zumindest eines ist in puncto Jürgen Klinsmann sicher: Was der verlorene Sohn aus seiner kalifornischen Hängematte heraus in letzter Zeit in Interviews von sich gibt, klingt nach Heimweh und Herzblut und ist Balsam auf die wunde Seele aller geprügelten Fußballschwaben.

Während der VfB sich die Bundesliga wehrlos von unten betrachtet, schaut sich sein ehemaliger Torjäger dieses Elend seit ein paar Wochen nicht mehr untätig an, sondern sagt abwechselnd in „Bild“, der „Stuttgarter Zeitung“ oder den „Stuttgarter Nachrichten“ wehmütig Dinge, die jeden Fan wiederbeleben. Die Botschaften der alten Kanone lassen sich bündeln in dem Satz: „Mein Herz schlägt immer noch für den VfB.“

Liebeserklärung an den VfB

Diese Liebeserklärungen klingen wie Musik in den Ohren jedes schwäbischen Fußballverrückten, und wenn Klinsmann neulich nicht auch noch dazugesagt hätte, dass sein nächster Job nicht mehr unbedingt Trainer sein muss, sondern gerne auch Sportchef sein darf, könnte sich auch der VfB-Sportchef Michael Reschke beruhigt zurücklehnen. Zu allem Unglück hat Klinsmann über Reschkes jähe Entsorgung des Trainers Tayfun Korkut dann rückwirkend auch noch gebruddelt: „Wenn man genau das Gegenteil dessen macht, was man noch am Tag vorher gesagt hat, muss man sich dieser Kritik stellen – oder sich dafür entschuldigen.“ Wenn wir Klinsmann richtig verstehen, legt er dem VfB-Sportchef dringend ans Herz, beim Rauswerfen seiner Trainer künftig nicht mehr Adenauer („Was geht mich mein Geschwätz von gestern an?“) zu parodieren.

Was läuft da mit Klinsmann beim VfB? – das fragen sich plötzlich viele Neugierige. Vor allem, seit sich parallel dazu auch noch eine andere Vereinslegende aus den guten alten Tagen zu Wort gemeldet hat – und zwar so, dass schnelle Rechner jetzt nur noch eins und eins zusammenzählen.

Guido („Diego“) Buchwald ist dieser andere. Als Diego lieben ihn wir Schwaben, seit er bei der WM 1990 den gleichnamigen Halbgott Maradona entzaubert hat und Hand in Hand mit Klinsmann Weltmeister wurde. Fußballfreunde mit einem besonders intakten Gedächtnis vergessen vor allem nie ihr damaliges Achtelfinal-Duett im holländischen Strafraum: Übersteiger Buchwald, Flanke zu Klinsmann – und volley ins Tor.

Als was soll Klinsmann kommen?

Probieren die Zwei nochmal denselben Trick? Legt Guido den Ball für Klinsi 28 Jahre danach nochmal auf, im Sinne des Liedes von Britney Spears („Ooops, I did it again!“)?

Buchwald ist eigentlich keiner, der lärmend zur Attacke bläst, und als amtierender VfB-Aufsichtsrat ist er sowieso eher verdonnert zum Stillhalten – aber dann hat er plötzlich auf dem Online-Portal von Sport 1 ein paar traurige Worte verloren, mit denen er sich beim nächsten VfB-Totengedenktag als Redner bewerben kann. Erstens stört auch ihn die doppelzüngige Art des Trainersturzes, zweitens hätte er an Reschkes Stelle nicht vorzeitig Korkuts Vertrag verlängert, drittens beschreibt er die Kommunikation zum VfB-Sportchef als dürr – und viertens vollstreckt er: „Mir wäre eine breitere sportliche Kompetenz im Verein für die Zukunft sehr wichtig.“

Das alles hört sich an wie ein Ruf nach Klinsmann – denn zumindest der weiß, ob ein Fußball aus Pergamentpapier oder eckig und schwer wie ein Pflasterstein ist. Aber als was soll Klinsi kommen?

Egal, sagen viele, Hauptsache er kommt. Denn der VfB befindet sich ungefähr in einem Zustand wie vor der WM 2006 der Deutsche Fußball-Bund. Der DFB war damals scheintot wie die Nationalelf, fand aber wie durch ein Wunder den Erlöser und Problemlöser: Klinsmann. Der schwor gleich beim Amtseid: „Der Laden muss auseinandergenommen werden.“ Als rigoroser Reformer und kreativer Unruhestifter machte Klinsmann dann keine Gefangenen, mit Grausamkeiten aller Art war seine Agenda 2006 gespickt, er warf sogar die DFB-Funktionäre aus dem Speisesaal der Mannschaft, Olli Kahn aus dem Tor und Bundestorwarttrainer Sepp Maier hochkant in den Ruhestand.

Das Glück wird zur Not herbeigelacht

Als „Grinsi-Klinsi“ („Bild“) hat Klinsmann seinerzeit gezeigt, dass man die gute Stimmung und das Glück notfalls herbeilachen kann, und um ein Haar wären wir am Ende dank seiner neuartigen, bis dahin nie gesehenen Motivationsmethoden sogar Weltmeister geworden.

Vom Sommermärchen wird in den Geschichtsbüchern seither erzählt. Aber Klinsi kann auch Wintermärchen, ahnen jetzt viele VfB-Fans. Und sie können es kaum erwarten, dass er wieder alte Zöpfe abschneidet, auf dem Trainingsplatz Buddhas aufstellt, kalifornische Fitnesstrainer mitbringt und tibetanische Mönche – und als Flammenwerfer und Feuerspucker wieder die ganze Stadt und das Stadion elektrisiert wie anno ’87 bei seinem Jahrhundertfallrückzieher gegen den FC Bayern. Beim Jubeln danach ist er mit seinen Gefühlen derart Gassi gegangen, dass er fast im Wassergraben ertrank.

Das ist es, was dem VfB zur Zeit fehlt: Ein Hexer, Heißmacher, Handaufleger oder Heiland. Irgendein zündender Titel für Klinsmann würde sich schon finden.

Notfalls halt Teamchef.