Witzig? Oder zu plump? An Waldemar Hartmanns ARD-Club scheiden sich die Geister: Für die einen ist er ein lieb gewonnenes Turniermaskottchen, für die anderen eine Zumutung – seiner Popularität tut das keinen Abbruch.

Stuttgart - Was ist witzig? Keine andere Schicksalsfrage ist besser geeignet, die Nation in zwei verfeindete Lager zu spalten, jedenfalls hört der Spaß für die einen dort auf, wo sich die anderen auf die Schenkel klopfen. Da ist beispielsweise dieser Sketch im Ehebett, morgens. Tatendurstig bedrängt der Gatte seine Liebste, worauf die sagt: „Schatz, sei mir nicht bös, aber ich habe nachher einen Termin beim Gynäkologen.“ Er schaut kurz betrübt zur Decke und grübelt, dann sagt er: „Hast du auch einen beim Zahnarzt?“

 

Die einen brüllen an dieser Stelle, während die anderen entweder kopfschüttelnd die Welt nicht mehr verstehen oder diesen Witz. Das kann einem bei „Waldis Club“ nicht passieren. Den Witz von Waldemar Hartmann versteht jeder, da muss im ARD-Biergarten im Bayerischen Bahnhof in Leipzig keiner lang grübeln, Waldis Witz kommt direkt vom Stammtisch und geht schnörkellos so: „Lothar Matthäus ist heute leider nicht anwesend, weil er bei der Geburt seiner künftigen Frau dabei sein möchte.“ Und schon klopft sich der Saal auf die Schenkel, brüllt sein Trullalla in den Krug und denkt: Ja, unser Waldi, er ist der Wahnsinn!

So scheiden sich die Geister. Denn viele unter uns stehen mehr auf den schwarzen, den schrägen Humor und wissen Waldis Witz höchstens zu schätzen, wenn er unfreiwillig daherkommt – so wie damals, als der Reporter Hartmann am Boxring um den viel zu früh verstorbenen einstigen Ali-Gegner Jürgen Blin trauerte. „Ich fordere eine Richtigstellung in der ,Tagesschau‘“, tobte der Tote darauf prompt lauthals in seinem Hamburger Wirtshaus.

Waldi gehört jetzt die dritte Halbzeit

Egal. Jüngsten Schätzungen zufolge ist dieser Waldi so populär wie der, den Paulchen Kuhn einst besungen hat („Mein Dackel Waldemar und ich“) – oder wie der Dackel Waldi, der das Maskottchen der Olympischen Spiele 1972 in München war. Er zeichnet sich wie alle wahren Waldis aus durch „eine niedrige, kurzläufige, aber kompakte Gestalt“ (Lexikon), und dass er nur zwei Beine hat, nimmt ihm niemand übel – vielmehr tut er allen rückwirkend immer noch leid wegen der Sache mit Rudi Völler, der ihn damals in seiner Wutrede auf Delling und Netzer mit in die Sippenhaft nahm und vogelwild anpflaumte: „Du sitzt hier bequem auf deinem Stuhl, hast drei Weizen getrunken und bist schön locker.“

Jetzt sitzt Waldi wieder bequem, in der dritten Halbzeit nach den EM-Spielen, hat womöglich sogar vier Maß intus und ist noch lockerer – denn wie hat er neulich erzählt: „Ich stehe nicht mehr am Spielfeldrand und befrage die kurzhosigen Menschen, von denen ich sowieso immer die gleichen Antworten kriege.“ Stattdessen sitzt er jetzt in Leipzig vor seinem Bierkrug und den Brezeln und Knackwürsten, die keiner isst, und befragt den langhosigen Frank Elstner, von dem er nach dem zittrigen 2:1 gegen die Dänen dann die Antwort kriegt: „Wir haben heute eine der besten Nationalmannschaften aller Zeiten gesehen.“

Der Saal, der mit einem begeisterten Grölen normalweise nur ungern geizt, hat ausnahmsweise betreten geschwiegen, und Stefan Kretzschmar, der schrille Handballer, sogar spontan mit einem Gesicht reagiert, das ungefähr sagte: Hei, Opa, darf ich dir nachher über die Straße helfen? Trotzdem hat auch Kretsche vor dem Viertelfinale keinen Bammel: „Wir kommen kampflos weiter – die Merkel sorgt vorher schon dafür, dass die Griechen aus dem Euro fliegen und aus der EM.“

Waldis Flügelzange muss auch aufpassen

Manchmal passen die Gäste fast nicht zu Waldi. Auch Campino war neulich witzig. Als der Komödiant Matze Knop als verlängerter Arm Waldis („Meine Flügelzange“) und dessen Bruder im Geist seine alte Sehnsucht nach mehr „Typen“ im deutschen Team („Früher gab es Mario Basler, der auch mal ein paar Dinger rausgehauen hat“) wieder einmal humorlos erneuerte, hat der Frontsänger der Toten Hosen die Frontsau gemacht, das Gesicht verzogen, das Querulantentum als grundsätzliche Voraussetzung für den EM-Sieg angezweifelt – und im Rahmen des Befreiungsschlags nach dem Barkeeper gerufen. So reduziert sich alles immer wieder auf die Niveaufrage – auch Campinos Sommerhit „Tage wie diese“ spielt in einer anderen Liga als „Die Besten in Europa“, gesungen von Matze Knop und Waldi Hartmann, der beim Betrachten des Videos zugab: „Ich mache mich dabei zum Vollhorst.“

Matze muss aber auch aufpassen. Früher ist er in „Waldis Club“ als grandioser Beckenbauer-Imitator immer mal wieder rettend in die Runde geplatzt. Heute ist er immer da und macht jeden nach und immer öfter bis dicht an den Rand des komödiantischen Offenbarungseids. Wenn er den Klinsmann nicht „noi“, sondern „nee“ sagen lässt, den Jogi nicht richtig hinkriegt und seine Klopp-Parodie in westfälischer Mundart vorträgt und völlig versaut, müsste Waldi seine Show wegen Tonstörung eigentlich unterbrechen – jedenfalls haben sich bereits Scharen von Schwaben mit dem Kopf voraus in den Bildschirm gestürzt, und Hansi Müller und Fredi Bobic sollen als Stammtischgäste verzweifelt gerufen haben: Wo ist der Notausgang?

Jetzt fehlen nur noch Altherrenwitze

Sicherheitshalber ist Waldi für diese Frage immer gewappnet – bei seinem unvergessenen ARD-Olympiaclub in Peking hat er den geordneten Fluchtweg seinen Zuschauern vor der Sendung laut „Bild“ einmal narrensicher so erklärt: „Die rettende Tür soll zuerst von den jungen Frauen, dann vom Rest und zuletzt von den Hartz-IV-Empfängern aufgesucht werden.“

Was wir bei der EM jetzt noch ein bisschen vermissen, ist der eine oder andere Altherrenwitz, wie ihn Waldi früher mit dem bekannten Wetterfrosch Kachelmann gerne einmal ausgetauscht hat, doch was uns diesbezüglich Hoffnung macht, war dieser Tage sein Satz: „Manchmal gucke ich immer noch Frauen nach – weiß aber meistens nicht mehr warum.“ Da helfen wir Waldi gerne auf die Sprünge – und verweisen auf den fragwürdigen Witz vom Anfang.