Am Dienstag entscheidet sich, ob der ehemalige Osmanen-Chef Mehmet Bagci aus der Untersuchungshaft entlassen wird. Der Prozess in Stuttgart gegen die Anführer der türkischen Bande zieht sich bis Mai 2019.

Stuttgart - Langsam geht es beim Mammutprozess gegen acht teils führende Mitglieder des türkischen Rockerclubs Osmanen Germania ans Eingemachte. Doch schon jetzt ist klar: Das Verfahren wird sich in die Länge ziehen, der Richter Joachim Holzhausen hat bis Mai 2019 weitere Termine angesetzt. So soll unter anderem der laut Ankläger an vielen Aktionen beteiligte, ehemalige Stuttgarter Vizepräsident Mustafa Kilinc vernommen werden, der sich derzeit in der Türkei aufhält.

 

Ursprünglich sollte das Verfahren bis Januar abgeschlossen sein. Der wichtigste Angeklagte, Mehmet Bagci, der 46-jährige Gründer der Osmanen Germania, könnte das Urteil jedoch als freier Mann erleben. Denn Bagci, der wie die meisten Anführer der nationaltürkischen Bande im August 2017 verhaftet wurde, könnte einen Fehler der Polizei für sich geltend machen. Bei einem Treffen im Juli soll er sein Handy Polizisten gegeben haben, um Chatverläufe, Fotos und Audionachrichten zu übergeben. Rechtlich darüber belehrt, dass dies für ihn zu strafrechtlichen Ermittlungen führen könnte, wurde er indes erst Tage später. „Mach’ dir keine Sorgen, du bist in der Sache nur Zeuge“, soll man Bagci gesagt haben. Am Dienstag will das Gericht mitteilen, ob wegen dieses Fehlers der Haftbefehl gegen Bagci aufgehoben wird.

Der prominenteste Aussteiger sagt aus

In dem Prozess, bei dem den acht Angeklagten versuchter Mord, Menschenhandel und exzessive Gewalt vorgeworfen wird, steht zudem der prominenteste Osmanen-Aussteiger im Mittelpunkt: Cebrail Kaya, genannt „Cebo“. Er hat sich schon für das RTL-Magazin Stern-TV filmen lassen und im Fernsehen erklärt, er habe keine Angst vor Racheaktionen seiner Ex-Brüder.

Dabei hätte er die letzte Begegnung mit ihnen fast nicht überlebt – so wird es in der Anklageschrift geschildert. Cebo war Waffenmeister des Chapters Wuppertal und wollte den Club verlassen – dafür soll ihm eine Austrittsgebühr von 7000 Euro abverlangt worden sein. Dies lehnte er ab, worauf es am Platz der Republik in Wuppertal am 12. Juni 2017 zu einem Kampf von 19 Osmanen gekommen sein soll.

Auf der Gegenseite soll der Stuttgarter Präsident Levent Uzundal die Befehle gegeben haben, der auch Waffenmeister der Gesamtorganisation der Osmanen war. Die Polizei beschlagnahmte Teleskopschlagstöcke und Äxte – in letzter Sekunde entkam Cebo, er soll die Ordnungshüter selbst eingeschaltet haben.

Was kann den Chefs Mehmet Bagci und Selcuk Sahin nachgewiesen werden?

Wie in anderen Fällen stellt sich die Frage, ob die Führung der Osmanen um Präsident Mehmet Bagci und sein Vize Selcuk „Can“ Sahin von der Aktion wussten. Dies wird immer mehr zum Kernstück des Verfahrens, das im Hochsicherheitstrakt der Justizvollzugsanstalt Stammheim stattfindet. Während für die unteren Ränge oder die Mitläufer sowie den Stuttgarter Präsidenten Levent Uzundal vor Gericht viele belastenden Aussagen und Indizien aufgeboten werden, ist die Beauftragung oder direkte Beteiligung der Ober-Osmanen ungleich schwerer nachzuweisen. Das zeigt die Diskussion um eine kleine Begebenheit: So soll Mehmet Bagci laut Aussage eines hessischen Polizisten den Gießener Osmanen-Präsidenten Celal Sakarya bedroht haben – das Opfer einer tagelangen Gewaltorgie in Herrenberg. Vor Gericht und gegenüber der Presse hat Sakarya betont, dass die beiden friedlich nebeneinander auf dem Sofa saßen, als Sakarya von der angeblichen Bedrohung erzählt haben soll.

Eher positiv wird auch die Rolle von Bagci und Sahin in der frühen Gründungszeit der Osmanen Germania in Frankfurt dargestellt. Ein hessischer Polizist berichtet, er habe einen konstruktiven Umgang mit den beiden gepflegt: „Wenn es Probleme gab, habe ich mich an sie gewandt. Dann wurden die Probleme abgestellt.“ Wenn etwa ein Osmanen-Anhänger bedroht worden sei, hätten Bagci und Sahin zugesagt, den Konflikt zu lösen: „Das hat dann auch geklappt. Sie wollten Ärger vermeiden.“