Kommunen müssen darauf reagieren, dass schwere Lehmböden die Zersetzungsprozesse auf Friedhöfen verzögern. Dadurch sind Leichen oft nur teilweise verwest. Die Stadt Ostfildern hat deshalb ihre Friedhofssatzung geändert.

Ostfildern - Für Mitarbeiter von Friedhöfen sind es manchmal grausige Erlebnisse, wenn sie ein Grab nach vielen Jahren räumen und die Leiche nur teilweise verwest ist. Dieses Problem betrifft vor allem Gottesäcker im Süden Deutschlands, denn die lehmhaltigen, verdichteten und sauerstoffarmen Böden sind zwar gut für den Weinbau, aber ungünstig für das Bestattungswesen. Denn sie konservieren die Toten zu sogenannten Wachsleichen. Die Stadt Ostfildern hat darauf reagiert und bietet auf ihren Friedhöfen künftig keine doppeltiefen Familiengräber mehr an. Dieser Entscheidung liegt ein von der Verwaltung in Auftrag gegebenes, bodenkundliches Gutachten zugrunde, wonach der Verwesungsprozess umso langsamer verläuft, je tiefer der Verstorbene bestattet wird.

 

Ins Erdreich muss mehr Sauerstoff

Künftig werden auf den Friedhöfen in Ostfildern Angehörige nur noch in sogenannten doppelbreiten Gräbern nebeneinander beerdigt. Das bedeutet, dass die Särge nur noch auf eine Tiefe von 1,60 Meter statt 2,40 Meter eingelassen werden. Jüngst hat der Gemeinderat diesbezüglich die Friedhofssatzung geändert. Denn das Gutachten spricht eine deutliche Sprache. In dem lehmhaltigen Boden staue sich Nässe an, die der Sarg aufnehme, heißt es da. Dadurch würden die Sauerstoffzufuhr und letztlich die Verwesung verhindert. Zudem erschwerten sich nicht zersetzende Sargausstattungen und Folien sowie Pietätswäsche aus Kunstfasern zusätzlich die Sauerstoffzufuhr und den Abfluss des Wassers.

Darauf müsse die Stadt reagieren, sagt Stephanie Wunderle, die Leiterin des Fachbereichs Bürgerservice, wenngleich die Bodenqualität nicht überall gleich ungünstig sei. Doch nach dem baden-württembergischen Bestattungsgesetz „muss das Erdreich auf den Friedhöfen für die Verwesung geeignet sein“. Um mehr Sauerstoff in die Gräber zu bekommen, wird Stephanie Wunderle zufolge bei Erdgräbern außerdem die Bodendeckschicht in Abstimmung mit dem Regierungspräsidium Stuttgart von bisher mindestens 90 auf künftig 70 Zentimeter reduziert.

Die Probleme der zu langsamen Verwesung bei Gräbern – die gesetzliche Mindestruhezeit beträgt 15 Jahre – betreffen freilich nicht nur die Stadt Ostfildern. Thomas Zink, der Leiter des Esslinger Friedhofs- und Bestattungswesens, erklärt, damit seien viele Stadt- und Gemeindeverwaltungen im Süden der Republik konfrontiert.

Bei den „lockeren Sandböden“ in Norddeutschland sei das „weniger ein Problem“, sagt Thomas Zink. Mitunter wiesen Bestattungsflächen, wie beispielsweise der zentrale Ebershaldenfriedhof in Esslingen, unterschiedliche Bodenbeschaffenheiten auf. Dort sei das Erdreich im unteren Bereich eher schwer, hangaufwärts werde es aber immer lockerer. Das liege daran, dass auf der ehemaligen Halde der Erdaushub von verschiedenen Baugruben der Stadt aufgeschichtet worden sei.

„Es bleibt alles auf dem Friedhof“

Aber nicht nur lehmhaltige, sauerstoffarme Böden werfen laut Thomas Zink Probleme für das Bestattungswesen auf. Lägen Friedhöfe in Flussauen werde der Verwesungsprozess durch den hohen Grundwasserstand behindert. Im Esslinger Stadtteil Berkheim wiederum mache der felsige Untergrund zu schaffen. Dort stoße man beim Ausbaggern doppeltiefer Gräber immer wieder an Grenzen. Angehörigen würden deshalb stattdessen doppelbreite Ruhestätten ohne einen Gebührenaufschlag angeboten.

Der stark verzögerten Verwesung aufgrund ungeeigneter Böden versuchen einige Städte zu begegnen, indem sie die Ruhezeiten und damit auch den Zersetzungsprozess verlängern. Stoße man beim Räumen alter und dem Anlegen neuer Gräber auf Wachsleichen, würden die sterblichen Überreste pietätvoll behandelt, erklärt eine Mitarbeiterin der Esslinger Friedhofsverwaltung. Diese würden dann tiefer im Erdreich der Grabstelle bestattet. „Es bleibt alles auf dem Friedhof.“