Der 16-jährige Schüler aus Ostfildern-Nellingen zählt zu den hoffnungsvollsten Nachwuchstalenten im Lager der deutschen Rollstuhlfechter. Er ist Weltmeister in seiner Altersklasse und mischt national bereits bei den Erwachsen vorne mit.

Esslingen/Ostfildern - Der Klang der aneinander schlagenden Florettklingen hallt klirrend durch die Sporthalle im Esslinger Stadtteil Weil. Felix Schrader wehrt einen Angriff seines Gegenüber geschickt ab, um seinerseits blitzschnell zuzustoßen und einen Treffer auf der Fechtjacke seines Trainingspartners Florian Lushaj zu setzen. Die beiden Musketiere von der Fechtabteilung der Sportvereinigung 1845 Esslingen können ihre Finten oder Paraden nicht mit weiten Ausfallschritten oder flinken Steps unterstützen, denn sie sitzen während des Gefechts im Rollstuhl. Sie reagieren und agieren allein aus der Beweglichkeit ihrer Oberkörper heraus, mit der Kraft ihrer Rumpfmuskulatur sowie mit einer Reaktionsschnelligkeit, die das Auge kaum nachzuvollziehen vermag. Hinzu kommt eine ungeheure Präzision beim Führen der Sportwaffe.

 

Bei der Deutschen Meisterschaft weit vorne

Dem 16-jährigen Felix Schrader aus Ostfildern-Nellingen gelingt das besonders gut. Der Jugendliche, der von Geburt an durch eine inkomplette Querschnittlähmung gehandicapt ist, ist im vergangenen Februar in den Vereinigten Arabischen Emiraten in der Klasse der unter 17-Jährigen Weltmeister mit dem Florett und Vize-Weltmeister mit dem Degen geworden. Erst am vergangenen Wochenende hat er bei der Deutschen Meisterschaft im niedersächsischen Buchholz mit zwei dritten Plätzen bei den Erwachsenen und zwei zweiten Plätzen in der Klasse der unter 23-Jährigen überzeugt – gegen Fechter, die älter und erfahrener sind.

In den vergangenen Jahren – im Alter von neun Jahren war er vom Rollstuhlbasketball zum -fechten gewechselt – hat sich seine Leistungskurve stramm nach oben entwickelt. Diese Richtung hält nach Ansicht seiner Trainerin Yuliya Aseyeva, eine ehemals international erfolgreiche ukrainische Spitzenfechterin, auch weiterhin an. Sie traut ihrem Schützling durchaus den Sprung zu den Paralympischen Spielen zu – vielleicht schon im Jahr 2024 in Paris.

Teilnahme an den Paralympics ist das Fernziel

Soll er selbst seine sportlichen Ziele definieren, hält sich der Zehntklässler des Ostfilderner Heinrich-Heine-Gymnasiums eher zurück. Zunächst wolle er im nächsten Jahr seinen WM-Titel verteidigen, sagt er. Zudem stehen einige nationale und internationale Wettkämpfe an, bei denen er vorne dabei sein will. Zu behaupten, er könne mit seinen fürs Rollstuhlfechten idealen Veranlagungen und seinem gesunden Ehrgeiz auch als Erwachsener einmal in der internationalen Elite mitmischen, würde der bescheidene 16-Jährige nie behaupten. „Man sagt, er habe das Talent“, springt ihm da seine Mutter Kathrin Schrader zur Seite – wohlwissend, dass Rollstuhlfechter aus Italien, Großbritannien, Frankreich oder Russland weit idealere Voraussetzungen für eine Förderung ihrer sportlichen Ambitionen besitzen. Aber für das paralympische Jugendlager habe sich ihr Sohn schon angemeldet. Unterstützt wird Felix Schrader von der Kreissparkasse Esslingen-Nürtingen. Er ist einer von sechs Sportlerinnen und Sportlern, die dem Förderkader der Bank angehören. Aus diesem Topf werden ihm zufolge seine Fechtwaffen und sein speziell angefertigter Rollstuhl finanziert.

Die Konkurrenz sei ebenfalls bereits auf ihren Sohn aufmerksam geworden, berichtet Kathrin Schrader schmunzelnd. Russische Trainer hätten dessen international geführten Gefechte gefilmt, um sich später mittels Videoanalysen möglichst auf den potenziellen Gegner aus Deutschland einstellen zu können – sie scheinen das Nachwuchstalent aus Ostfildern als potenziellen Siegfechter auf dem Schirm zu haben. Felix Schrader, der im Alltag meist mit zwei Beinschienen zu Fuß unterwegs ist, hätte nichts dagegen, wenn sie recht behielten. Bis dahin gelte es, weiterhin konsequent zu trainieren – idealerweise hat er in seinem Verein mit Florian Lushaj und Nils Neumann gleich zwei Trainingspartner.

Rollstuhlfechter sind „die ganze Zeit aktiv“

Der 16-Jährige weiß, worauf es beim Fechten im Allgemeinen und beim Rollstuhlfechten im Besonderen ankommt und was für ihn die Faszination für diesen Sport ausmacht: „Man muss nicht nur schnell sein, sondern während des Gefechts gedanklich schon den nächsten Angriff vorbereiten.“ Zudem könne man sich als „Rolli-Fechter“ im Gegensatz zum nicht behinderten Sportler nicht Luft verschaffen, indem man auf der Planche zurück weiche. Durch den fixierten Rollstuhl und den vorgegebenen Abstand zum Gegner müsse man „die ganze Zeit aktiv sein“.

Felix Schrader hat nicht nur von seiner sportlichen Karriere eine klare Vorstellung. Nach dem Abitur möchte er Luft- und Raumfahrttechnik studieren. Auch dabei kommt es auf Präzision an.