Hält die Waffenruhe in der Ostukraine? Kremlchef Putin und der ukrainische Präsident Poroschenko zeigten sich zufrieden. Am späten Samstagabend jedoch gab es Berichte über Detonationen bei Mariupol in der Ostukraine.

Donezk/Moskau - Die Separatisten in der Ostukraine haben den Regierungseinheiten erneut einen Verstoß gegen die vereinbarte Feuerpause vorgeworfen. Stellungen nahe Mariupol seien unter Feuer genommen worden, teilten die Aufständischen am späten Samstagabend mit. Bewohner der strategisch wichtigen Hafenstadt am Asowschen Meer berichteten örtlichen Medien zufolge von Schüssen und Detonationen.

 

Details waren zunächst nicht bekannt. Die prowestliche Führung in Kiew hatte betont, die Waffenruhe einzuhalten. Auch Kremlchef Wladimir Putin und der ukrainische Präsident Petro Poroschenko hatten bei einem Telefonat insgesamt eine Besserung der Lage festgestellt.

Die prorussischen Aufständischen begannen der Regierung zufolge am Samstag mit der Freilassung von Gefangenen. Mehrere Soldaten seien in der Nähe der Separatistenhochburg Lugansk übergeben worden, sagte Poroschenkos Sprecher Swjatoslaw Zegolko in der Hauptstadt Kiew.

Die prowestliche Führung der Ex-Sowjetrepublik will ihrerseits vermutlich am Montag erste Gefangene freilassen. Die Aufständischen haben Schätzungen zufolge etwa 1000 Soldaten in ihrer Hand, die Regierungstruppen demnach etwa 200 moskautreue Kämpfer.

Die Feuerpause ist nach Einschätzung des Roten Kreuzes noch nicht völlig stabil. Die Organisation habe am Morgen Lastwagen mit humanitärer Hilfe in die Separatistenhochburg Lugansk geschickt, wegen Granateneinschlags hätten die Fahrzeuge aber umdrehen müssen, teilte das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) per Twitter mit.

Rote Kreuz fordert strikte Einhaltung der Waffenruhe

Das IKRK rief die Konfliktparteien zur strikten Einhaltung der Waffenruhe auf. „Hilfe ist sehr nötig in der Ostukraine. Wir müssen sie in Sicherheit liefern können, sobald wie möglich“, hieß es. Zehntausende Einwohner von Lugansk müssen seit einem Monat ohne fließendes Wasser auskommen. Bei monatelangen Kämpfen in der Ostukraine waren etwa 3000 Menschen getötet worden.

Russland kündigte für den Fall neuer EU-Strafmaßnahmen eine Reaktion an. „Sollte die neue Liste der Sanktionen der Europäischen Union in Kraft treten, wird es zweifellos eine Reaktion von unserer Seite geben“, warnte das Außenministerium. Die EU sende mit der Drohung ein Signal der Unterstützung für die „Kriegstreiber“ in Kiew.

Der Westen wirft der Regierung in Moskau vor, die Aufständischen in der Ostukraine zu unterstützen. Die Botschafter der 28 EU-Mitgliedsländer hatten sich am späten Freitagabend in Brüssel auf ein neues Sanktionspaket geeinigt. Moskau hat seinerseits einen Importstopp für einige EU-Waren verhängt und zuletzt ein Überflugverbot für ausländische Fluglinien erwogen.

Als Konsequenz aus der Krise setzt die Nato erstmals seit Ende des Kalten Krieges wieder auf das Prinzip Abschreckung. Die 28 Nato-Staats- und Regierungschefs beschlossen auf ihrem Gipfel den sogenannten Readyness Action Plan (sinngemäß Plan für höhere Bereitschaft). Er soll die Sicherheit der Partner in Ost- und Mitteleuropa stärken, die sich von Russland bedroht fühlen.

Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International warf den Konfliktparteien schwere Verstöße vor. „Alle Seiten in diesem Konflikt haben Missachtung für das Leben von Zivilisten gezeigt und verletzen eklatant ihre internationalen Verpflichtungen“, teilte Generalsekretär Salil Shetty mit. Amnesty-Helfer hätten in der Ostukraine Fälle von willkürlichem Beschuss, Entführungen und Morde dokumentiert. Die Verbrechen würden sowohl von prorussischen Separatisten als auch von Milizen aufseiten der Regierung begangen. Die Regierung in Kiew müsse die Täter zur Rechenschaft ziehen.