Kardinal Philippe Barbarin, der Erzbischof von Lyon, soll mehrere Pädophilen-Affären seiner Priester vertuscht haben. Jetzt mischt sich die französische Regierung ein. Der Kardinal vermutet politische Motive.

Korrespondenten: Stefan Brändle (brä)

Lyon - Kardinal Philippe Barbarin gilt als der höchste Würdenträger der französischen Kirche. Der 65-jährige Erzbischof von Lyon trägt zugleich den aus dem Mittelalter stammenden Titel Primas von Gallien. In Frankreich ist er als „Monseigneur 100 000 Volt“ bekannt, da er ebenso schnell zu sprechen wie zu agieren versteht.   In einer Hinsicht soll Barbarin allerdings sehr langsam oder gar nicht gehandelt haben. Von mehreren Seiten wird ihm vorgehalten, er habe lange Zeit pädophile Geistliche im Amt belassen.

 

Ein 55-jähriger Priester seiner Diözese soll zwischen 1986 und 1991 mehrere Pfadfinder sexuell missbraucht haben. Die Opfer verstehen nicht, warum er von seiner Hierarchie nicht seines Amtes enthoben wurde, ist er doch geständig und Gegenstand eines Ermittlungsverfahrens.   Brisanter ist, dass die französische Justiz auch ein Vorverfahren wegen des Nicht-Anzeigens sexueller Angriffen auf Minderjährige lanciert hat. Barbarin ist nicht direkt im Visier, doch betrifft der Fall seine Diözese.

Premierminister fordert Rücktritt

Der Kardinal hatte zum Wochenbeginn bei einer Pressekonferenz in Lourdes mit Nachdruck betont, er habe „nie pädophile Akte gedeckt“. Zugleich musste er zugeben, dass er bereits seit 2007 von den Vorwürfen gegen den fehlbaren Geistlichen wusste. Premierminister Manuel Valls erklärte darauf, Barbarin müsse „seine Verantwortung wahrnehmen“. Damit kann nur der Rücktritt gemeint sein.  

Fast zeitgleich wurde diese Woche ein zweiter Kirchenskandal bekannt, in den Barbarin verwickelt ist. Der Kardinal soll einen Priester im Amt belassen haben, obwohl er auch in diesem Fall wusste, dass dem Geistlichen sexueller Missbrauch vorgeworfen wird. Der Pfarrer soll 1990 in den Ferien im südwestfranzösischen Biarritz auf einen damals 16-Jährigen masturbiert haben. Das Opfer wollte 2009 Klage einreichen, diese war aber bereits verjährt. Der heute 42 Jahre alte Kläger, ein ranghoher Ministeriumsbeamter, wandte sich darauf an Barbarin, doch dieser unternahm nichts. Heute rechtfertigt Barbarin diese Passivität mit dem Hinweis auf eine Rechtsauskunft aus dem Vatikan, der ihm mitgeteilt habe, bei Verjährung sei keine Amtsenthebung nötig.

Klage gegen den Kardinal eingereicht

Das Opfer hat nun aber Klage gegen den Kardinal wegen „Gefährdung seiner Gesundheit“ eingereicht.   Die Regierung hält den Druck auf den Kardinal ihrerseits aufrecht: Am Donnerstag verlangte die Staatssekretärin für Opferfälle, Juliette Méadel, erneut Barbarins Demission. „Nicht in der Lage zu sein, um Verzeihung zu bitten, ist nicht sehr christlich“, sagte sie im Radio. Barbarins Anwalt hält dagegen, die Affäre werde „politisiert“. Sein Klient war 2013 gegen die von Präsident François Hollande eingeführte Homo-Ehe eingetreten.

  Am Donnerstag brach in Lyon eine dritte Kirchenaffäre neu auf. Sie dreht sich um einen Priester, der 2007 wegen „sexueller Aggression“ zu 18 Monaten Haft auf Bewährung verurteilt worden war. Er bestreitet die Vorwürfe, und Barbarin hatte ihn 2013 wieder in den Dienst aufgenommen. Um weiteren Vorwürfen entgegenzutreten, suspendierte ihn die Diözese von Lyon am Donnerstagabend bis auf weiteres.   Der Druck auf Barbarin bleibt bestehen. In einer Medienumfrage erklärten 67 Prozent der Befragten, der Papst sollte den Kardinal im Amt suspendieren. Dieser hat mittlerweile zu seiner Verteidigung einen bekannten Anwalt und einen Berater für Krisenbewältigung engagiert.