In der deutsch-französischen Grenzregion zwischen Saar und Mosel gelten nun harte Corona-Regeln auch für Berufspendler. Für viele Menschen wird das Leben nun sehr kompliziert.

Korrespondenten: Knut Krohn (kkr)

Forbach - Schon nach wenigen Stunden ist der Ablauf Routine. Wartende Autos einweisen, Personalien der Personen kontrollieren, Test durchführen, das Datenblatt mit einem QR-Code übergeben und schon rollt das Fahrzeug wieder vom Hof des Technischen Hilfswerks in Saarbrücken direkt an der deutsch-französischen Grenze. Thilo Ziegler ist sehr zufrieden. „Die gesamte Prozedur dauert nur wenige Minuten, Getesteten erhalten das Ergebnis so schnell wie möglich über den personalisierten QR-Code, den sie mit dem Smartphone einscannen können oder auch per Mail“, erklärt er. Über 100 Corona-Tests können auf diese Weise pro Stunde durchgeführt werden.

 

Ein Testzentrum in drei Tagen aufgebaut

Im normalen Leben veranstaltet der Mann Rockkonzerte und hätte sich nie träumen lassen, eines Tages ein Corona-Testzentrum zu managen. „Wir haben die technische Infrastruktur und das Know-how, solche Abläufe zu organisieren“, sagt Thilo Ziegler, der mit seinen Mitarbeitern das Testzentrum an der Grenze in drei Tagen aus dem Boden gestampft hat. Weil er bereits für einige private Firmen in der Gegend ähnliche Anlagen betreibt, kamen die verantwortlichen Politiker der Region auf ihn zu.

Der Grund: das Robert-Koch-Institut hat den französischen Verwaltungsbezirk Moselle zum „Virusvariantengebiet“ erklärt, weil dort die hoch ansteckende Mutante aus Südafrika grassiert. Das heißt konkret, dass französische Grenzgänger für eine Fahrt nach Deutschland seit Dienstag einen negativen Corona-Test vorlegen müssen, akzeptiert werden PCR- oder Schnelltests. Beide dürfen allerdings nicht älter als 48 Stunden sein. Da diese strikte Regelung ausdrücklich auch für die rund 16 000 Berufspendler in der Region gilt, sind die benötigten Testkapazitäten natürlich enorm.

Das Leben wird nun sehr kompliziert

„Für uns Grenzpendler wird das nun kompliziert“, sagt Amandine Bickel. Die 31-jährige Französin betreibt einen Zeitschriften- und Tabakladen direkt neben dem neuen Drive-In-Testzelt. Kopfschüttelnd steht sie vor der Tür ihres Ladens und beobachtet das rege Kommen und Gehen. Andere Berufspendler sind weniger zurückhaltend in ihren Aussagen. „Wie soll das alles funktionieren“, fragt eine junge Frau, die im französischen Forbach wohnt und jeden Tag zur Arbeit nach Saarbrücken fährt. „Ich muss mich nun mehrere Male die Woche testen lassen. Das ist eine sehr unangenehme Prozedur, sich jedes Mal so ein Wattestäbchen in die Nase stecken lassen.“ Zudem müsse sie als Mutter zwei Kinder versorgen, da sei der Tagesablauf sehr genau getaktet. Diese neue Vorschrift bringe nun praktisch ihr ganzes Leben ins Wanken.

Sehr deutlich wird auch Christophe Arend, französischer Parlamentsabgeordneter des Départements Moselle, und er schiebt den schwarzen Peter der deutschen Seite zu. „Ich bedauere die aktuelle Situation, die durch eine brutale Entscheidung verursacht wurde“, schreibt er in einer Stellungnahme. Das erinnere ihn an die Situation vor einem Jahr, als Deutschland während der ersten Corona-Welle ohne jegliche Absprache über Nacht alle Grenzübergänge geschlossen hat. Er unterstreicht, dass die Regionen auf deutscher und französischer Seite wirtschaftlich und kulturell untrennbar miteinander verwoben seien und fordert, dass man sich unbedingt um pragmatischere Lösungen bemühen müsse.

Die Züge enden an der Grenze

„Ich weiß nicht, ob die Auswirkungen dieser Entscheidung wirklich zu Ende gedacht worden sind“, sagt einer der Betriebsleiter am Bahnhof in Auersmacher, einem kleinen Städtchen unweit der Grenze. „Die Züge fahren noch eine Station weiter nach Hanweiler und werden dort dann abgestellt.“ Wegen der neuen Verordnung dürfen sie die dortige Grenze nicht mehr passieren, was bedeutet, dass die französische Stadt Sarreguemines (Saargemünd) nun vom wichtigen Nahverkehr nach Saarbrücken von einem Tag auf den anderen abgeschnitten ist. Wie die Zuggäste auf französischer Seite nun weiter an ihr Ziel kommen weiß er nicht.

Während der Mann erzählt, fahren immer wieder Autos mit französischen Kennzeichen auf der nahen Kreisstraße vorbei, die in Richtung Saarbrücken führt. „Viele Franzosen kommen hierher einkaufen, weil viele Dinge in Deutschland billiger sind“, sagt er. Ihm sei nicht aufgefallen, dass dieser Pendelstrom merklich abgenommen habe. Bisher waren Grenzübertritte von bis zu 24 Stunden in beide Richtungen ohne Auflage erlaubt, um die engen Beziehungen in der Region nicht zu stören, doch mit der neuen Verordnung soll das nun ein Ende haben.

Keine Kontrollen an der Grenze

Anders als im Fall von Tschechien und Tirol in Österreich soll es nach einer deutsch-französischen Absprache aber keine Kontrollen direkt an der Grenze geben. Stattdessen sieht das Innenministerium eine „Schleierfahndung im Hinterraum“ vor. Wie diese Vorgabe aus dem fernen Berlin genau umgesetzt werden soll, ist offensichtlich noch nicht bis zu den Polizeibeamten durchgedrungen, die im Saarland in ihren Streifenwagen beobachtend durch dieses „Hinterraum“ patrouillieren sollen. Beim Schichtwechsel im Revier der Bundespolizei an der A6, unmittelbar an der deutsch-französischen Grenze, herrscht entspannte Stimmung. „Wir lassen uns überraschen“, sagt einer der Beamten, der dann aber noch versichert, dass man bei den angekündigten Kontrollen auf jeden Fall mit dem nötigen Augenmaß vorgehen werde.

Derweil dringen gute Nachrichten aus dem Département Moselle über die Grenze. Der zuständige Präfekt Laurent Touvet erklärte, dass es zwar noch immer viele Corona-Fälle gebe, sich die Situation aber auf hohem Niveau stabilisiert habe. Lag der Inzidenzwert vergangene Woche in Moselle noch bei fast 320 ist die Zahl der Infizierten auf 100 000 Einwohner inzwischen wieder unter 290 gesunken. Laurent Touvet sieht einen „langsamen, kontinuierlichen Rückgang“. Als zusätzliche Schutzmaßnahme verhängte die Präfektur ein Alkoholverbot im öffentlichen Raum in Städten wie Metz, Sarreguemines und Forbach. Damit sollen Ansammlungen junger Leute verhindert werden. Zudem könnte eine weitgehende Ausgangssperre an Wochenenden kommen.

Inzwischen wagt kaum jemand mehr Prognosen über den Verlauf der Pandemie in der Region. An der deutsch-französischen Grenze in Saarbrücken hat Thilo Ziegler das Corona-Testzentrum für mindestens zwei Wochen aufgebaut. „Natürlich können wir auch länger hier arbeiten“, erklärt der Konzertveranstalter, „aber je früher wir hier unsere Zelte abbauen können, desto besser ist es für uns alle.“