Die Panini-Stickeralben: Selige Erinnerungen an Fußball-Klebebildchen und Tauschorgien auf dem Pausenhof. Zwei junge Münchner haben dem Sticker-Hype ein Update verpasst – und das erste Deutschrap-Stickeralbum produziert.

Stuttgart - Es vergeht keine Woche, in der der Berliner Rapper Capital Bra nicht einen neuen unglaublichen Rekord aufstellt. Klicks, Streaming-Zahlen, Downloads: Deutscher Rap ist bei Kindern und Jugendlichen so beliebt wie nie zuvor. Mit Bausa und Rin hat auch die Region echte Klick-Schwergewichte zu bieten. Selbst wer hinter astronomischen Klickzahlen Manipulationen vermutet, kommt um die Tatsache nicht herum, dass sehr viele junge Leute sehr viel deutschen Rap und Hip-Hop hören – und darüber reden.

 

Larissa Fischer und Jannis Wenderholm war das simple Hören zu wenig. Zu passiv. Die beiden Münchener arbeiteten schon bei großen deutschen Plattenfirmen und verfolgen die Trends und Auswüchse des Musikmarkts sehr genau. Sie wollten das Fan-Sein wieder ein wenig unmittelbarer, aktiver gestalten. Raus aus dem Internet, zurück auf die Straße, wo der Rap herkommt.

Erst stand die Idee eines Rap-Stickeralbums vage im Raum, wurde dann immer konkreter. Und dann sagte sogar Panini als Verlag zu. Am 15. Juli erscheint nun das erste Deutschrap-Stickeralbum mit Stickern von über 200 Rapper und Rapperinnen. Gekauft werden die Tütchen und Alben wie früher im Handel oder – zeitgemäß – online.

Manifest einer explodierenden Szene

Aufmerksamen Followern der offiziellen Instagram-Seite von „Das ist Deutschrap“ wird längst aufgefallen sein, dass Pioniere wie Advanced Chemistry, die Fantastischen Vier oder weitere frühe Wegbereiter wie Afrob, Beginner oder Fettes Brot in der schönen neuen Klebewelt fehlen. Mitnichten ein Versäumnis, erklärt Fischer: „Wir haben uns gezielt auf Künstler beschränkt, die ihr Debüt nach 2000 veröffentlicht haben und immer noch aktiv sind. Das schließt die alte Schule in diesem ersten Album natürlich aus.“

So bleibt Raum für eine Fortsetzung, die sich dann auf die Ursprünge konzentrieren könnte. Fürs Erste sind Fischer und Wenderholm aber froh, die Arbeiten an ihrem Debüt abgeschlossen zu haben. Die erledigten sie nicht, wie im Falle eines Stickeralbums eigentlich üblich, mit einer kompletten Redaktion, sondern mehr oder weniger im Alleingang, unterstützt von einigen Freunden und Kollegen. Selfmade eben, das kennt und mag man im Rap. „Ich habe mich mal zwei Wochenenden hingesetzt und alle Deutschrapper zusammengetragen, die es gibt. Am Ende waren es weit über 500“, sagt Fischer. Dann ging die eigentliche Arbeit erst los. Kontaktaufnahme. Managements wurden angerufen, Plattenfirmen angeschrieben, Künstler selbst über die sozialen Netzwerke kontaktiert. „Am Ende gab es keinen in den letzten zwei Jahren relevanten Deutschrapper, den wir nicht zumindest angeschrieben haben“, so Wenderholm.

Die meisten waren begeistert von der Idee – zumal ja irgendwie jeder schon mal so ein Panini-Stickertütchen in der Hand hatte. „Dieses Album war eine logische Schlussfolgerung“, nickt Wenderholm. „Viele Rapper nehmen in ihren Texten Bezug auf Fußballer und ihre Idole. Jetzt werden sie durch diese Sticker selbst zu welchen.“ Es dürfte den durchaus nicht öffenlichkeitsscheuen deutschen Rappern gefallen, zu Panini-Ehren zu gelangen. Vor allem aber ist das Stickeralbum eine Art Manifest dieser insbesondere in den letzten paar Jahren explodierten Szene.

Und noch etwas ist charmant an diesen ersten Deutschrap-Album, das keine Musik macht. „Wir unterscheiden nicht zwischen großen und kleineren Künstlern“, so Fischer. Deswegen gibt es auch eine vollkommen wertfreie Nummerierung: chronologisch. Los geht es mit Curse, der sein Debüt im März 2000 veröffentlichte und die 001 bekommt. Rin hat die Nummer 144, Bausa die 152.