Barmherzigkeit ist keine politische Größe für den früheren polnischen Ministerpräsidenten.

Korrespondenten: Knut Krohn (kkr)

Warschau - Jaroslaw Kaczynski gibt sich gerne als gläubiger Mensch. Häufig zeigt sich der Chef der in polnischen Regierungspartei PiS beim Kirchgang, mit Bischöfen oder anderen Würdenträgern. Doch geht es darum, seine Idee in der Politik umzusetzen, lässt sich Kaczynski nicht einmal vom Papst ins Gewissen reden. „Ich kann mir keine Situation vorstellen, in der es dazu käme“, sagte der national-konservative Politiker der „Bild“-Zeitung über die Forderung an Polen, Flüchtlinge aus dem Bürgerkriegsland Syrien aufzunehmen.

 

Kein Zufall dürfte sein, dass das Gespräch praktisch zur selben Stunde veröffentlicht wurde, in der Franziskus in Krakau beim Weltjugendtag der polnischen Regierung ins Gewissen redete. Es sei die „Bereitschaft zur Aufnahme derer notwendig, die vor Kriegen und Hunger fliehen“, sagte das Kirchenoberhaupt. Diejenigen, die ihrer Grundrechte beraubt seien oder des Rechtes, in Freiheit und Sicherheit den eigenen Glauben zu bekennen, benötigten Solidarität.

Appell an die Barmherzigkeit

Doch während der Pontifex im Gespräch mit dem polnischen Präsidenten Andrzej Duda auf der Wawel-Burg an die Barmherzigkeit appellierte, ließ Kaczynski aus der Ferne wissen, dass dies keine relevante Größe für das Regierungshandeln in Polen ist. Und der PiS-Vorsitzende stichelte weiter, dieses Mal gegen Angela Merkel. „Ich würde gerne von Frau Bundeskanzlerin erfahren, was sie sich dabei gedacht hat, als sie die Grenzen öffnete. Denn da lässt mich meine Vorstellungskraft im Stich.“

Immer wieder macht Kaczynski in der Flüchtlingsfrage seine eigene Rechnung auf. Polen habe bereits über eine Million Ukrainer aufgenommen, außerdem 100 000 Weißrussen und Zehntausende Tschetschenen, wiederholt er bei jeder Gelegenheit. Tatsächlich aber haben 2015 nur 4000 Ukrainer in der Ukraine Asyl beantragt, von diesen wurden nur einige wenige als Flüchtlinge anerkannt. Die übrigen sind Wirtschaftsmigranten mit Visum, die in Polen jene schlecht bezahlten Jobs erledigen, für die sich keine einheimischen Arbeitskräfte finden.

Fremder Glaube, viele Krankheiten

Die Polen stehen in dieser Frage mehrheitlich hinter Kaczynski. Der hat auf dem Höhepunkt der Flüchtlingskrise immer wieder anklingen lassen, die Menschen aus Syrien oder dem Irak brächten nicht nur einen fremden Glauben, sondern auch viele Krankheiten ins Land. Nun sieht sich der PiS-Chef durch die islamistisch motivierten Attentate in Europa in seiner Haltung bestätigt. Auch wurde bei dem Interview mit der „Bild“-Zeitung Kaczynskis Hang deutlich, politisch und gesellschaftlich eher zu spalten, als zu versöhnen. Bestes Beispiel: die deutsch-polnische Geschichte. „Unsere Geschichte verbindet uns nicht, sie trennt uns eher“, sagt der Politiker. Wir „werden unsere Völker Zeit brauchen, um Wunden zu heilen“, sagt Kaczynski – 70 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkrieges.

Fast im selben Atemzug macht die graue Eminenz der polnischen Politik noch deutlich, was er von der Europäischen Union hält. Die hat Polen in diesen Tagen ultimativ dazu aufgefordert, innerhalb von drei Monaten eine umstrittene Justizreform ändern, mit der die Rechte des Verfassungsgerichtes beschnitten werden. Dafür hat Kaczynski nur Spott übrig. „Das ist nichts als ein fröhliches Schaffen zum Vergnügen der EU-Kommission und ihrer Beamten.“ Da Kaczynski die Medien im eigenen Land mit hartnäckiger Missachtung bestraft, kommen seine Aussagen einer Art Regierungserklärung gleich.