Mit seiner Reise nach Myanmar und Bangladesch lenkt Papst Franziskus den Blick der Öffentlichkeit auf eine Konfliktregion – wieder einmal. Um Sprechverbote kümmert er sich dabei nicht.

Rom - Man muss wirklich von einem feinen Gespür ausgehen, denn eine Papstreise ist kein Last-minute-Urlaub. Monate der Vorbereitungen stecken dahinter, so wurde auch die Reise nach Myanmar und Bangladesch, die Papst Franziskus an diesem Sonntag antreten wird, von langer Hand geplant. Der Termin stand bereits fest, als im August ein seit Jahren schwelender Konflikt eskalierte und die Angehörigen der Minderheit der muslimischen Rohingya zu Hunderttausenden von Myanmar nach Bangladesch flohen.

 

Auch wenn vor wenigen Tagen endlich Hoffnung auf eine Lösung des Konfliktes aufkam – Myanmar sagte zu, die Geflüchteten wieder aufzunehmen –, begibt sich der Papst wieder einmal an den Ort, an dem er derzeit am meisten gebraucht wird. Und er macht damit Politik.

Wie brisant sein Besuch sein wird, beweist die Nervosität der Bischöfe in Myanmar schon vor dem Ausbruch der dortigen Flüchtlingskrise. Die hatten den Papst bereits im Juni gebeten, den Begriff „Rohingya“ bei seinem Besuch möglichst zu vermeiden. Doch auch auf seiner 22. Auslandreise wird sich der 80-Jährige nicht auf vorgefertigte Skripte verlassen. „Es ist kein verbotenes Wort“, hieß es aus dem Vatikan.

„Seine Sprache ist sehr klar und ermutigend, nicht vorwurfsvoll“, sagt Annette Schavan, die deutsche Botschafterin am Heiligen Stuhl über das diplomatische Geschick des Papstes. „Es sind meistens Worte, die der Adressat gut aufnehmen kann und die ihn nicht in seiner Schwäche vorführen.“ Doch trotz aller Diplomatie: Franziskus nennt die Dinge auch gerne knallhart beim Namen. Bei seiner Reise nach Armenien, die er im Juni 2016 absolvierte, bezeichnete der Papst das Massaker von 1915/16 an den Armeniern im Osmanischen Reich in seiner Abschlusserklärung offiziell als „Völkermord“. Das löste heftige Proteste in der Türkei, dem Nachfolgestaat des Osmanischen Reiches, aus, die ihm eine „Kreuzfahrermentalität“ vorwarf.

Franziskus’ Vorgänger hielt sich aus der Politik heraus

Franziskus macht Politik. Er tut damit das, was sein Vorgänger, Papst Benedikt XVI., möglichst zu vermeiden versuchte. „Es liegt in der Natur der Kirche, dass sie keine Politik macht, sondern dass sie die Autonomie der Staaten und ihrer Institutionen respektiert“, schrieb Benedikt 2006 in einem Brief an die Leser der katholischen Wochenzeitung „Famiglia Cristiana“. Der Schwerpunkt des 2013 zurückgetretenen Papstes lag in der Stabilisierung innerhalb der Kirche. „Mir kommt bei Franziskus immer in den Sinn, wie Papst Johannes Paul II. in der Zeit vor der Wiedervereinigung agiert hat“, sagt die Botschafterin Schavan zum Vergleich zwischen Franziskus und seinen Vorgängern.

Mit seinen Reisen zieht der Argentinier die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit gezielt auf die Krisenherde der Welt. „Er hat ein Gespür für den richtigen Moment“, sagt Schavan. So lenkte er bei einem Besuch auf der italienischen Insel Lampedusa im Juli 2013 den Blick der Welt auf das Schicksal der Flüchtlinge, die zu Tausenden an der Küste Europas gestrandet waren. Und als er im April 2016 auf der griechischen Insel Lesbos zu Besuch war, nahm er spontan zwölf der dort untergebrachten Flüchtlinge mit nach Rom – in einer Zeit, in der die europäischen Staats- und Regierungschefs gerade hitzig und ergebnislos über Verteilungsquoten diskutierten. Die Flüchtlingskrise hat das Oberhaupt der katholischen Kirche immer wieder als „schlimmste menschliche Katastrophe seit dem Zweiten Weltkrieg“ bezeichnet. Bei seinem Besuch in Südkorea 2014 rief Franziskus zudem die beiden verfeindeten Bruderstaaten Nord- und Südkorea zur Aussöhnung auf. Später warnte Franziskus eindringlich vor einer Prahlerei mit Atomwaffen.

Oft ist Franziskus damit erfolgreich: Sowohl der damalige US-Präsident Barack Obama als auch Kubas Staatschef Raúl Castro lobten die Vermittlerrolle, die Papst Franziskus bei der Annäherung der beiden seit Jahrzehnten verfeindeten Staaten im Jahr 2015 spielte. Auch an der Beilegung des mehr als 50 Jahre andauernden Konfliktes der kolumbianischen Regierung mit der linken Farc-Guerilla in diesem Sommer war der Papst nicht unbeteiligt.

Der Südsudan war für Franziskus nicht sicher genug

Ginge es nach Franziskus, wäre er in diesem Jahr auch in den Südsudan gereist. Immer wieder betont er in seinen Ansprachen seine Sorge über die Lage in der jungen Nation. Seit Jahren herrscht dort ein blutiger Bürgerkrieg, das Land steht am Rande einer Hungersnot. Aus Sicherheitsgründen war eine Papstreise dorthin allerdings noch nicht möglich.

Nun wird der Besuch in Myanmar und Bangladesch das politische Wirken Franziskus‘ fortsetzen. Die europäischen Länder lässt er bei seinen Reiseplanungen eher links liegen. Bereits zu Beginn seines Pontifikats im März 2013 hatte Jorge Mario Bergoglio gesagt, dass Asien für ihn ein Schwerpunkt sein wird. Anfang November hat Myanmar mit San Lwin erstmals einen Botschafter an den Heiligen Stuhl entsandt. „Diplomatische Beziehungen zum Heiligen Stuhl sind auch eine Unterstützung für die weltweite Präsenz so eines Landes“, sagt Botschafterin Schavan.

Doch die meiste Aufmerksamkeit erzielt Franziskus mit seiner Präsenz. „Es gibt große Erwartungen an den Besuch des Heiligen Vaters in Myanmar. Zum ersten Mal überhaupt besucht ein Papst dieses mehrheitlich buddhistische Land“, sagte Erzbischof Ludwig Schick, der Vorsitzende der Kommission Weltkirche der Deutschen Bischofskonferenz. Auch er setzt auf die politische Wirkung, die so ein Papstbesuch haben kann. Es brauche dort dringend eine Änderung des sozialen Klimas, so Schick. „Die religiösen Führer des Landes stehen hier in der Mitverantwortung.“ Das habe auch Franziskus bereits im Vorfeld seiner Reise betont. „Durch sein persönliches Zeugnis vor Ort kann, so darf man hoffen, eine neue Dynamik in Gang gesetzt werden, damit künftig die Menschen in Myanmar in Frieden miteinander leben können.“