Electroswing ist das Gebot der Stunde. Auch Stuttgart tanzt derzeit vor allem auf diese Musikrichtung, und das Konzert der Electroswing-Combo Parov Stelar am Freitagabend war ausverkauft. Jan Georg Plavec erklärt, warum diese Musikrichtung gerade so abgeht.

Digital Desk: Jan Georg Plavec (jgp)

Stuttgart - Das Saxofon ist ein sexy Instrument. Wenn einer sein Saxofon herumschwingt, dazu mit verwegenem Blick hineinbläst und sich auch sonst entsprechend bewegt, dann ist das eine anspielungsreiche Sache. Vielleicht nicht die originellste, aber es funktioniert. Schwing dein Ding! Und weil das mit dem Saxofon funktioniert und einige ähnliche Dinge auch, gibt es derzeit den Electroswing.

 

Electroswing ist die etwas ungenaue Beschreibung einer Musik, die im weistesten Sinne Swing mit elektronischer Musik verquirlt. Musikalisch spielen Gypsy-Traditionen eine Rolle, die elektronische Musik ist genau genommen vor allem House mit ein paar Electro-Anspielungen und beim Swing ist nicht die Musikrichtung in toto gemeint, sondern vielmehr die tanzbaren Passagen einiger alter Musikaufnahmen sowie – und das fast noch stärker als die Musik – das Lebensgefühl der zwanziger Jahre.

Stuttgart tanzt Electroswing

Man könnte lange Feuilletons schreiben, warum ausgerechnet die heute oft als Zeit des politischen Aufbruchs und der allgemeinen Libertinage wahrgenommenen Zwanziger derzeit so beliebt sind. Für diesen Beitrag soll die Feststellung reichen: Wer auch immer sich mit diesem Dreh auf die Bühne wagt, kann derzeit kaum etwas falsch machen. In ganz Stuttgart werden Electroswing- und Federboa-Partys gefeiert, selbst das Kunstmuseum spielt Swing von alten Schellack-Platten – und das Konzert von Parov Stelar im LKA ist restlos ausverkauft.

Parov Stelar ist der Künstlername von Marcus Füreder. Der 38-Jährige Oberösterreicher veröffentlicht seit mehr als zehn Jahren Aufnahmen, die Jazz im weitesten Sinne mit im weitesten Sinne elektronischer Musik vermischen, am liebsten mit House und Downbeat. Er steht damit in der Tradition des Nu Jazz, der von Combos wie De Phazz, Jazzanova oder Mo’ Horizons kultiviert wird.

Diese Musik geht einfach ab

Soviel zur Einordnung. Dass nach so vielen Jahren nun alle ihre Liebe zum Electroswing entdecken, hat einen anderen Grund: Diese Musik geht einfach ab. Sie geht ins Ohr. Man kann problemlos dazu tanzen. Und bei aller Bescheidenheit macht es etwas her, wenn die Sängerin mit einem roten Fächer wedelnd auf der Bühne mit dem Saxofonisten anbandelt.

Neben die optischen Reize treten die musikalischen: In den vom House bekannten 120 Beats pro Minute gibt der kombinierte Einsatz von Live-Schlagzeug und Computer dem Rhythmus sowohl Groove als auch Bumms. Dasselbe gilt für den Bass, dazu kommen ein Trompeter und der schon mehrfach angesprochene Saxofonist. Dieses Duo könnte mit seiner Performance auch bei einer Ska-Combo auf der Bühne stehen, jedenfalls geben Markus Ecklmayr und Gerd Rahstorfer mächtig Gas.

Alles eher hetero

Und dann ist da noch Daniela Hrenek am Mikrofon. Während die Herren auf der Bühne sich mit Käppies, Hosenträgern und Leinenschuhen begnügen können, um optisch einen auf zwanziger Jahre zu machen, muss die Sängerin knapp bekleidet den roten Fächer bedienen oder mit einer extralangen Zigarettenspitze herumspielen. Alles eher hetero, könnte man einwenden, wenn man unbedingt etwas einwenden möchte gegen Electroswing allgemein oder die Show von Parov Stelar im Besonderen.

Ansonsten liefert die sechsköpfige Combo eine makellose Performance ab. Es groovt und kratzt und knallt, wie man sich das für einen Freitagabend erhofft. Das Stuttgarter Publikum nimmt die Show fröhlich feiernd auf und der Beat fließt schier endlos weiter.

Das funktioniert

Insofern erinnert das Konzert mehr an einen House-Gig in einer Disco; Tempiwechsel oder größere Spannungsbögen kennen die im LKA vorgetragenen Songs zumindest in dieser Version kaum. Aber Marcus Füreder ist Profi genug, um trotzdem anderthalb Stunden bestes Entertainment auf die Bühne zu bringen. Damit das gelingt, bedienen sich Parov Stelar bei so unterschiedlichen Musikrichtungen wie Disco, Jazz und Gypsy. Und dazu eben immer verlässlich der leicht mit Shuffle versetzte Vier-Viertel-Takt.

Electroswing funktioniert, und er wird auch noch eine ganze Weile funktionieren. Während verkopftere Gemüter wieder Drum’n’Bass hören oder vertrackten Electro, nutzen Acts wie Parov Stelar oder der in diesem Sinne seelenverwandte Paul Kalkbrenner eher diejenigen Errungenschaften der elektronischen Musik, die den Tanzspaß und die Intensität des Gehörten erhöhen. Wie schön, dass man beides haben kann! Wie schön, dass getanzt wird!