Bei einer Arbeitstagung in Ludwigsburg berichten Gäste aus Montbéliard, wie in Frankreich ein verantwortungsvoller Umgang mit Essen gefördert wird.

Ludwigsburg - Städtepartnerschaften werden wieder aktiv. Wegen Corona konnten die Kommunen ihre freundschaftlichen Beziehungen nur über die Distanz pflegen: Jetzt war nach längerer Zeit eine zehnköpfige Delegation aus dem französischen Montbéliard zu einer Arbeitstagung in Ludwigsburg. Thema des zweitägigen Treffens war „Kampf gegen Lebensmittelverschwendung“. Die Franzosen gelten da als besonders fortschrittlich. Bereits seit fünf Jahren dürfen Supermärkte unverkaufte Waren nicht mehr wegwerfen. Wer Lebensmittel verschwendet, zahlt eine Geldstrafe von fast 4000 Euro – sofern man ihn erwischt. Das Strafrecht in Deutschland behandelt die Rettung von Lebensmitteln aus Müllcontainern hingegen als Diebstahl. Nahrung sollte daher erst gar nicht im Abfall landen. Darüber tauschten sich Verwaltungskräfte aus beiden Rathäusern sowie Ludwigsburger Stadträte aus. Unter den französischen Teilnehmern waren Mitarbeiter der Tafel von Montbéliard, die in ganz Frankreich Banque Alimentaire de Franche-Comté heißt.

 

Nicht alle Franzosen sind Gourmets

Bürgermeisterin Marie-Noelle Biguinet leitete die Delegation aus der 300 Kilometer entfernten Partnerstadt. Die Frage, ob ihre Landsleute für dieses Thema besonders sensibilisiert seien, weil Lebensmittel in Frankreich generell höher geschätzt würden als in Deutschland, brachte sie zum Schmunzeln. Es gäbe in ihrer Stadt nicht wenige Menschen, die mit Lebensmitteln achtlos umgingen. Dass alle Franzosen Feinschmecker seien, sei ein nicht ganz stimmiges Bild, sagte sie. Staat und Kommunen müssten viel Überzeugungsarbeit leisten, um den Vorschriften Nachdruck zu verleihen.

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Die Stadt nehme über die vier Schulmensen Einfluss auf das Konsumverhalten der jungen Bürger, sagte Madame Biguinet. Die Schülerinnen und Schüler dürften sich an den Theken selbst bedienen und das nehmen, was sie gerne essen. Sie lernten aber, sich nur so viel zu nehmen, wie sie zum Sattwerden brauchten. Der Verbrauch an Lebensmitteln sei tatsächlich merklich zurückgegangen. Den Erwachsenen bietet die Stadt Komposter an, damit Essensreste zu Pflanzerde recycelt werden. Bei Besitzern von Einfamilienhäusern klappe das recht gut. Schwieriger sei es, eine Hausgemeinschaft vom Nutzen eines Komposters zu überzeugen.

Die „Obstler“ kümmern sich um die Pflege von Streuobstwiesen

Der Abschluss des Arbeitstreffens fand gemeinsam mit Bürgermeisterin Renate Schmetz auf einer Streuobstwiese am westlichen Rand von Ludwigsburg-Oßweil statt. Das Gelände gehört der Stadt. Zehn Jahre kümmerte sich kaum jemand um die 65 Bäume. In diesem Herbst wurde das Streuobst zum ersten Mal wieder ordentlich eingesammelt und zu Saft verarbeitet. Die Stadt hat diese und eine weitere Wiese zwei Bürgergruppen dauerhaft kostenfrei zur Verfügung gestellt. Junge Familien, Ehepaare und Einzelpersonen beteiligen sich an der Pflege der Bäume mit überwiegend alten Obstsorten.

Die Mitstreiter selbst nennen sich folgerichtig „die Obstler“: Eine Tonne Obst kam auf diese Weise im ersten Jahr zusammen, die rund 600 Liter Saft ergeben werden, so die Hoffnung von Tabea Lerch, eine der Initiatorinnen. Für sie als Neulinge sei es zum Teil schwere Arbeit gewesen. Sie mussten den Baumschnitt erst lernen. Für die Insekten sei die lange Zeit der Brache zu einem guten Biotop geworden, das „die Obstler“ nicht mehr als nötig stören wollen.

Als eine erste Anerkennung für ihr ehrenamtliches Engagement gab es jetzt vom Rotarier Club Bietigheim-Vaihingen einen Scheck über 2000 Euro überreicht. Mit einem Teil des Geldes werde eine Leiter angeschafft, so Tabea Lerch. Die alten Bäume seien doch recht hoch.