Am Dienstag besuchten Schüler des Johannes-Kepler-Gymnasiums die Patch High School des US-Militärs. Für Begeisterung sorgte die technische Ausstattung der Schule – aber nicht alles kam bei den deutschen Jugendlichen gut an.

Stuttgart - Iliyah ist 16 Jahre alt und besucht die Patch American High School in den Patch Barracks in Vaihingen. Der Deutschlehrer fordert die Schüler auf, einen persönlichen Steckbrief auszufüllen. Der Neuntklässler fängt an zu schreiben. Berufswunsch? Militärpolizist. Motto? „May God have mercy upon my enemies, because I won’t.“ Das Zitat stammt von George S. Patton, einem General der US-Armee im Zweiten Weltkrieg. Ins Deutsche übersetzt bedeutet es so viel wie „Möge Gott Gnade mit meinen Feinden haben, denn ich werde sie nicht haben.“ Der Einfluss von Iliyahs militärisch geprägter Familie ist unverkennbar – wie auch bei den anderen Schülern der High School, die ausschließlich von Jugendlichen besucht wird, deren Eltern für das US-Militär arbeiten. Bis zu neun Mal wechseln Jugendliche wie Iliyah im Schnitt die Schule.

 

„Sternzeichen. Was bedeutet das?“ fragt der 16-Jährige seinen Sitznachbarn mit einem stark amerikanischen Akzent. Dieser denkt kurz nach und antwortet dann in flüssigem Englisch. Als Schüler einer bilingualen achten Klasse am Johannes-Kepler-Gymnasium in Bad Canstatt, die am Dienstag die Patch High School besuchte, bereitet ihm das keinerlei Probleme. An diesem Schultag dreht sich alles um die deutsch-amerikanische Freundschaft, den kulturellen Austausch, und darum, gegenseitige Stereotypen zu überwinden. „Einige der Schüler, die das Gelände der Patch Barracks noch nie verlassen haben, und Deutschland nur aus dem Fernsehen oder Schulbüchern kennen, glauben, dass die Deutschen nur in Lederhosen und Dirndeln herumlaufen und Schnitzel essen“, erzählt Daniel Coapstick, der an der High School Deutsch und Mathe unterrichtet. „Im Austausch mit den deutschen Schülern erkennen sie, dass die Jugendlichen beider Nationen doch mehr gemeinsam haben, als manch einer denkt – und können bei der Gelegenheit auch gleich noch ihr Wissen aus dem Deutschunterricht anwenden.“

Unterricht auf militärischem Sperrgebiet

Auf die Schüler des Johannes-Kepler-Gymnasiums wirkt die Umgebung der Patch High School anfangs freilich befremdlich. Wer die Patch Barracks betreten will, muss angemeldet sein und am Eingang bewaffnete Sicherheitsleute passieren. Wer mit dem Auto kommt, muss alle Türen sowie den Kofferraum öffnen, und vor der Schranke warten, bis mit einem Spiegel auch der Unterboden des Fahrzeugs nach Sprengstoff abgesucht wurde. Im Inneren erinnert das Militärgelände an eine US-Kleinstadt: Tankstelle, Feuerwehr, Polizei, Einkaufsläden, Bars, Sportplätze – und natürlich ein Food Court mit Burger King und Taco Bell. Vor der High School weht die Flagge der Vereinigten Staaten.

„Ich finde es hier total interessant. Es sieht genauso aus wie im Fernsehen,“ schwärmt der 13-jährige Anton von Tubeuf. „Vor allem die Schule hat mich beeindruckt, alles ist viel moderner als bei uns.“ Und in der Tat ist jedes Klassenzimmer der Patch High School mit einem Smart Board, also einer computergesteuerten Tafel, und Internet ausgestattet. Darüber hinaus erhält jeder Schüler, der neu auf die Schule kommt, kostenlos einen Laptop. Bei Daniel Copestick und seinen Kollegen sind Computer inzwischen ein fester Bestandteil des Unterrichts: „Man kann das Lernen auf diese Weise viel interaktiver gestalten und muss nicht auf die Schulbücher zurückgreifen, die zum Teil älter sind, als die Schüler“, so der 30-jährige Lehrer.

Eltern behalten die Noten ihrer Kinder stets im Blick

Die Patch High School verfügt sogar über ein Filmstudio, in dem die Schüler eigene Nachrichtenformate produzieren, die auf den Fernsehern des Schulgeländes zu sehen sind. Geschnitten wird alles im Klassenzimmer nebenan, in dem jeder Arbeitsplatz mit gleich mehreren Computern der neuesten Generation ausgestattet ist. So viel High-Tech begeistert die Besucher aus Bad Cannstatt, deren Gymnasium nur über einen Computerraum und zwei Laptop-Wagen verfügt. Lediglich beim Thema „Grade Speed“ sind dann sowohl Lehrer als auch Schüler froh über die deutschen Datenschutzstandards, die ein solches System unmöglich machen: Durch „Grade Speed“ sind die Noten, Fehlstunden und nicht gemachten Hausaufgaben jedes einzelnen Schülers für Lehrer und Eltern in Echtzeit im Internet einsehbar. „In Deutschland wäre das unvorstellbar,“ sagt Cornelia Schwarzkopf, die Lehrerin der 21 Schüler und Schülerinnen vom Johannes-Kepler-Gymnasium. „Bei uns darf der Computer mit den Noten der Schüler nicht einmal mit dem Internet verbunden sein.“

Dem Vaterland dienen

Ein weiteres schulisches Angebot, das hierzulande undenkbar wäre, ist das des Junior Reserve Officers Training Corps (JROTC). „Unser Ziel ist es, Jugendliche zu besseren Bürgern zu machen, indem sie der Gemeinschaft und ihrem Land dienen,“ erklärt Oberstleutnant Norman Matzke. „Unsere Kadetten leisten sehr viel ehrenamtliche Arbeit. Wir bringen ihnen aber auch Dinge wie Erste Hilfe und den Umgang mit Waffen bei.“ An diesem Samstag findet in der Sindelfinger Stadthalle ein Militärball für die 14-jährigen JROTC-Anwärter statt. Zuvor lernen sie aber noch, wie man sich auf einem Ball benehmen muss. Ein 15-jähriger, ranghöherer Kadett steht vor der Klasse und erklärt: „Wenn die Frau am Tisch aufsteht, müssen alle Männer aufstehen. Ihr setzt euch erst wieder, wenn die Frau weg ist!“ Sollte sich ein Mädchen allerdings einen Spaß daraus machen, und mehrfach grundlos aufstehen, dürften sie aber natürlich sitzen bleiben. Disziplin und Ordnung gilt eben für beide Geschlechter.